Gewalt in Notunterkünften Flüchtlinge misshandelt: Ermittlung gegen leitende Mitarbeiter

Siegen · Die Ermittlungen nach den Übergriffen auf Flüchtlinge in Notunterkünften in NRW weiten sich aus. Neben den bisher im Fokus stehenden Wachmännern werde nun auch gegen den Leiter der Unterkunft in Burbach und den Geschäftsführer der Betreiberorganisation European Homecare ermittelt, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Essen: Ermittler durchsuchen Firmenzentrale von European Homecare
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Foto: ANC News

Wie der Sprecher der Staatsanwaltschaft Siegen, Oberstaatsanwalt Johannes Daheim, am Dienstag mitteilte, richten sich die Ermittlungen seiner Behörde nun auch gegen den Geschäftsführer der Firma European Homecare (EHC), die sechs der 18 Aufnahmeeinrichtungen in NRW betreibt. Ebenso wurden Ermittlungen gegen den Leiter der Burbacher Flüchtlingsunterkunft in der ehemaligen "Siegerland-Kaserne" eingeleitet. "Es könnte sein, dass noch weitere Beschuldigte dazukommen", sagte Daheim. Es hätten sich Verdachtsmomente gegen weitere Personen ergeben, denen nun auch nachgegangen werde. Übergriffe sind auch aus Essen und Bad Berleburg gemeldet worden.

In mehreren Flüchtlingsheimen in NRW, darunter Burbach und Essen, soll es zu Übergriffen eines privaten Sicherheitsdienstes gegen Flüchtlinge gekommen sein. Ein Handy-Foto zeigt, wie ein gefesselter Mann am Boden liegt und ein Wachmann seinen Fuß auf dessen Kopf gestellt hat.

Bei dem Geschäftsführer der Betreiberfirma und dem Leiter der Unterkunft besteht laut Staatsanwalt der Verdacht, sie hätten zumindest von der Existenz sogenannter "Problemzimmer" in der Burbacher Flüchtlingsunterkunft und deren "strafrechtlich relevanter Nutzung" gewusst, diese jedoch nicht unterbunden. In dem Zimmer entstanden ein vor zweieinhalb Wochen an die Öffentlichkeit geratenes Video und ein Foto, auf denen die Übergriffe dokumentiert sind. Es werde unter anderem wegen Körperverletzung und wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung ermittelt. Das Verfahren gegen die beiden werde wegen des Verdachts der Freiheitsberaubung und Nötigung "in mittelbarer Täterschaft oder durch Unterlassen" geführt. Zudem bestehe der Verdacht auf Körperverletzungsdelikte, so Daheim. Offenbar haben Wachleute beide Personen schwer belastet.

Bereits am Montag war die Essener EHC-Firmenzentrale von der Staatsanwaltschaft durchsucht worden. Ebenso durchsuchten die Ermittler nach eigenen Angaben die Büroräume und die Wohnung des Heimleiters der Burbacher Flüchtlingsunterkunft. Dabei seien zahlreiche Unterlagen in Papier und elektronischer Form sichergestellt worden. Bereits nach einer ersten Sichtung haben sich laut Staatsanwaltschaft "Verdachtsmomente" gegen weitere Beschuldigte ergeben, denen ebenfalls nachgegangen werde.

Vor einer Woche war aufgrund sichergestellter Videoaufnahmen bekanntgeworden, dass Wachleute Asylbewerber in dem Burbacher Flüchtlingslager drangsaliert und gefoltert hatten. Ähnliche Vorwürfe wurden auch aus den Unterkünften in Bad Berleburg und Essen laut. Danach hatten die Ermittlungsbehörden in Siegen und Essen Strafverfahren gegen elf beschuldigte Wachleute eingeleitet.

Der nun ebenfalls beschuldigte EHC-Geschäftsführer Sascha Korte begrüßte die Ermittlungen. Sie würden ergeben, dass sein Unternehmen "im Vorfeld keine Informationen über die Vorfälle in Burbach hatte". Zudem erhoffe er sich von der Einschaltung der Staatsanwaltschaft "eine sachlichere Diskussion" über die Situation der Flüchtlingsbetreuung.

Unterdessen hat die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) zu einem Runden Tisch über die Flüchtlingspolitik an Rhein und Ruhr in den kommenden Tagen eingeladen. Eine Sprecherin der Staatskanzlei bestätigte am Mittwoch in Düsseldorf, dass sich die Einladung an Flüchtlingsorganisationen, Kirchen und kommunale Spitzenverbände richte. Ziel dieser Initiative sei es, zu einer besseren Asylbewerber-Aufnahme in NRW zu kommen.

(KNA/lnw)
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