Nach Prozess in Duisburg Ermittler befürchten neuen Rockerkrieg

Duisburg · Nach dem Geständnis des Satudarah-Präsidenten Ali Osman sind rund 100 frühere Gefolgsleute zum Club No Surrender übergelaufen. Dieser will am Niederrhein expandieren. Ermittler sagen blutige Revierkämpfe voraus.

Rocker-Präsident sagt aus und wird Kronzeuge
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Sie sind enttäuscht, wütend und sinnen auf Rache. Rund 100 Mitglieder des Rockerclubs Satudarah haben die Fronten gewechselt. Nach dem Geständnis ihres ehemaligen Chefs Ali Osman, der im Prozess vor dem Duisburger Landgericht als Kronzeuge gegen seine "Brüder" ausgesagt hat, liefen fünf "Chapter" zum niederländischen Club No Surrender über. Eine Entwicklung, die deutsche Ermittler in Sorge versetzt. Die No Surrender haben sich einen üblen Ruf als skrupellose Gewaltverbrecher erworben. Experten befürchten, dass die Niederländer sich in die kriminellen Geschäfte der verfeindeten Clubs Hells Angels und Bandidos am Niederrhein einmischen wollen.

Am 23. Januar war Ali Osman, der mit bürgerlichem Namen Yildiray K. heißt, in Duisburg zu einer vergleichsweise milden Haftstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Seine Ex-"Brüder" hoffen darauf, durch ihren Wechsel weitere Ermittlungen der Polizei zu erschweren. Die Ex-Satudarahs, von denen viele aus der Türkei stammen, treffen bei den No Surrender auf eine Truppe, die ebenfalls von Migranten dominiert wird. "Viele von denen haben noch nicht mal einen Führerschein", sagt der Ex-Rocker Bernd T. "Das sind perspektivlose Jugendliche, die meist schon im kriminellem Umfeld groß geworden sind."

Bernd T. weiß, wovon er spricht. Er war selbst jahrelang Mitglied eines bekannten Motorradclubs und kennt die Szene in NRW. "In den 70er Jahren waren Rocker noch bärtige Männer mit dicken Bäuchen, die Spanferkel grillten und nach Bier, Öl und Haschisch rochen", erklärt der Insider. "Heute mischen Albaner mit, die ihre Ausbildung beim Geheimdienst UCK gemacht haben. Oder Gotteskrieger aus dem Libanon. Die kennen keine Tabus. Der Ehrenkodex spielt für sie keine Rolle", sagt Bernd T.

Auftakt des Rocker-Prozesses in Duisburg
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Auftakt des Rocker-Prozesses in Duisburg

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Das bekommen die Opfer zunehmend zu spüren. Wo früher Fäuste flogen und Messer gezückt wurden, sind heute Kriegswaffen im Einsatz. Bei der Verhaftung von Ali Osman hatte die Polizei ein geladenes Sturmgewehr vom Typ AK-47 sichergestellt. Bislang haben laut Ermittlern die Hells Angels und die Bandidos das Geschäft in Duisburg, Krefeld und in Düsseldorf unter sich aufgeteilt. Als Türsteher kontrollieren sie den Drogenhandel der "Hausverkäufer" in den Großraum-Diskotheken und beliefern Prostituierte in clubeigenen Bordellen mit Rauschgift. Nun versuchen die No Surrender offenbar, in Oberhausen Fuß zu fassen. "Da werden die anderen Clubs nicht tatenlos zusehen", sagt Bernd T. Vor allem die Hells Angels dürften keinen Spaß verstehen.

Die "Höllenengel" gelten wegen der unklaren Führungsstrukturen als unberechenbar. Rockerboss Frank Hanebuth wartet nach seiner Festnahme auf Mallorca auf die Anklage. Insider sind sich sicher, dass er mit der Aussicht auf gute Geschäfte durch Zuhälterei, Geldwäsche und Schutzgelderpressung nach Spanien gelockt wurde, um ihn dort loszuwerden. Das Komplott soll von dem Chef der Hells Angels MC Nomads Türkei, Neco Arabaci, eingefädelt worden sein. Der Deutsch-Türke galt als "Pate von Köln", ehe er verhaftet und nach drei Jahren hinter Gittern bald darauf in die Türkei abgeschoben wurde. "Neco regiert jetzt von Izmir aus", heißt es. Angeblich plant er jetzt seine Rückkehr mit falschen Papieren. Vor seiner Verurteilung hatte Arabaci angekündigt, den damaligen Oberstaatsanwalt Heinz-Jürgen B. ermorden zu lassen.

Die Verurteilung von Ali Osman hat im Milieu eine unheilvolle Dynamik ausgelöst. "Die Szene am Niederrhein ist stark in Bewegung", sagt Thomas Jungbluth, Experte beim Landeskriminalamt (LKA) für Rockerkriminalität. "Die Clubs propagieren einen Alleinvertretungsanspruch", erklärt der Fahnder. Deshalb komme es immer wieder zu Auseinandersetzungen.

Die No Surrender sind nach Erkenntnissen des niederländischen Geheimdienstes National Intelligence bis an die Zähne bewaffnet. Die Kuttenträger schätzen die Städte am Niederrhein, weil sich von dort aus die lukrativen Drogentransporte aus Holland bequem organisieren lassen. Der Stoff wird etwa in großen Lebensmitteltransporten versteckt und über die Grenze geschmuggelt. Nur selten werden die Strukturen aufgedeckt. Es ist schwierig, V-Leute in die Szene einzuschleusen.

NRW-Innenminister Ralf Jäger will einem Rockerkrieg am Niederrhein nicht tatenlos zusehen. "Wir dulden keinen rechtsfreien Raum", betont der SPD-Politiker. Deshalb gehe die Polizei entschieden gegen die gewalttätigen Subkulturen vor. Notfalls müsse man erneut mit Verboten reagieren.

(RP)
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