Fackelzug vor Flüchtlingsheim Dortmund kämpft gegen Rechtsextreme

Dortmund · In Dortmund haben etwa 20 Personen bei einem Fackelzug ausländerfeindliche Parolen vor einem Flüchtlingsheim skandiert. Dortmunds OB fordert ein Verbot der Partei "Die Rechte". Die Stadt gilt als rechtsextreme Hochburg in NRW.

 Nach dem Fackelmarsch der Neonazis sicherte die Polizei das Flüchtlingsheim in Dortmund-Eving. Der Staatsschutz kann nicht ausschließen, dass die Rechtsextremen wiederkommen.

Nach dem Fackelmarsch der Neonazis sicherte die Polizei das Flüchtlingsheim in Dortmund-Eving. Der Staatsschutz kann nicht ausschließen, dass die Rechtsextremen wiederkommen.

Foto: dpa, mb fdt

Als die Polizei kurz nach 21 Uhr am Flüchtlingsheim in Dortmund-Eving eintrifft, liegen nur noch qualmende Fackeln und Überreste von Feuerwerksknallern auf dem Gehweg. Etwa 20 Rechtsradikale, von denen die Anwohner berichtet haben, sind verschwunden. Sofort geht eine Fahndung nach den stadtbekannten Neonazis raus, die wenige Minuten zuvor mit brennenden Fackeln vor die Asylunterkunft marschiert sind, ausländerfeindliche Parolen skandiert und Böller gezündet haben. Die Polizei kann später 13 Personen aus dem rechtsextremen Spektrum festnehmen. Verletzt wird niemand. Die Flüchtlinge kommen mit dem Schrecken davon.

Der Dortmunder Polizeipräsident Gregor Lange erklärte anschließend: "Wir tun alles, um diese unerträglichen Provokationen und Einschüchterungen der Rechtsextremisten zu stoppen." NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) sprach von einer "ernsten und beschämenden Droh-Aktion. "Flüchtlinge, die alles verloren haben und hier bei uns Schutz suchen, dürfen nicht mit Nazi-Methoden verängstigt werden", betonte der Minister. Die Stadt Dortmund kündigte am Montag an, die Sicherheitsvorkehrungen in den Heimen für Asylbewerber überprüfen zu lassen.

Der Fackelzug vor der Flüchtlingsunterkunft am Freitagabend war der vorläufige Höhepunkt der Einschüchterungsstrategie der Dortmunder Neonazi-Szene. Nur wenige Tage zuvor hatten Unbekannte falsche Todesanzeigen von kritischen Journalisten und Politikern aus Dortmund im Internet veröffentlicht. Der Staatsschutz ordnete die Tat der rechten Szene zu, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Unbekannt. Bei den Dreharbeiten zum letzten "Tatort"-Krimi in Dortmund, bei dem es um Rechtsextremismus ging, fühlten sich Schauspieler bedroht.

Experten der Szene wundern sich nicht über diese Entwicklung. Denn Dortmund gilt als Hochburg des Rechtsextremismus in NRW. Nach Einschätzung von Ralf Jäger gibt es in dieser Stadt die landesweit dichteste rechtsextremistische Szene. Sie sei "durchsetzt mit Kriminellen bis hin zum Mörder". Der Sozialwissenschaftler Jan Schedler sieht einen Grund darin, dass sich in Dortmund - anders als in anderen Städten - die alten und die neuen Aktivisten gut arrangiert haben. Dortmund habe eine Anziehungskraft entwickelt: "Rechtsextreme von außerhalb sind ganz gezielt in die entsprechenden Viertel gezogen." So sind im bürgerlichen Stadtteil Dorstfeld ganze Straßenzüge von Rechtsradikalen bewohnt.

April 2012: Razzia bei Neonazis und "Pro NRW"
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Spät, nach Ansicht von Kritikern viel zu spät, sind Politik und Polizei gegen die Rechtsradikalen eingeschritten. Die Stadt selbst stellte 2011 einen "Aktionsplan gegen Rechtsextremismus" vor. Ein Jahr später verbot der NRW-Innenminister den "Nationalen Widerstand Dortmund" und zwei weitere Vereinigungen. Mitglieder dieser sogenannten Kameradschaften hätten schwere Straftaten begangen, erklärte der Minister. Doch die Serie der Übergriffe von Rechtsradikalen ging weiter.

Im vorigen Jahr zog Dortmund alle Blicke auf sich, als in der Nacht nach der Kommunalwahl vom 25. Mai Rechtsradikale vor das Dortmunder Rathaus marschierten und es zu stürmen versuchten. Es kam zu schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei und Gegendemonstranten, bei denen zehn Personen verletzt wurden. Bei den Krawallen mit dabei: Siegfried Borchardt, Mitglied der Partei "Die Rechte" und in einschlägigen Kreisen auch "SS-Siggi" genannt. Er konnte bei der Wahl einen Sitz im Stadtrat erobern, den er aber schon bald darauf wieder aufgab.

Gegendemonstration bei NPD-Kundgebung
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Gegendemonstration bei NPD-Kundgebung

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Die "Rechte" machte vor wenigen Monaten erneut von sich reden, als sie von der Stadtverwaltung eine Übersicht anforderte, wo überall im Stadtgebiet Juden leben. Oberbürgermeister Ulrich Sierau (SPD) nahm diesen Antrag, der bundesweit Empörung auslöste, zum Anlass, ein Verbot von "Die Rechte" zu fordern. Hierbei handle es sich um eine "direkte Nachfolgeorganisation des verbotenen Nationalen Widerstands Dortmund"; sie stehe damit "in der Tradition des Terrorregimes des Nationalsozialismus".

Sierau (SPD) forderte nach dem Fackelzug erneut ein Verbot der Partei "Die Rechte". "Die Nazis haben einmal mehr ihre menschenverachtende, rassistische Fratze gezeigt", erklärte Sierau. Die 13 festgenommenen Personen befinden sich mittlerweile wieder auf freiem Fuß. Die Polizei hatte nichts gegen sie in der Hand, um sie länger festhalten zu können.

(RP)
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