Rasant steigender Bedarf Eltern fordern mehr Plätze für Offenen Ganztag in NRW

Düsseldorf · Die Nachfrage nach Offenen Ganztagsplätzen an Schulen steigt in NRW rasant. Im Rheinland fehlen mehr Plätze als in Ostwestfalen. Und die Kosten für die Kommunen fallen ebenfalls unterschiedlich aus.

Was Eltern und Lehrer aus NRW zur Ganztagsschule sagen
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Was Eltern und Lehrer aus NRW zur Ganztagsschule sagen

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Landesweit ächzen viele Städte unter den steigenden Kosten, die für die Schaffung von Plätzen an Offenen Ganztagsschulen (OGS) anfallen. Das ergab eine Umfrage unserer Redaktion. Deshalb fordern die Kommunen deutlich mehr finanzielle Unterstützung vom Land.

"Aus unserer Sicht ist das ganz klar erforderlich. Es handelt sich um Schulbetrieb, der nur deshalb nicht vollständig vom Land finanziert wird, weil die Teilnahme nicht verpflichtend ist", sagt Christoph Müllmann, Erster Beigeordneter der Stadt Kamp-Lintfort.

Bei Teilnahmequoten, die deutlich über 50 Prozent liegen würden, sei die OGS aber zum Regelfall geworden, so Müllmann. Ähnlich sieht man es in Mönchengladbach. "Offener Ganztag ist eine innerschulische Angelegenheit und damit Landessache. An den Kommunen sollten somit gar keine laufenden Kosten hängenbleiben", so Stadtsprecher Wolfgang Speen.

Kosten können von Kommune zu Kommune variieren

Der Städte- und Gemeindebund NRW bestätigt: "OGS-Plätze sind für die Kommunen ein jährliches Zuschussgeschäft von mehreren Tausend Euro pro Platz", sagt Claus Hamacher, Beigeordneter des kommunalen Spitzenverbandes. Ein Grund für die Misere bei den OGS-Plätzen liege seiner Meinung nach in der Schulfinanzierung. "Die muss in NRW modernisiert werden. Die Richtlinien sind nicht mehr zeitgemäß, sie stammen aus den 1970er Jahren."

Die jährlichen Kosten für einen Platz können von Kommune zu Kommune variieren. In Dormagen, erklärt Sprecher Swen Moeser, fielen für jedes Kind ohne Förderbedarf Kosten in Höhe von 1936 Euro pro Schuljahr an; für Kinder mit Förderbedarf und für Flüchtlingskinder seien es 3887 Euro. Finanziert wird der Platz in Dormagen aus Landesmitteln sowie dem Pflicht- und einem freiwilligen Eigenanteil der Kommune. Hinzu kommen in vielen Städte noch Elternbeiträge.

In Meerbusch zahlen Eltern maximal 166 Euro zu, in Moers 320, in Erkelenz liegt der Höchstsatz bei 115 Euro. "Ein stärkeres finanzielles Engagement des Landes wäre wünschenswert, damit die Elternbeiträge stabil gehalten oder gesenkt werden könnten", sagt Joachim Mützke, Leiter des Amtes für Bildung und Sport der Stadt Erkelenz.

OGS-Plätze sind eine "freiwillige Leistung" der Kommunen

Klammen Kommunen fällt es besonders schwer, die Gelder für die "freiwillige Leistung" aufzubringen — denn genau das sind OGS-Plätze. "Wir sind im Stärkungspakt II. Das bedeutet, dass wir freiwillige Leistungen nicht ausweiten dürfen und beschlossene Sparmaßnahmen im Haushaltssanierungsplan nicht ohne Kompensation aufgeben dürfen", erklärt Klaus Janczyk von der Stadt Moers. Im schlimmsten Fall müssen Städte wie Moers deshalb auf die Aufstockung von OGS-Plätzen verzichten, obwohl der Bedarf da ist.

Manchmal ist es so, dass sich die Plätze an den Schulen nicht so verteilen, wie sich die Eltern das wünschen. "Das führt dazu, dass es in einer Stadt zwar genug Plätze gibt, aber diese an Schulen sind, an denen Eltern ihre Kinder nicht anmelden möchten", sagt Hamacher.

Monika Claßen-Brinkmann ist eine betroffene Mutter. Die Neusserin hätte ihre Tochter Frieda (6) gerne an einer bestimmten Grundschule untergebracht, ging aber bei der Platzvergabe leer aus. Familienfreundlichkeit sehe anders aus, schimpft sie. Sie habe gehört, dass es im sechs Kilometer entfernten Grefrath noch Plätze gebe, aber das käme für sie nicht in Frage — wegen der Entfernung, und weil ihrer Tochter dort ihr ganzes soziales Umfeld fehle. "Meine Tochter soll auf eine Schule gehen, die sie ohne Probleme fußläufig erreichen kann — und nicht auf eine, zu der man durch die halbe Stadt muss."

Starke regionale Unterschiede

In fast allen Städten, so ergab es die RP-Umfrage, ist ein deutlicher Anstieg der Nachfrage nach OGS-Plätzen in den vergangenen Jahren zu verzeichnen. So gab es zum Beispiel in Moers zum Schuljahr 15/16 1495 Anmeldungen; 17/18 sind es schon 1767. In manchen Kommunen gibt es schon jetzt nicht ausreichend Plätze. "Uns fehlen etwa 150 bis 200 OGS-Plätze", räumt Daniel Rupp von der Solinger Schulverwaltung ein. In Neuss stehen laut Stadt 350 Kinder auf der Warteliste; die etwa 3300 Plätze seien belegt.

Der Mangel an Plätzen sei in NRW kein flächendeckendes Problem, sagt Hamacher vom Städte- und Gemeindebund. "Es gibt starke regionale Unterschiede. Im Rheinland fehlen zum Beispiel mehr Plätze als in Ostwestfalen. In Großstädten ist das Problem zudem deutlich größer", erklärt er. "Man muss sich die Frage stellen: Kann man es in Zukunft noch verantworten, in die Qualität der Plätze zu investieren, während auf der anderen Seite die Quantität leidet, also Plätze fehlen."

Monika Claßen-Brinkmann aus Neuss und weitere Eltern haben gemeinsam eine Initiative ins Leben gerufen, die sich dafür einsetzt, dass jedes Kind in Neuss, das einen OGS-Platz haben möchte, auch einen Platz bekommt. Hier geht es zur Homepage der Initiative. Kontakt gibt es via E-Mail: ogsplatzfuermeinkind@gmx.de

(csh)
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