Spur führt an den Niederrhein Terrorverdächtiger soll in Emmerich gewohnt haben

Emmerich/Düsseldorf · Nach dem Anschlag in Berlin fahndet die Polizei bundes- und europaweit nach einem Verdächtigen. Eine Spur führt die Ermittler an den Niederrhein. In Emmerich soll der Gesuchte Anis Amri noch bis vor wenigen Monaten gelebt haben.

 Der Terrorverdächtige Anis Amri soll in dieser Flüchtlingsunterkunft in Emmerich gewohnt haben.

Der Terrorverdächtige Anis Amri soll in dieser Flüchtlingsunterkunft in Emmerich gewohnt haben.

Foto: Christoph Reichwein

Es ist kurz nach 14 Uhr, als Mittwochnachmittag rund 15 Einsatzwagen der Polizei rund drei Kilometer vor der Flüchtlingsunterkunft in Emmerich Station beziehen, in der der mutmaßliche Attentäter von Berlin, Anis Amri, eine Zeit lang gewohnt haben soll. Doch die erwartete Durchsuchung des Gebäudes, in dem alleinstehende Männer untergebracht sind, bleibt vorerst aus. Die schwer bewaffneten Beamten bleiben stundenlang auf Distanz. Der Durchsuchungsbeschluss ist angeblich nicht gültig — offenbar wegen Schreibfehlern. Später ist dann von vier für die Nacht geplanten Razzien in NRW, neben Emmerich in Oberhausen, Dortmund und Dinslaken, die Rede.

Welche Erkenntnisse eine Durchsuchung über den Verbleib des Terrorverdächtigen bringen sollte, ließen die Ermittler offen. Bei dem Einsatz gehe es darum, mögliche Spuren zu sichern und Personen zu befragen, die eventuell Kontakt zu dem Gesuchten hatten, hieß es bei den Beamten.

Anis Amri, der bewaffnet sein könnte, soll bis zum Sommer in Emmerich gelebt haben. Seine Duldungspapiere, die man unter dem Fahrersitz des Lkw fand, waren im Kreis Kleve ausgestellt worden. "Wir hatten ihn bis dahin auf dem Radar. Er war einer von 50 islamistischen Gefährdern, die von uns besonders beobachtet werden", hieß es aus Sicherheitskreisen. "Weil er im Sommer seinen ,Wohnsitz' endgültig von NRW nach Berlin verlegte, haben wir unsere Kollegen in der Bundeshauptstadt über seinen Hintergrund informiert." Was die mit den Informationen gemacht hätten, sei nicht bekannt. Ein anderer Ermittler aus NRW sagte: "Die haben ihn in Berlin offenbar nicht genügend unter Dampf gesetzt."

Fest steht bislang, dass sich der Gesuchte, der heute 24 Jahre alt sein soll, seitdem überwiegend in Berlin aufhielt — bis zum Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt. Zwischenzeitlich sei gegen ihn sogar wegen des Verdachts auf Vorbereitung einer staatsgefährdenden Straftat ermittelt worden. Die Ermittlungen führte der Berliner Generalbundesanwalt. Sie wurden aber eingestellt, weil die Beweiskette letztlich nicht für eine Anklage reichte.

Die Ausländerbehörde des Kreises Kleve hatte den schon wegen Körperverletzung vorbestraften Tunesier ausweisen wollen. Sie war aber an der Zusammenarbeit mit dessen Heimatbehörde gescheitert, die sich weigerte, Passersatzpapiere für ihn auszustellen. "Es gab offensichtlich kein Interesse in Tunesien, diesen Mann zurückzunehmen", sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD), "bezeichnenderweise sind die Passersatzpapiere aus Tunesien genau heute eingetroffen". Jäger betonte aber, dass eine Beteiligung von Anis Amri an dem Terroranschlag noch nicht bewiesen sei. "Wir haben nur seine Papiere in dem Lkw gefunden. Das ist noch kein Beweis", sagte Jäger.

Mit welchen Maßnahmen Anis Amri überwacht worden ist, wollten die Ermittler nicht sagen. Observiert wurde er aber offenbar nicht. "Wenn wir alle 50 Gefährder in NRW rund um die Uhr observieren würden, bräuchten wir 1500 Mann", betonte Arnold Plickert, NRW-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Deutschlandweit gibt es nach Angaben des Bundesinnenministeriums derzeit 549 Menschen, die als Gefährder eingestuft werden. Aber nicht alle halten sich demnach in Deutschland auf, viele von ihnen befinden sich im Ausland.

Kaum kursierten im Internet die ersten unscharfen und verpixelten Fotos des Gesuchten, den die Berliner Polizei zur Fahndung ausgeschrieben hat, da sollte er in Düsseldorf bereits gesichtet worden sein. Ein Mann aus einem Kaufhaus soll die Polizei informiert haben, die das Gebäude daraufhin mit schwer bewaffneten Beamten umstellte und durchsuchen ließ. Während des Einsatzes durfte niemand mehr rein oder raus, die Aufregung unter Kunden und Mitarbeitern war groß, ein Verdächtiger wurde nicht gefunden. Wo sich Anis Amri derzeit befindet, können die Sicherheitsbehörden nicht sagen. Er ist in ganz Europa zur Fahndung ausgeschrieben. Indizien dafür, dass er sich in NRW aufhalten könnte, haben die Ermittler offenbar nicht.

(RP)
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