Fragen und Antworten Das bringt die Gesundheitskarte für Flüchtlinge

Düsseldorf · Bislang war die Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge kompliziert geregelt. In sechs Städten wird sich das zum 1. Januar 2016 ändern, wenn dort eine Gesundheitskarte eingeführt wird. Hier gibt es die wichtigsten Fragen und Antworten.

Ab 1. Januar 2016 gibt es in sechs Städten in NRW eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge.

Ab 1. Januar 2016 gibt es in sechs Städten in NRW eine Gesundheitskarte für Flüchtlinge.

Foto: dpa, nie ghi tba

In Alsdorf, Bonn, Bochum, Gevelsberg, Monheim und Mülheim werden Flüchtlinge ab dem neuen Jahr direkt bei einer Krankenkasse versichert. Derzeit laufen die Vorbereitungen. Die Gesundheitskarte für Flüchtlinge ist umstritten, eine bundesweite Entscheidung für die Einführung kam nicht zustande. Ein Grund sind die befürchteten Kosten.

Bislang können Flüchtlinge in NRW nicht einfach zum Arzt gehen, wenn sie krank sind. Vor allem diejenigen, die noch nicht lange in Deutschland leben (weniger als 15 Monate), werden mit hohen bürokratischen Hürden konfrontiert. Sie brauchen einen Behandlungsschein von der Kommune, der sie zu einer ärztlichen Behandlung erst berechtigt. Diesen müssen sie beim Arzt vorlegen.

Zum einen stellt die Beantragung des Behandlungsscheins viele Flüchtlinge vor sprachliche Herausforderungen. Zum anderen nimmt sie Zeit in Anspruch, die im Krankheitsfall sehr wertvoll sein kann. Ein weiteres Problem ist, dass bei dieser Regelung Mitarbeiter der Kommune entscheiden müssen, ob der Asylbewerber so krank ist, dass ein Arztbesuch erforderlich ist. Diese haben aber in der Regel keine medizinische Ausbildung. Auch über die Notwendigkeit und Unaufschiebbarkeit weiterer Maßnahmen im Rahmen der Behandlung muss oft die Kommune entscheiden, was für die Mitarbeiter einen großen zusätzlichen Aufwand bedeutet.

Mit der Gesundheitskarte fällt der Behandlungsschein weg. Mit der Karte können Flüchtlinge im Krankheitsfall direkt zum Arzt gehen - wie deutsche Versicherte auch. Über die Notwendigkeit und den Umfang entscheidet dann der Arzt und nicht die Kommune.

Nein. Die Vereinbarung erfasst nur Flüchtlinge, die die Erstaufnahmeeinrichtungen und zentralen Unterbringungseinrichtungen des Landes verlassen haben und den Gemeinden zugewiesen wurden. Jeder berechtigte Flüchtling bekommt allerdings eine eigene Gesundheitskarte, auch die Kinder. Hier gelten die gleichen Regeln wie für gesetzlich Versicherte. Unerheblich ist die Frage, aus welchem Land die Flüchtlinge kommen und wie gut oder schlecht demnach ihre Chancen auf Asyl in Deutschland stehen.

Dafür gibt das NRW-Gesundheitsministerium mehrere Gründe an. Zum einen bleiben die Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen in der Regel nur kurze Zeit, so dass die Beantragung der Gesundheitskarte organisatorisch nicht umsetzbar wäre. Außerdem ist während des Aufenthaltes in den Erstaufnahmeeinrichtungen noch unklar, welchen Gemeinden die Flüchtlinge anschließend zugewiesen werden. In NRW führen zum neuen Jahr nur sechs Kommunen die Gesundheitskarte ein. Nur Flüchtlinge, die in diese Städte ziehen, können eine Karte bekommen - die anderen nicht. Gleiches gilt, wenn die Asylbewerber in ein anderes Bundesland umziehen. Für Flüchtlinge in den Erstaufnahmeeinrichtungen gilt weiterhin die Regelung mit dem Behandlungsschein.

Die Kommune meldet die ihr zugewiesenen Flüchtlinge bei der Krankenkasse an. Diese schickt die elektronische Gesundheitskarte direkt an die Flüchtlinge. Da das ein wenig Zeit beansprucht, stellt die Krankenkasse einen vorläufigen Abrechnungsschein für die ärztliche und zahnärztliche Versorgung aus.

Die Kosten für die Versicherung der Flüchtlinge übernehmen die Gemeinden. In Hamburg und Bremen gibt es die Gesundheitskarte für Flüchtlinge seit Herbst diesen Jahres. Das NRW-Gesundheitsministerium berichtet, dass es dort nach der Einführung Einsparungen bei der Verwaltung gab, weil das System der Behandlungsscheine teurer gewesen sei als das neue System der Gesundheitskarte. Außerdem können die Gemeinden mit den Krankenkassen Rabatte aushandeln. Das Ministerium verweist auf eine Studie der Unis Heidelberg und Bielefeld, derzufolge das System der Gesundheitskarte kostengünstiger als seine Alternativen ist. Wie sich die Kosten in den NRW-Kommunen entwickeln, bleibt abzuwarten.

Der Leistungsumfang der Gesundheitskarte für Flüchtlinge ist nicht gleich dem Leistungsumfang, den gesetzlich versicherte Bundesbürger erhalten. Die kommunalen Spitzenverbände und die Krankenkassen haben gemeinsam einen Leistungsumfang definiert, der die Bedürfnisse der Flüchtlinge und die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben berücksichtigt, heißt es beim NRW-Gesundheitsministerium. Trotzdem können Flüchtlinge medizinische Behandlungen erhalten, die über die vereinbarten Leistungen hinausgehen. Diese werden dann aber - ähnlich wie bei deutschen gesetzlich Versicherten - nicht über die Gesundheitskarte abgerechnet.

Dann wird im Einzelfall entschieden. Bei Behandlungen, die über 70.000 Euro pro Flüchtling im Kalenderjahr kosten würden, erhalten die Gemeinden laut Flüchtlingsaufnahmegesetz finanzielle Unterstützung.

Nein. Bei der Gesundheitskarte handelt es sich um eine elektronische Karte, auf der bestimmte Daten des Patienten gespeichert werden. Die Information, dass der Versicherte Asylbewerber ist, fällt nicht darunter.

Im Sommer wurde klar, dass es keine bundeseinheitliche Regelung geben wird. Deshalb hat das Gesundheitsministerium NRW selbst Verhandlungen mit den Krankenkassen geführt, die nun in den entsprechenden Rahmenvereinbarungen münden. NRW ist das erste Flächenland, das eine entsprechende Rahmenvereinbarung abschließt. Laut Ministerium habe die Organisation einige Zeit in Anspruch genommen, weshalb die Einführung nicht früher erfolgen konnte.

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(lsa)
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