Landpartie Farbenfrohes Mittelalter in Monschau

Monschau · Mit einem mittelalterlichen Stadtwächter geht es auf eine Erlebnistour durch das Städtchen an der Rur. Das Rote Haus und die Senfmühle sind die Attraktionen.

 Durch das Städtchen fließt die Rur, die Grundlage war für den Aufstieg der Tuchmacherindustrie im 18. Jahrhundert.

Durch das Städtchen fließt die Rur, die Grundlage war für den Aufstieg der Tuchmacherindustrie im 18. Jahrhundert.

Foto: Röös/Monschau Tourismus

Der dunkel gekleidete Mann schaut auf das silberne Kurzschwert in seiner Hand. Es glänzt im Schein der Vormittagssonne. Er blickt seinem Gegenüber in die Augen. Dann holt er aus und schlägt ihm mit voller Wucht auf den Kopf. "Siehst du, da passiert nichts", sagt der Geschlagene und lacht. Er nimmt seinen Eisenhut vom Kopf, reicht ihn dem Ersten, der neben ihm steht, und sagt: "Den trugen die Leute früher zum Schutz vor Pfeilen, herunterfallenden Steinen und Schwerthieben. Fühlt mal, wie schwer der ist. Drei Kilo trage ich da auf dem Kopf."

Arnold Kommer führt als mittelalterlicher Stadtwächter Touristengruppen durch das historische Monschau in der Eifel. Marc Leiendecker ist mit seinen Trierer Kollegen auf Betriebsausflug. Nachdem er den Hieb auf den Helm ausprobieren durfte, darf sich Kommer nun revanchieren. Es klirrt, denn Leiendecker trägt im Gegensatz zum Stadtwächter keine Kettenhaube unter dem Helm. Aber schmerzhaft ist es trotzdem nicht. Dann geht die Erkundungstour durch die Altstadt weiter. Vorweg läuft der Mann mit der mittelalterlichen Kostümierung. In der Hand hält er eine Hellebarde, das Statussymbol der Stadtwächter. Von der Monschauer Burg führt Kommer die Gruppe Richtung Stadt zurück. "Früher war hier, wo wir gerade lang laufen, ein Graben", erzählt er, während die Gruppe eine lange Treppe hinunterläuft. Der Weg ist anstrengend: Die Stufen verlangen der Reisegruppe einiges ab. Die unebenen Steinplatten, die unterschiedlichen Stufen, und dann noch gleichzeitig zuhören und dem umherdeutenden Finger des Stadtführers nachblicken, das ist wahres Multitasking.

 Im Brauereimuseum Felsenkeller geht es um die Geschichte der Braukunst.

Im Brauereimuseum Felsenkeller geht es um die Geschichte der Braukunst.

Foto: röös

Doch niemand möchte auch nur eine Anekdote aus dem historischen Stadtgeschehen verpassen. "Das Mittelalter war richtig bunt. Mode war damals das alles bewegende Thema. Da konnten sich die Leute individualisieren", erklärt Kommer. Er selbst ist auch farbenfroh gekleidet: Sein Polsterrock ist froschgrün, die Schamlatzhose leuchtend gelb, und die wendegenähten Lederschuhe an seinen Füßen leuchten rot, genauso wie die Strumpfbänder unter seinen Knien und der Ledergürtel um seinen Bauch. "Klar, an erster Stelle stand immer die Religion, dann aber kam direkt hinterher die Mode. Männer haben da sogar mehr übertrieben als Frauen. Die modischen Provokationen fand die Kirche gar nicht lustig", sagt Kommer weiter. So hätten anständige Frauen damals keine Unterwäsche getragen. "War aber auch nicht schlimm, die Röcke waren schließlich lang genug", erklärt der Stadtwächter.

 Der Anstieg ist ein wenig beschwerlich, aber von den umgebenden Bergen lohnt die Aussicht auf die Fachwerkhäuser und Schieferdächer.

Der Anstieg ist ein wenig beschwerlich, aber von den umgebenden Bergen lohnt die Aussicht auf die Fachwerkhäuser und Schieferdächer.

