Geldautomaten-Sprengungen in NRW "Das rabiate Fluchtverhalten der Täter ist gefährlich"

Düsseldorf · Schon 54 Geldautomaten wurden in diesem Jahr in NRW in die Luft gesprengt – ein Schaden von drei bis vier Millionen Euro ist entstanden. Vor allem die niederländischen Täter gelten bei der Polizei als gefährlich – allerdings nicht wegen der Sprengungen selbst.

Geldautomaten gesprengt - eine Chronik für NRW bis Juni 2017
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Geldautomaten-Sprengungen in der Region – eine Chronik

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Schon 54 Geldautomaten wurden in diesem Jahr in NRW in die Luft gesprengt — ein Schaden von drei bis vier Millionen Euro ist entstanden. Vor allem die niederländischen Täter gelten bei der Polizei als gefährlich — allerdings nicht wegen der Sprengungen selbst.

"Wir haben es hier mit einem Phänomen zu tun", sagt Frank Scheulen, Sprecher des Landeskriminalamtes (LKA) Nordrhein-Westfalen und meint die Geldautomaten-Sprengungen in NRW. Die versuchte Sprengung in Emmerich am Freitag war der 54. Fall, den die Polizei in diesem Jahr gezählt hat. Nummer 52 und 53 ereigneten sich beide am Donnerstag an einer Sparkasse in Dormagen: Dort richteten Unbekannte mit gleich zwei Explosionen im Vorraum des Geldinstituts großen Schaden an.

Täter sprengen Geldautomaten in Dormagen
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Täter sprengen Geldautomaten in Dormagen

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Foto: Daniel Bothe

2015 hat die Polizei insgesamt 67 Sprengungen gezählt. Die beiden Jahre seien aber nicht miteinander vergleichbar, sagt Scheulen, weil die Serie der Sprengungen im März 2015 überhaupt erst begonnen hatte. Dieses Jahr gab es dagegen allein im März 13 Fälle. Hochrechnungen anzustellen mache aber keinen Sinn, sagt Scheulen. "Es ist davon auszugehen, dass sich diese Zahl bis Jahresende noch erhöhen wird".

Mehrere Tätergruppen im Visier der Polizei

Die Polizei ermittelt nun bereits seit Monaten gegen mehrere Tätergruppen. "Da gibt es die niederländischen Täter, örtliche Banden und außerdem Einzeltäter, die zumeist Nachahmungstäter sind", sagt Scheulen. Die Ermittlungen liegen zunächst bei den örtlichen Polizeidienststellen. Außerdem gibt es die übergreifende Ermittlungskommission "Heat" des LKA, die in ihrer Arbeit einen Fokus auf die Niederländer legt. Dabei handelt es sich laut Polizei um eine Gruppe von etwa 250 Personen, die aus dem Großraum Utrecht/Amsterdam operieren. Die Verdächtigen seien überwiegend niederländische Staatsbürger mit marokkanischem Migrationshintergrund.

A57 - Unfall nach Einbruch in Krefeld - zwei Tote - war es die Audi-Bande?
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Foto: Guido Schulmann

Von ihnen geht eine erhöhte Gefahr aus, sagt Scheulen. Allerdings weniger durch die Geldautomaten-Sprengungen selbst, als von der anschließenden Flucht. Denn die Täter sind zumeist mit schnellen Autos unterwegs, mit denen sie über die Autobahnen zurück in Richtung in die Niederlande jagen. Scheulen bezeichnet ihr Fluchtverhalten als "rabiat" und "drastisch". Im Gedächtnis blieb zum Beispiel die spektakuläre Verfolgungsjagd, die sich ein Audi im September vergangenen Jahres über mehrere Landesautobahnen mit der Polizei lieferte. Bei einem schweren Unfall bei Krefeld im vergangenen Dezember kamen zwei Täter ums Leben. Auf der Flucht gefährden die Diebe immer wieder unbeteiligte Verkehrsteilnehmer.

Banken in den Niederlanden sind besser gesichert

Es gibt einen einfachen Grund, warum die niederländischen Diebe mittlerweile seit mehr als einem Jahr immer wieder die Fahrt über die Grenze in Kauf nehmen, um ihrem Handwerk nachzugehen. "Wir gehen davon aus, dass sie ihre Taten nach Nordrhein-Westfalen verlegt haben, nachdem die Banken in den Niederlanden immer besser gesichert wurden", sagt Scheulen. Nun fahren die Diebe die wenigen Kilometer über die Grenze nach NRW, weil sie dort mit ihrem Vorgehen erfolgreicher sind.

Denn in Deutschland haben Banken und Sparkassen ihre Geldautomaten bislang nicht so gut geschützt wie die Kollegen in den Niederlanden. "Wir machen viel Präventionsarbeit und stehen in einem engen Kontakt zu den Banken", sagt Scheulen. Es gebe eine Palette von Möglichkeiten, die Geldautomaten besser zu schützen - von Gasdetektoren bis zu Farbbeuteln, die bei einer Explosion platzen und so die Geldscheine unbrauchbar machen.

Drei bis vier Milliarden Euro Schaden

Denn auch wenn es unterschiedliche Tätergruppen sind, gehen sie alle ähnlich vor: Sie kommen mit Gasflaschen, Schläuchen und Klebeband und bleiben nie länger als fünf Minuten am Tatort. Zuerst kleben sie die Überwachungskamera mit Klebeband ab oder verdrehen den Winkel, sodass keine brauchbaren Aufnahmen mehr gemacht werden. Dann bohren die Täter ein Loch in den Automaten und leiten ein Gasgemisch ein, das sie zur Explosion bringen. Aus den Trümmern nehmen sie das Bargeld mit und verschwinden.

Den Schaden, der bislang auf diese Weise entstanden ist, beziffert Scheulen mit drei bis vier Millionen Euro - wobei dies nur eine "grobe Schätzung" sei.

(lsa)
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