Überführung der Opfer des Germanwings-Absturzes "Das Hin und Her ist für die Angehörigen unerträglich"

Frankfurt/ Haltern Am See · Verzögerungen bei der Überführung der Opfer der Germanwings-Katastrophe haben die Angehörigen zermürbt. Sie seien "ratlos und traurig", schreiben sie. Am 9. Juni sollen die Opfer nun nach Düsseldorf gebracht werden.

 Am 24. März stürzte die Germanwings-Maschine mit 150 Personen an Bord ab. In einem offenen Brief kritisieren die Eltern der Haltener Schüler die Organisation der Rückführung ihrer toten Kinder.

Am 24. März stürzte die Germanwings-Maschine mit 150 Personen an Bord ab. In einem offenen Brief kritisieren die Eltern der Haltener Schüler die Organisation der Rückführung ihrer toten Kinder.

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An sich ist Elmar Giemulla ein besonnener Anwalt. Er lobt Lufthansa dafür, dass die Fluggesellschaft schnell 50 000 Euro als vorläufige Entschädigung für jedes Opfer des Germanwings-Unglücks bereitstellte. Es sei professionell gewesen, als das Unternehmen sich große Mühe gegeben habe, die Angehörigen schnell zu der Absturzstelle in den französischen Alpen zu bringen. Doch als die Fluggesellschaft nun am Mittwoch ohne schlüssige Erklärung die für den 9. und 10. Juni geplante Rückführung der sterblichen Überreste der Opfer wieder absagte, riet Giemulla seinen Mandanten aus Haltern zu Härte. Sie sind die Hinterbliebenen von 16 Schüler und zwei Lehrerinnen, die am 24. März im abgestürzten Germanwings-Flugzeug ums Leben kamen.

"In Haltern am See bleiben die Eltern ratlos und traurig zurück", heißt es in einem offenen Brief. "Der Zorn und die Verzweiflung nehmen zu", ergänzen die Familien. Denn seit Wochen habe man für den 12. Juni die ersten Beisetzungen in Haltern geplant, aber jetzt sei das Unternehmen nicht in der Lage, eine reibungslose Rückführung zum erwarteten Termin zu ermöglichen. "Jetzt wird sich zeigen, ob die Lufthansa ihren Ruf als Logistikkonzern wirklich verdient."

Tatsächlich hat der Brief, über den "Bild" zuerst berichtete, den Lufthansa-Vorstand geschockt. Freitagnachmittag stellte der Konzern klar, man werde den Termin doch einhalten. Am 9. Juni um 22.30 Uhr werde ein Sonderflug mit den sterblichen Überresten von 30 Opfern in Düsseldorf landen — darunter werden laut Anwalt Giemulla die Särge aller Opfer aus Haltern sein. Dann sollen die sterblichen Überreste am nächsten Morgen den Familien übergeben werden. Weitere Überführungen werde es in den kommenden Wochen geben, erklärt Lufthansa, wenn die französischen Behörden "unter Hochdruck die formalen Voraussetzungen geschaffen hätten".

"Das Hin und Her ist für die Angehörigen unerträglich", sagt Christof Wellens, der als Mönchengladbacher Anwalt 35 Opferfamilien betreut, "die Familien müssen sich doch auf Termine einstellen können". Denn der Sonderflug mit 30 Särgen bedeutet konkret, dass es für 120 weitere Tote vorerst noch keine Überführung gibt.

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Der offene Brief beschreibt die Vorgänge aus Sicht der Halterner Familien. Schon lange sei der Überführungstermin absehbar gewesen, dann habe Lufthansa am Mittwoch um 12 Uhr "lapidar den entsetzten Eltern" mitgeteilt: "Die Rückführung der sterblichen Überreste musste aufgrund neuer behördlicher Vorgaben vorübergehend unterbrochen werden." Das Ergebnis, so Anwalt Giemulla: "Trauerbriefe wurden von der Post zurückgeholt, Verwandte versuchten, Flüge und Hotelzimmer zu stornieren — nun müssen die Familien erneut umplanen."

Was ist passiert? Offensichtlich hat es Missverständnisse beim Ausfüllen von Sterbeurkunden gegeben. Für Lufthansa arbeitende Übersetzer hätten Fehler gemacht, berichten Insider. Aber gleichzeitig behaupteten die französischen Behörden am Donnerstag, sie könnten die wenigen Fehler innerhalb weniger Stunden korrigieren. "Gemessen an dieser nur kurzen Zeitspanne für die Nacharbeiten ist die ganze Verzögerung schon seltsam", meint Anwalt Wellens.

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Lufthansa-Mitarbeiter sagen dagegen, der Termin am 9. oder 10. Juni sei nie sicher gewesen. Es sei reine Vorsicht gewesen, die Warnung vor einer Verschiebung auf die für die Angehörigen reservierte Internetseite zu platzieren. Außerdem habe der Konzern die sterblichen Überreste ursprünglich sogar früher nach Düsseldorf bringen wollen, heißt es in einer Erklärung.

Gleichzeitig bedankt sich der Konzern ausdrücklich bei Steffen Rudolph, dem Beauftragten der Bundesregierung für die Opferfamilien. Der frühere Diplomat habe in Frankreich interveniert, als sich die Verzögerungen andeuteten, und dann "die Zusage erhalten, dass die Vorbereitungen zur Rückführung umgehend wieder aufgenommen werden konnten".

(RP)
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