Düsseldorf Zeitmangel - Elternthema Nummer eins

Düsseldorf · Der neue Familienbericht macht den gesellschaftlichen Wandel in Nordrhein-Westfalen deutlich und zeigt, wo die Eltern der Schuh drückt.

 Viele Eltern wünschen sich mehr Zeit für ihre Kinder. Das belegt der Familienbericht der Landesregierung.

Viele Eltern wünschen sich mehr Zeit für ihre Kinder. Das belegt der Familienbericht der Landesregierung.

Foto: dpa, Frank Leonhardt

Ehepaare mit Kindern sind in Nordrhein-Westfalen zwar immer noch die am häufigsten vorkommende Familienform, doch sie ist rückläufig. Demgegenüber nimmt die Zahl der Alleinerziehenden weiter zu: Inzwischen zählt fast jede fünfte Familie dazu. Dies geht aus dem neuen Familienbericht hervor, den NRW-Familienministerin Ute Schäfer (SPD) jetzt vorgestellt hat. Der letzte Bericht dieser Art war 1990 erschienen.

Seither hat sich die Familienstruktur stark verändert: Die "klassischen" Familien machen in NRW (Stand 2013) nur noch einen Anteil von 73,6 Prozent aus; 1996 waren es fast 85 Prozent. 7,3 Prozent der Eltern leben in einer Lebensgemeinschaft (2002: vier Prozent). Der Anteil der Familien mit Alleinerziehenden stieg von 15 Prozent (2002) auf 19,1 Prozent, wobei in den allermeisten Fällen (91 Prozent) die Kinder bei den Müttern leben.

Gut die Hälfte der Familien mit Kindern unter 18 Jahren hat ein Kind. Familien mit zwei Kindern machen 37 Prozent aus, und in 11,6 Prozent der Familien sind drei und mehr Kinder vorhanden. Insgesamt, so heißt es im Bericht, nehme die Bedeutung der Ehe für die Familiengründung ab: 2013 wurde landesweit bereits jedes dritte Kind außerhalb einer Ehe geboren.

Zeitfresser Job

Wo aber drückt die Eltern der Schuh? Eine im Frühjahr dieses Jahres im Auftrag des Familienministeriums durchgeführte repräsentative Umfrage ergab, dass Zeitmangel das Thema Nummer eins ist. 55 Prozent der 1000 vom Institut Emnid befragten Mütter und Väter gaben an, dass dies ein großes oder sogar das größte Problem für sie sei. Die Eltern wünschen sich, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen zu können. Laut Familienbericht, der sich auch auf Gespräche mit Familien und Online-Beteiligungen bezieht, sind sich die Eltern sehr wohl darüber im klaren, dass es vor allem für Kinder sehr wichtig ist, Zeit mit ihren Eltern zu verbringen. Allerdings wünschen sich viele Eltern auch mehr Zeit für die Partnerschaft und für sich selbst. Sie hätten manchmal auch gerne mehr Zeit, die sie "einfach verplempern" können.

Für den Zeitmangel der Eltern gibt es zumeist ein Bündel von Gründen. Für zwei von drei Befragten ist die Länge und Lage der Arbeitszeiten der wichtigste Einzelaspekt. Hinzu kommen die Fahrzeiten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz. Auch die Belastungen im Haushalt sind für viele Eltern ein "Zeitfresser". Hinzu kann die Pflege von Angehörigen oder behinderten Kindern kommen. Häufig werden auch die Fahrdienste zumeist der Mütter ("Mama-Taxi") bei Freizeitaktivitäten der Kinder angeführt.

Zeitmangel bei Alleinerziehenden besonders groß

Dass bei den Alleinerziehenden das Zeitproblem noch drastischer ist, kann niemanden überraschen. Alleinerziehende Mütter müssen alles managen: Kinder, Haushalt und Beruf. Wehe, wenn eines der Kinder krank wird oder - wie in diesem Jahr - die Kita streikt. Mit der Betreuung in den Kitas, auch das ergab die Untersuchung, sind die Eltern durchaus zufrieden. 76 Prozent bewerten sie in den U3-Gruppen als gut und sehr gut; die Ü3-Betreuung wird von 68 Prozent der Eltern genau so positiv bewertet.

Von den Elternpaaren, die Anspruch auf das (inzwischen gekippte) Betreuungsgeld hatten, stellten 2013 rund 61 Prozent einen Antrag. Im vorigen Jahr stieg die Quote auf 78 Prozent: Für 85.326 Kinder wurde im vierten Quartal 2014 ein Betreuungsgeld gezahlt.

38 Prozent fehlt es an Geld

Natürlich spielen Geld und Wohnung für Familien eine große Rolle. 30 Prozent empfinden ihre die Wohnsituation als problematisch. 38 Prozent der befragten Eltern gaben zu, unter Geldmangel zu leiden. Bei knapp einem Viertel ist das Geld am Monatsende sogar immer oder häufig knapp. Die Hälfte kommt allerdings nie oder nur selten in diese kritische Lage. 79 Prozent der befragten Eltern konnten sich innerhalb der letzten zwei Jahre immerhin einen Urlaub leisten.

Familienministerin Schäfer will noch im Herbst einen Familiengipfel mit Vertretern aller infrage kommenden Gruppen einberufen, um über mögliche Konsequenzen aus dem neuesten Familienbericht zu diskutieren, der jetzt alle fünf Jahre aktualisiert werden soll. Ihr sei durchaus bewusst, dass man nichts verordnen könne. Aber "man kann etwas anstoßen", sagte sie gestern bei der Vorstellung des 240 Seiten umfassenden Berichts.

(hüw)
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