IS-Pläne in Düsseldorf Warum NRW ins Visier der Islamisten gerät

Düsseldorf · Terroristen wollen die westliche Gesellschaft ins Mark treffen. Deutschlands bevölkerungsreichstes Bundesland wird damit automatisch zum Anschlagsziel. Und es ist Heimat Tausender Radikaler.

Ein Terrorverdächtiger auf dem Weg zum Haftrichter im Juni 2016
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Ein Terrorverdächtiger auf dem Weg zum Haftrichter im Juni 2016

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Foto: dpa, ude fdt

Al Kaida wollte die ganz großen Symbole: World Trade Center, Pentagon, Weißes Haus. Und auch der Islamische Staat ließ per Bildmanipulation schon einmal das Kanzleramt als nächstes Ziel in Flammen aufgehen. Doch daneben stellte er nicht den Flughafen in Tegel als mörderische Anregung ins Netz, sondern entschied sich für den Flughafen Köln Bonn, um nach den Terroranschlägen in Brüssel um Nachahmer zu werben: "Was deine Brüder in Belgien schaffen, schaffst du auch." Es sind nicht allein die nationalen Symbole, die die westliche Gesellschaft ins Mark treffen sollen - Terroristen wollen die Menschen überall in Panik versetzen. Und so rückt das bevölkerungsreichste Bundesland automatisch in den Blick des islamistischen Terrors.

"Weiche Ziele"

Bislang unterschieden Sicherheitsexperten vor allem zwischen den hochsymbolischen "harten" Anschlags-Zielen in Form gut geschützter Regierungszentralen, die vor allem speziell geschulten Terroristen vorbehalten sein würden, und jenen "weichen" Zielen, für deren Attacke die berüchtigten "einsamen Wölfe" und spontan radikalisierte Einzeltäter motiviert werden sollten. Die Ermittlungen des Generalbundesanwaltes zu den Plänen jener schon 2014 vom IS beauftragten und 2015 zur Realisierung in Düsseldorf nach Deutschland geschickten Terrorspezialisten lassen eine Strategie der IS-Terrorzentrale erkennen, die Bekämpfung "weicher" Ziele nicht mehr dem Zufall zu überlassen.

Die strikt jeden Alkoholkonsum als Zeichen westlicher Dekadenz ablehnenden Anhänger eines islamistischen Kalifats hätten mit der Attacke auf die "längste Theke der Welt", also die Düsseldorfer Altstadt, den doppelten Effekt erzielt, jeden Düsseldorfer, jeden Altstadt-Touristen und viele Millionen weiterer Menschen in Deutschland in Angst und Schrecken zu versetzen und gleichzeitig die radikalisierten Dschihad-Anhänger zu motivieren.

Warum NRW?

Von der "Sauerland-Gruppe" über die "Düsseldorfer Terrorzelle" bis hin zu den geplanten Bombenanschlägen auf Nahverkehrszüge und den Bonner Hauptbahnhof weisen viele Spuren islamistischen Terrors nach Nordrhein-Westfalen. Warum ist das so?

Nordrhein-Westfalen ist zum einen Heimat vieler Anhänger eines "heiligen Kriegs", die zur Terror-Ausbildung nach Syrien und in den Irak gereist sind und nun gut geschult wieder zu Hause aufschlagen. Inzwischen wird die Zahl der "Rückkehrer" allein in NRW auf deutlich über 50 geschätzt. Weder darf die Polizei jeden von ihnen ohne konkreten Verdacht rund um die Uhr im Blick haben, noch kann sie dies personell leisten. Die Rückkehrer sind als tickende Zeitbomben bereits gefährlich, aber umso problematischer, wenn sie sich wie ein Fisch im Wasser in Strukturen von Islamismus-Freunden bewegen können.

Und hier rückt Nordrhein-Westfalen ganz besonders in den Fokus, denn in den vergangenen Jahren hat sich NRW zum Sammelbecken für Salafisten entwickelt. Insbesondere Mönchengladbach und Bonn sind mittlerweile salafistische Hochburgen. Die Sicherheitsbehörden schätzen ihre Zahl inzwischen auf deutlich über 2500, von denen mehr als jeder Fünfte gewaltbereit sein soll. Experten verweisen darauf, dass nicht jeder Salafist unter Terrorverdacht gestellt werden kann, dass aber umgekehrt fast jeder Terrorist mit dem Salafismus in Verbindung gebracht werden kann. "Die salafistische Szene ist der soziale und ideologische Nährboden für die Dschihadisten, die sich Al Kaida und dem Islamischen Staat anschließen", erläutert der führende Terrorexperte Peter R. Neumann vom Londoner King's College.

Ramadan ist bevorzugter Anschlagszeitraum

Der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Burkhard Freier, geht für die kommenden Wochen von einer verschärften Sicherheitslage aus. "Der islamische Fastenmonat Ramadan ist ein bevorzugter Anschlagszeitraum", sagte Freier gestern vor dem Innenausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags. Nach westlicher Zeitrechnung beginnt der Ramadan am 6. Juni und dauert bis zum 5. Juli.

Freier sieht die Terrorplanungen gegen die Düsseldorfer Altstadt ebenfalls in einem Zusammenhang mit einem aktuellen Aufruf eines führenden islamistischen Predigers, der bei den Sicherheitsbehörden besondere Sorge ausgelöst hat. Die von dem Islamisten ausgerufene "Strategie der 1000 Nadelstiche" verstehe der Verfassungsschutz als einen weiteren, für Extremisten relevanten Aufruf zum "individuellen Dschihad": Radikalisierte sollten aus eigenem Antrieb und ohne Absprache möglichst viele Anschläge verüben. Also nicht nur in Paris, New York oder London, sondern auch in ganz normalen deutschen Städten. Wie Düsseldorf eben.

Die vom IS nach Deutschland entsandten Sprengstoff- und Anschlags-Experten hätten damit in Düsseldorf die Funktion von Vorreitern übernommen, die die Botschaft übermitteln, dass Attentatsvorhaben entgegen allen bisherigen Plänen auch in Deutschland erfolgreich sein können.

Nicht nur die heimische Salafisten-Szene bringt Nordrhein-Westfalen in den verstärkten Blick von Terrorplanungen. Auch die Nähe zu anderen, "erfolgreichen" Islamistenzentren, wie Paris oder Brüssel, spielt dabei eine Rolle. Von jenem berüchtigten Molenbeek nach Berlin sind es acht Autostunden. Von dort nach Düsseldorf gerade einmal zwei. Einer der vier für Anschläge in Düsseldorf vorgesehenen Tatverdächtigen offenbarte sich in Paris den Behörden.

(may-)
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