Kriminalitätsrate So gefährlich ist NRW

Nordrhein-Westfalen · Jährlich werden in NRW 1,5 Millionen Straftaten verübt. Nur etwa die Hälfte wird aufgeklärt. Die Polizei setzt bei der Bekämpfung auf Prävention und ein neues Computerprogramm.

Kriminalität: So gefährlich ist NRW
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Statistiken zur Kriminalität in NRW

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Foto: Ferl

Alle zehn Minuten schlagen in Nordrhein-Westfalen Einbrecher zu. In keinem anderen Bundesland wird so häufig in Wohnungen und Häuser eingestiegen. Die Zahl der registrierten Wohnungseinbrüche lag im vergangenen Jahr bei 52794 — was allerdings einem leichten Rückgang um 3,9 Prozent im Vergleich zu 2013 entspricht. Erschreckend gering ist die Aufklärungsquote: Nur etwa jeder siebte Einbruch wird aufgeklärt.

Immer öfter werden die Täter tagsüber zwischen sechs und 21 Uhr aktiv. Ein Ermittler erklärt den Grund: "Dann stehen die Häuser meistens leer, weil die Bewohner arbeiten sind. Abends hingegen riskieren die Einbrecher eine Konfrontation." Am häufigsten wird im Januar eingebrochen. Von Einbrüchen waren der Kriminalitätsstatistik zufolge 2014 besonders die Städte Düsseldorf, Essen, Dortmund, Bonn und Köln betroffen.

In der Domstadt ist die Lage besonders dramatisch: Der dortige Polizeipräsident musste öffentlich eingestehen, dass er die Situation nicht mehr in den Griff bekommt. Auch auf den Fluren der anderen Polizeipräsidien ist es ein offenes Geheimnis, dass man den gut organisierten Banden kaum etwas entgegenzusetzen hat.

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Foto: RP-Grafik

Es mehren sich bei Polizei und in der Landespolitik die Stimmen, die die Ursache dieser Entwicklung in der Öffnung der europäischen Grenzen sehen. So einfach scheint es allerdings nicht zu sein. Entscheidend ist wohl eher, wie man in der Grenzregion gegen Kriminalität vorgeht.

Blickt man auf die Deutschlandkarte der Kriminalitätsraten, so fällt auf: In Bayern ist die Zahl der Straftaten 2014 zwar auch um 2,5 Prozent auf 650 868 gestiegen, im Vergleich zu allen anderen Bundesländern werden im Freistaat aber besonders wenige Straftaten begangen. Und das, obwohl Bayern das größte deutsche Flächenland ist und nach NRW mit 12,6 Millionen die zweitmeisten Einwohner hat. Auch verfügt Bayern über eine deutlich längere Grenze zu Nachbarstaaten als NRW.

Was macht die Polizei in Bayern also besser als in NRW? "Die Polizeiarbeit genießt bei uns einen höheren Stellenwert als in anderen Ländern", betont Michael Siefener, Sprecher der bayerischen Staatskanzlei. Während andere Bundesländer Stellen bei der Polizei abbauten, habe Bayern mit etwa 40000 Beamten den höchsten Personalstand aller Zeiten. "Zudem haben wir bereits vor 20 Jahren als erstes Bundesland die Schleierfahndung eingeführt, die den Grenzraum und die Durchgangsstraßen absichert", sagt Siefener.

Die Schleierfahndung ist ein Ausgleich für die weggefallenen Grenzkontrollen: Polizei und Bundesgrenzschutz kontrollieren Personen auch ohne konkreten Verdacht. Die mobilen Schleierfahnder kämpfen in Bayern vor allem gegen den Handel mit der Modedroge Crystal Meth, gegen Einbrecherbanden und Autodiebe.

Programm soll Einbrüche vorhersehen

Im Kampf gegen die Wohnungseinbrüche setzt das Innenministerium von NRW große Hoffnungen in ein Programm, das Einbrüche vorhersehen kann. Auch wenn sich die Projektgruppe "Vorausschauende Polizeiarbeit" des Landeskriminalamtes (LKA) bereits seit mehr als einem Jahr mit dem System beschäftigt, ist es von einer Einsatzreife noch weit entfernt. "Es gab eine Ausschreibung über ein Vergabeportal, wir haben uns dann für eine IBM-Software entschieden", sagt LKA-Sprecher Frank Scheulen. Die Software, die mit statistischem Material gefüttert wird, sei bereits beschafft und werde gerade installiert; Mitarbeiter würden geschult. In der zweiten Jahreshälfte soll die Prognose-Software in den Polizeipräsidien Köln/Leverkusen und Duisburg getestet werden. Frühestens 2017 könnte das System in Serie gehen.

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Foto: Martin Kempner

Nicht nur bei Einbrüchen, sondern auch auf vielen anderen Verbrechensfeldern gilt NRW als Hochburg in Deutschland — wie die aktuelle Bundeskriminalstatistik belegt. Demnach gab es bundesweit im Jahr 2014 etwas mehr als sechs Millionen Straftaten, davon allein 1,5 Millionen in NRW. Mit 8543 Straftaten pro 100000 Einwohner liegt NRW auf Platz fünf der gefährlichsten Bundesländer. Trotz der hohen Zahl konnte die Polizei in NRW in einigen Bereichen der Kriminalitätsbekämpfung aber auch Erfolge erzielen: So gab es 2014 weniger Raubdelikte, die Kinder- und Jugendkriminalität ging zurück. Auch die Gesamtzahl der Gewaltdelikte, also vor allem schwere und leichte Körperverletzung, ist um 1,7 Prozent auf knapp 46 000 Taten gesunken. Sorgen bereitet der Polizei aber die Zahl der Taschendiebstähle, die um 8,5 Prozent auf 53759 gewachsen ist und damit einen neuen Höchststand erreicht hat.

Für die CSU reicht die positive Entwicklung in ihrem Land übrigens noch nicht aus: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer fordert seit Längerem härtere Strafen für Einbrecher. Demnach sollen Einbruchdiebstähle nicht mehr als minderschwere Fälle gewertet werden. Die Delikte sollen mit Haft von sechs Monaten bis zu zehn Jahren geahndet werden. Bislang werden die Fälle mit einer Strafe von drei Monaten bis fünf Jahren belegt. Außerdem soll die elektronische Kommunikation von Einbrecherbanden besser überwacht werden können. Die rot-grüne NRW-Landesregierung lehnt härtere Strafen dagegen ab und setzt stattdessen auf Prävention. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) versichert: "Die Polizei wird auch künftig alles daransetzen, die Sicherheit der Menschen zu gewährleisten."

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