Sommertour: Geheimnisvolle Orte Einblick ins Gefängnisleben

Sommertour: Geheimnisvolle Orte · Während der Ferienwochen berichten unsere Reporter täglich von uralten Legenden und geheimnisvollen Orten in Nordrhein-Westfalen. Heute: Historisches Gefängnismuseum Niederrhein in Willich-Anrath.

 Jansen im Ausstellungsraum, den die „Potthusaren“ scherzhaft „schöner Wohnen“ nennen: Mit Hilfe eines Bügeleisens hat sich ein Gefangener der Justizvollzugsanstalt Anrath unerlaubterweise eine Herdplatte gebaut.

Jansen im Ausstellungsraum, den die „Potthusaren“ scherzhaft „schöner Wohnen“ nennen: Mit Hilfe eines Bügeleisens hat sich ein Gefangener der Justizvollzugsanstalt Anrath unerlaubterweise eine Herdplatte gebaut.

Foto: Wofgang Kaiser

Am Ende jeder Führung durch das Gefängnismuseum werden die Besucher gefragt, welches Ausstellungsstück als einziges kein Original ist. "Die Antwort verblüfft die meisten", sagt Georg Maydt, ohne an dieser Stelle verraten zu wollen, welches Exponat mit dem Strafvollzug nichts zu tun hat. Maydt ist einer von sieben aktiven "Potthusaren". So wurden die Vollzugsbeamten des 1905 gebauten Gefängnisses in Anrath früher genannt. Ihre Uniformen ähnelten denen der Offiziere eines Husarenregimentes. Und weil das Gefängnis in Anrath im Volksmund "Pott" genannt wurde, entstand der Begriff "Potthusaren".

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Foto: KLXM.de

Die Gruppe betreibt das Museum seit 1982 in ihrer Freizeit und arbeitet im benachbarten Männergefängnis. "Irgendwann haben wir angefangen, die Gegenstände zu sammeln, die uns in die Hände fielen", sagt Maydt. 17 000 Besucher haben sich das Museum schon angesehen. Im früheren Direktorenhaus der JVA sind rund 1000 Ausstellungsstücke zu sehen. "Wir könnten viel mehr zeigen", sagt "Potthusar" Frank Jansen. "Aber uns fehlt der Platz." Insgesamt haben die JVA-Beamten 4500 Exponate zusammengetragen.

Die Prunkstücke der Ausstellung sind im Keller: zwei originalgetreu nachgebaute Gefängniszellen - eine aus den Jahren bis etwa 1930, die andere entspricht der heutigen Ausstattung. "Wir wollen einen Einblick in die Gefängniswelt geben", sagt Georg Maydt. Viele Besucher hätten völlig falsche Vorstellungen. Die "Potthusaren" zeigen Gefangenenkleidung, die häufig für Film- und Fernsehaufnahmen ausgeliehen wird, sie stellen Baupläne des Gefängnisses aus, die Protokolle der Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg oder das Preußische Gesetzesblatt, das bis 1935 den Strafvollzug regelte.

Vor allem aber gibt es Gegenstände zu sehen, die noch heute bei den täglichen Kontrollen der Zellen gefunden werden: Ausbruchswerkzeuge, unerlaubt gebaute Tauchsieder oder Herdplatten, Tatöwierinstrumente oder gebastelte Waffen. "Gefangene nutzen alle möglichen Gegenstände, die sie in die Finger bekommen", sagt Georg Maydt. "Die machen aus einem Strohhalm eine Stichwaffe." Manchmal sei diese Kreativität beeindruckend.

(RP)
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