Rhein bei Düsseldorf Rekord-Niedrigwasser fördert Minen und Granaten zutage

Düsseldorf · Seit Wochen fallen die Pegelstände am Rhein. Spaziergänger haben im Kiesbett des Stroms schon Panzerminen und Flakgranaten gefunden. Ein Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg musste gesprengt werden. Die Bezirksregierung Düsseldorf warnt vor der Gefahr.

 So schmal wie selten: Der Rhein führt Niedrigwasser. In den Ufer-Kies haben Romantiker Liebesschwüre getrampelt.

So schmal wie selten: Der Rhein führt Niedrigwasser. In den Ufer-Kies haben Romantiker Liebesschwüre getrampelt.

Foto: Hans-Juergen Bauer

Robert Korn ist vorsichtig geworden, wenn er mit seinem Hund am Rhein spazieren geht. Seit der Fluss Niedrigwasser trägt, passt er auf, wo er hintritt. Denn seit der Wasserpegel immer weiter zurückgeht, kommen gefährliche Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg ans Tageslicht. Erst vor wenigen Tagen entdeckte der Meerbuscher an einer Bootsanlegestelle zwischen den nun vielen freiliegenden Rheinkieseln eine Flakgranate. Er habe sie sofort als solche erkannt und nicht angefasst, sagt er. Der Kampfmittelräumdienst rückte an und machte das Geschoss unschädlich. Es war die bereits zweite Granate, die der 49-Jährige in den vergangen Tagen am Rhein zufällig beim Spazierengehen entdeckte.

 Im Rhein bei Meerbusch hat Robert Korn Weltkriegs-Granaten gefunden.

Im Rhein bei Meerbusch hat Robert Korn Weltkriegs-Granaten gefunden.

Foto: David Young

Durch den immer tiefer sinkenden Wasserstand der Flüsse kommen landesweit alte Sprengkörper zum Vorschein. Oft bleiben die Blindgänger allerdings unentdeckt, weil sie im Laufe der Jahre durch das lange Liegen im Wasser kaum noch als solche zu erkennen sind. Besonders betroffen sind die Ufer entlang des Rheins. Vor drei Tagen fanden Spaziergänger am Rhein in Düsseldorf-Stockum eine deutsche Panzermine mit sechs Kilogramm Sprengstoff. Der Blindgänger lag nahe des bekannten Anlegers "Schnellenburg". Der Zünder war noch funktionsfähig, die Mine musste kontrolliert in Deichnähe gesprengt werden. Spaziergänger am Rhein bei Mainz fanden zu Wochenbeginn eine Stielgranate aus dem Zweiten Weltkrieg. Drei Tage zuvor war bei Oberwinter eine Wurfgranate in dem Fluss gefunden worden.

Wie viele Blindgänger noch im Rhein und anderen Flüssen liegen, können Experten nicht sagen - nicht einmal eine Schätzung ist möglich. "Eine wirklich belastbare Zahl können wir leider nicht nennen, die widerspiegelt, wie viele Kampfmittel noch gefunden werden. Bezogen auf ein Land wie Nordrhein-Westfalen ist das nicht seriös möglich", betont Jessica Eisenmann, Sprecherin der für die Kampfmittelbeseitigung zuständigen Bezirksregierung Düsseldorf. "Grundsätzlich kann man nur sagen, dass durch das Niedrigwasser die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass Bomben ans Tageslicht kommen", sagt sie. Wenn jemand eine Granate entdeckt, sollte umgehend die Polizei benachrichtigt werden. "Das aufgefundene Kampfmittel sollte nicht berührt und an seiner Fundstelle belassen werden", so die Sprecherin.

Was für schlimme Folgen es haben kann, wenn man mit einer Granate oder deren Inhalt in Kontakt gerät, zeigte vor Kurzem der Fall eines 77 Jahre alten Rentners, der am Rhein bei Neuss-Uedesheim spazieren gegangen war. Der Mann hatte einen leuchtenden, tennisball-großen Klumpen im Rheinbett aufgehoben und in die Hose gesteckt, weil er ihn fälschlicherweise für Bernstein gehalten hatte. Doch es war reiner Phosphor, der sich in der Hosentasche in einer 1300 Grad heißen Stichflamme selbst entzündete. Der Mann erlitt schwere Brandverletzungen an Hand und Hüfte und musste mit einem Hubschrauber in eine Spezialklinik geflogen werden.

Experten fürchten, dass sich die Funde von Blindgängern in den nächsten Tagen noch häufen könnten, sollte der Rheinpegel weiter fallen und dadurch noch mehr Kiesbänke freilegen. Aber genau danach sieht es aus. Viel Regen ist nicht in Sicht: Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes könnte sich der November als zehnter Monat in Folge im Jahresvergleich als zu trocken präsentieren. Der Rhein führe schon jetzt viel zu wenig Wasser, so die Wetterexperten. Seit Juli sinken die Pegelstände. Das Niedrigwasser des Rheins nähert sich bereits Rekordwerten. Der Pegelstand in Düsseldorf betrug gestern nur noch 54 Zentimeter (Stand 14 Uhr). Normalerweise liegt er in der Landeshauptstadt im Durchschnitt bei 278 Zentimetern. Ähnlich wenig Wasser messen die Pegel in Köln und Duisburg-Ruhrort (siehe Grafik Pegelstände). Bei andauernder Trockenheit könnte noch vor Monatsende der Jahrhundertrekord von 40 Zentimetern von 2003 unterboten werden, teilte das Wasser- und Schifffahrtsamt Bingen mit.

Der Rheinpegel in Düsseldorf sinkt
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Niedrigwasser: Der Rheinpegel in Düsseldorf sinkt

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Für die Schifffahrt wäre das eine Katastrophe. Sollte etwa der Rhein bei Düsseldorf noch zehn bis 15 Zentimeter fallen, drohen die Boote kaputt zu gehen, weil sie dann den Boden des Flusses schrammen könnten. Aber schon jetzt ist der Verkehr auf dem Rhein nur noch eingeschränkt möglich. Zum Teil führen die Schiffe deutlich weniger Ladung mit, um nicht aufzusetzen. Der Fährbetrieb bei Zons wurde gestern eingestellt. "Die Schiffe müssen sich auch einen viel schmaleren Fluss teilen", so ein Mitarbeiter des Schifffahrtsamtes. "Das führt zu veränderten Fahrrinnen, so dass Schiffe auch mal in den ,Gegenverkehr' ausweichen müssen, weil dort das Wasser tiefer ist." Mehrere Bundesländer dringen deshalb auf eine Vertiefung der Fahrrinne zwischen Koblenz und Duisburg um 30 Zentimeter auf 2,80 Meter.

(csh)
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