Foto: Monschau tourismus

Früher arbeitete der 51-Jährige als Verwaltungsbeamter an der Hochschule in Aachen. Seit er 2011 in Ruhestand ging, hat er zunächst Touristengruppen durch das nahe gelegene Moorgebiet Hohes Venn geführt. Seit vergangenem Jahr ist er auch in Monschau unterwegs. Sein Wissen über die Historie der Stadt hat er sich aus unzähligen Büchern angelesen. "Man lernt nie aus, bei jeder Führung gibt es etwas Neues zu erfahren — auch für mich", erzählt er. Ein bisschen Regionalliteratur könne nie schaden. Außerdem helfen ihm der Monschauer Geschichtsverein und hiesige Historiker bei Fragen. "Es hat aber trotzdem bestimmt zwei oder drei Jahre gedauert, bis ich mich rausgetraut habe", erzählt Kommer weiter. Dafür sind seine Touren heute umso gefragter. Im Winter eher weniger, dafür im Sommer manchmal bis zu zwei Mal am Tag führt er Kinder, Erwachsene und auch Senioren durch das Eifelstädtchen mit den engen Gassen. Dabei begegnen ihm nicht nur andere Stadtführer, sondern auch die Monschauer Stadtbahn — eine schwarz-rote Lok, die Touristen an den Hauptsehenswürdigkeiten entlang durch die Altstadt fährt.

 Arnold Kommer führt als mittelalterlicher Stadtwächter eine Touristengruppe aus Trier durch Monschau.

Arnold Kommer führt als mittelalterlicher Stadtwächter eine Touristengruppe aus Trier durch Monschau.

Foto: Röös/Monschau Tourismus

Einige dieser Sehenswürdigkeiten hat Kommer auf seiner Tour ausgelassen — und das bewusst. Da ist zum Beispiel das Rote Haus der Tuchmacherfamilie Scheibler, das zugleich das Wahrzeichen der Stadt ist. Die große Zeit der Tuchmacher in Monschau war allerdings erst im 18. Jahrhundert und ist somit nichts für eine Mittelalterführung. Besucher können aber in Eigenregie die zahlreichen anderen Attraktionen, denkmalgeschützten Gebäude und Museen erkunden. Quer durch Monschau verlaufen mehrere Wandertouren von etwa zwei Kilometern, die touristenfreundlich ausgeschildert sind. In den romantischen Gässchen des Örtchens, dessen Straßen nur aus Kopfsteinpflaster zu bestehen scheinen, finden sich selbst Besucher mit einem weniger ausgeprägten Orientierungssinn zurecht. Die meisten Sehenswürdigkeiten sind gut ausgeschildert, und die Monschauer Wegweiser sind häufig sogar auch auf Französisch. Die belgische Grenze ist schließlich nur wenige Kilometer von der Altstadt entfernt.

Wer auf seiner Erkundungstour dem Flusslauf der Rur folgt, entdeckt nach nur wenigen Gehminuten das Brauereimuseum Felsenkeller. Dort wurden früher das Monschauer Pils Felsquell und das dunkle, hefetrübe Zwickelbier gebraut. Letzteres kann man auch heute noch im angrenzenden Restaurant probieren. Für die Autofahrer gibt es eine Alternative: der Bierteller wird serviert mit einer Auswahl an Käse, Wurst, Gemüse und hausgemachtem Zwickelbierbrot. Dazu wird natürlich original Monschauer Senf gereicht. Von der Restaurantterrasse aus hat man wieder einen ganz anderen Ausblick als nur wenige Minuten zuvor in der Altstadt. Während der historische Stadtkern von bunten Fachwerkhäusern mit rot-grünen Fensterläden oder Steinhäusern aus dem Mittelalter geprägt ist, schaut man etwas außerhalb auf grüne Berge und Schieferwände.

Viele Touristen kommen auch aus Belgien und den Niederlanden. Wie Stadtführer Kommer voller Stolz sagt: "Wir in Monschau sind weltoffen."

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