Rechtsradikale am Wahlabend vor dem Rathaus Dortmunder Polizei gibt sich selbstkritisch

Dortmund · Nachdem Rechtsradikale am Wahlabend versucht hatten, die Wahlparty im Dortmunder Rathaus zu stören, musste sich auch die Polizei Kritik anhören, weil sie trotz Ankündigungen der Rechtsextremen in sozialen Medien keine Präsenz im Rathaus gezeigt haben soll. Nun gibt sich Dortmunds Polizeipräsident selbstkritisch. Zudem ist ein Video aufgetaucht, das die Szene aus dem Blickwinkel der Gegendemonstranten zeigt.

Dortmund: Rechtsradikale wollen Wahlparty stürmen
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Dortmund: Rechtsradikale wollen Wahlparty stürmen

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Sie trugen gelbe T-Shirts und versuchten, in das Dortmunder Rathaus zu gelangen. Parolen wie "Deutschland den Deutschen" und "Ausländer raus" sind auf dem Video zu hören, das das "Zeit"-Blog "Störungsmelder" am Dienstagabend bei Youtube veröffentlicht hat. Dann sieht man Rangeleien zwischen den Rechtsradikalen und den vor dem Rathaus versammelten Mitgliedern der demokratischen Parteien. Schließlich sind Polizeibeamte erkennbar, die sich zwischen die beiden Lager stellen und versuchen, die Rechtsextremen zurückzudrängen.

Neben mehreren in Dortmund bekannten Rechtsextremen ist auch der mehrfach vorbestrafte Siegfried Borchardt, bekannt als "SS Siggi", zu sehen, der für die Partei "Die Rechte" je einen Sitz im Rat und in einer Bezirksvertretung errungen hatte. Seine inzwischen zurückgedrängten Anhänger feiern ihn mit lauten "Siggi"-Rufen. Das Video gibt einen Einblick in jene Minuten des Wahlabends, die auch Kritik an der Polizei haben laut werden lassen.

Kurz nach dem Vorfall hatte der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau den "Ruhrnachrichten" gesagt, dass es vor dem Wahlabend eine Vereinbarung mit der Polizei gegeben habe, schnellstmöglich zu kommen, wenn etwas vorfallen sollte. Laut Zeugenaussagen sollen aber erst nach 24 Minuten genügend Beamte eingetroffen sein, um der Lage Herr zu werden. So schrieb der Linken-Abgeordnete Utz Kowalewski auf seiner Facebook-Seite: "Es hat satte 20 Minuten gedauert bis Polizei da war. Die Rettungswagen waren eine Viertelstunde vorher dort. Noch schlimmer: die postierten Staatsschützer sind abgehauen, als die Nazis angegriffen haben."

Polizeipräsident sieht "deutlichen Aufklärungsbedarf"

Die Dortmunder Polizei hat am Dienstagabend erneut eine Pressemitteilung zu den Vorfällen herausgegeben und gibt sich dabei selbstkritisch. Der Dortmunder Polizeipräsident, heißt es darin, sehe nach den Auseinandersetzungen noch erheblichen Aufklärungs- und Handlungsbedarf. "Hinsichtlich der Einsatz- und Kommunikationsstruktur aus diesem Anlass habe ich deutlichen Aufklärungsbedarf", wird Polizeipräsident Gregor Lange zitiert. "Ich habe deshalb eine Überprüfung unter Beteiligung aller Fachdienststellen und externem Sachverstand veranlasst." Lange wolle sicher gehen, dass "wir in vergleichbaren Einsatzlagen organisatorisch und personell bestmöglich aufgestellt sind".

Ihn beschäftigten zudem Fragen, ob es im Vorfeld bereits Hinweise auf den Angriff gegeben habe und warum sie der Polizei nicht mitgeteilt worden seien. Hintergrund ist der Vorwurf, die Rechtsradikalen hätten in den sozialen Netzwerken die Aktion bereits vor der Wahl angekündigt, aber die Polizei nicht entsprechend reagiert. Lange jedenfalls erklärte: "Wenn bestimmte Informationen vorher bekannt waren erwarte ich, dass man mit der Polizei konstruktiv kooperiert. Auch deshalb habe die Polizei unter der Rufnummer 0231/1327777 eine durchgängig erreichbare Hotline eingerichtet, an der Informationen entgegengenommen würden.

Zugleich lobte Lange aber noch einmal das Vorgehen der Polizei am Rathaus. Die Beamten hätten sich "mit erheblichem Eigenrisiko umgehend zwischen die streitenden Parteien gestellt". Schon zuvor hatte die Dortmunder Polizei betont, dass nicht erst nach 20, sondern bereits nach vier Minuten die ersten Einsatzkräfte am Rathaus gewesen seien und wenig später weitere Unterstützer hinzugekommen seien.

Vom Verfassungsschutz beobachtet

Inzwischen wird strafrechtlich unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzung, Landfriedensbruch oder auch Körperverletzung ermittelt. Und der Polizeipräsident macht in seiner Erklärung deutlich, dass sich solch ein Vorfall wie der am Wahlabend nicht wiederholen dürfe. "Nur wenn wir weiter gut und eng vernetzt in Dortmund zusammenarbeiten, haben wir eine Chance, den Rechtsextremismus dauerhaft zurück zu drängen."

Allerdings sieht die Realtität in Dortmund derzeit anders aus. Die Stadt gilt als eine der Hochburgen der Rechtsextremen, wie auch im NRW-Verfassungsschutzbericht 2013 zu lesen war. Im bürgerlichen Viertel Dorstfeld werden ganze Straßenzüge von Neonazis bewohnt, die der Partei "Die Rechte" angehören. Verfassungsschutzpräsident Burkhard Freier sagte damals, dass die Partei eine "extremistische Partei" sei, die "wesensverwandt mit der NSDAP" sei.

Damals hieß es noch, dass "Die Rechte" politisch so gut wie keine Rolle spiele. Bei den vorangegangenen Kommunalwahlen hätten sie in Dortmund nur wenige Hundert Stimmen geholt. Das hat sich nun geändert. 1,0 Prozent erreicht die Partei in der Stadt und errang nicht nur dort, sondern auch in Hamm ein Mandat.

(das)
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