Einfallstor nach Deutschland Flüchtlinge reisen illegal über Aachen ein

Aachen/Berlin · Der Grenzübergang Aachen ist für die meisten Flüchtlinge das Einfallstor nach Deutschland. Nur in Bayern passieren mehr Menschen illegal die Grenze. Die zuständige Bundespolizei arbeitet am Limit. Es fehlt an Personal.

 Bei einer Kontrolle an der Grenze bei Aachen werden Flüchtlinge festgesetzt.

Bei einer Kontrolle an der Grenze bei Aachen werden Flüchtlinge festgesetzt.

Foto: Laura Beemelsmanns/ZVA

Für die 18 Flüchtlinge aus Westafrika endet die monatelange Reise am Sonntagnachmittag um 16.43 Uhr auf einem Parkplatz am Grenzübergang Aachen-Lichtenbusch. Die Bundespolizei stoppt dort ihren Reisebus, mit dem sie illegal nach Deutschland eingereist sind. "So viele auf einmal in einem Bus, das kommt selten vor", sagt ein Sprecher der Bundespolizei.

Die 18 Flüchtlinge im Alter von 15 bis 37 Jahren reisten über Madrid, Paris und Brüssel nach Aachen. 15 von ihnen stellten einen Asylantrag und wurden an eine Aufnahmeeinrichtung oder dem Jugendamt übergeben. Zwei Schleuser nahm die Polizei vorläufig fest. Da sie über einen festen Wohnsitz innerhalb der Europäischen Grenzen verfügen, mussten die Beamten sie wieder auf freien Fuß setzen. "Uns sind die Hände gebunden, da die beiden vorher noch nicht polizeilich als Schleuser in Erscheinung getreten sind", sagt der Sprecher.

Nur an den Grenzübergängen in Bayern reisen noch mehr Flüchtlinge illegal in die Bundesrepublik ein als an der deutsch-belgischen Ländergrenze im Raum Aachen. Allein an diesem Wochenende wurden an den Grenzen zu den Niederlanden und Belgien 36 Personen ohne Ausweispapiere festgesetzt. In diesem Jahr sind es nach Angaben der Bundespolizeidienststelle St. Augustin bislang im Raum Aachen schon 40 Prozent mehr als im Vorjahr (2013 waren es rund 2000). Im September nahmen die Grenzkontrolleure deutlich mehr als 300 illegal Einreisende auf. "Für Oktober und November rechnen wir mit ähnlich hohen Zahlen", sagt der Sprecher der Bundespolizei. Und das sind nur die Fälle, in denen Menschen erwischt worden sind.

Kosten für Flüchtlinge: Die wichtigsten Antworten
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Foto: dpa, rwe lof

Die Dunkelziffer liegt Erkenntnissen der Fahnder zufolge deutlich höher. Doch um mehr Illegale zu stoppen, fehlt es den Grenzern an Personal. Ein Bundespolizist, der anonym bleiben möchte, sagt: "Man muss ehrlich sagen, die Arbeitsbelastung bei uns ist sehr hoch." Zwar werde versucht, so viele Einsätze wie möglich zu bewältigen. "Aber für lückenlose Grenzen bräuchten wir mehr Manpower." Ein weiterer Insider warnt vor Krankheiten, die die illegalen, nicht an den Grenzen aufgegriffenen Flüchtlinge aus Westafrika möglicherweise unwissentlich nach Deutschland einschleppen könnten.

Seit 2013 verzeichnet Deutschland EU-weit die meisten illegalen Einreisen. Im vergangenen Jahr griff die Bundespolizei 32.533 unerlaubt Einreisende auf. Aktuell reisen die meisten von Italien über Österreich und von Frankreich über Belgien nach Deutschland. Sie kommen zuvor in überfüllten Flüchtlingsbooten über den Seeweg aus Afrika. Auch ein 16-Jähriger, der am Sonntag in Aachen gestoppt wurde, schilderte der Polizei, dass er von Mauretanien über Marokko und von dort aus mit einem motorisierten Schlauchboot weiter nach Spanien geflüchtet ist. Mit der Zahl der illegalen Migranten steigt auch die Zahl der gefassten Schleuser. Dem Jahresbericht der Bundespolizei zufolge wurden 2013 rund 1550 von ihnen festgenommen (ein Plus von 70,6 Prozent). Im Jahr davor waren es 900. Für 2014 gehen die Ermittler sogar von einem noch deutlicheren Anstieg aus.

Blick in das Flüchtlingsheim in Essen
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Bundesinnenminister Thomas de Maizière will den verbrecherischen Menschenhändlern das Handwerk legen und denkt daran, mit Hilfe von "Willkommenszentren" oder "Ausreisezentren" in Nordafrika die Zuwanderung nach Europa zu steuern. Mit dem Direktor der Internationalen Organisation für Migration (IOM), William Lacy Swing, besprach er gestern in Berlin den Plan, mit einem Modellprojekt in Ägypten zu beginnen und dabei das Zusammenspiel von Flüchtlingshilfswerk UNHCR, IOM und Europäischer Union auszutesten und auf diese Weise zu klären, ob sich damit der Menschenhandel austrocknen lässt. De Maizière betonte die Bereitschaft, so viele Flüchtlinge aufzunehmen, wie derzeit als Asylbewerber ins Land kommen. Allerdings müsse im gleichen Maße die Zuwanderung illegaler Flüchtlinge zurückgehen. Er zeigte sich von neuen IOM-Zahlen bestürzt, nach denen Schlepper und Schleuser derzeit einen Profit von 30 Milliarden Dollar jährlich machen. Menschen zu schmuggeln, sei für kriminelle Organisationen offensichtlich leichter als Waffen zu verschieben, erklärte Swing.

(RP)
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