Großrazzia in NRW Zoll nimmt acht Personen in Gewahrsam

Düsseldorf/Krefeld · Spezialeinheiten von Zoll und Polizei in Nordrhein-Westfalen sind bei einer Razzia gegen organisierte Schwarzarbeit im Baugewerbe vorgegangen. Die Einsatzkräfte nahmen dabei alle mutmaßlichen Haupttäter fest.

Spezialeinheiten von Zoll und Polizei in Nordrhein-Westfalen sind bei einer Razzia gegen organisierte Schwarzarbeit im Baugewerbe vorgegangen. Die Einsatzkräfte nahmen dabei alle mutmaßlichen Haupttäter fest.

Das meldeten die Staatsanwaltschaft Wuppertal und das Hauptzollamt Krefeld am Mittag auf einer Pressekonferenz in Krefeld. Bei den vorläufig festgenommenen Personen handelt es sich um eine 31 Jahre alte Deutsch-Kasachin, einen 40 Jahre alten sowie zwei 56 Jahre alte Serben, eine 49 Jahre alte Deutsche, einen 51 Jahre alten Israeli, einen 52 Jahre alten Mann aus Bosnien-Herzegowina und einen weiteren 72-jährigen Mann ohne Staatszugehörigkeit.

Razzia in NRW gegen organisierte Schwarzarbeit
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Großrazzia in NRW gegen organisierte Schwarzarbeit

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Foto: Christoph Reichwein

Die Fahnder beschlagnahmten Waffen, darunter zwei automatische Armbrüste, Bargeld und mehrere Fahrzeuge. Auch Spezialkommandos der Polizei waren im Einsatz. In einer Wohnung seien 330.000 Euro Bargeld gefunden worden.

Seit März 2016 habe es erste Informationen über eine organisierte Form von Schwarzarbeit im bergischen Land gegeben, sagte der Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert aus Wuppertal.

Seit kurz nach sechs Uhr morgens ist die Razzia in mehreren Städten in NRW im Gange, wie unsere Redaktion erfuhr. Mehr als 1120 Mitarbeiter des Zoll seien seit dem frühen Morgen im Einsatz. 140 Objekte seien durchsucht worden. Zugriffe der Sonderkommission "Moses" erfolgten heute in Bedburg, Bochum, Dortmund, Duisburg, Düsseldorf, Erkrath, Essen, Frechen, Gelsenkirchen, Gladbeck, Hennef, Kempen, Kerpen, Köln, Leverkusen, Lüdenscheid, Lünen, Moers, Monheim, Mönchengladbach, Mülheim / Ruhr, Oberhausen, Pulheim, Recklinghausen, Rheinberg, Selm, Siegburg, St. Augustin, Wesel, Witten und Wuppertal.

Der bisher verursachte Schaden durch hinterzogene Steuern und nicht bezahlte Sozialversicherungsbeiträge belaufe sich auf 35 Millionen Euro, teilte Armin Rolfink, Zolldirektor in Krefeld mit.

14 Servicefirmen sollen 48 Millionen Euro Umsatz gemacht haben

Es handele sich um ein komplexes Firmengeflecht. Demnach solle es acht Hauptverdächtige geben. Die Ermittler haben außerdem 28 Strohmänner ausgemacht und 14 "Servicefirmen". Diese 14 Firmen sollen einen Umsatz von 48 Millionen Euro gemacht haben über ein kompliziertes Modell mit sogenannten Schein- und Abdeckrechnungen. In den meisten Fällen sei gar keine Leistung dafür erbracht worden, so ein Sprecher des Zollamts.

Derzeit ermitteln neben der Staatsanwaltschaft Wuppertal noch acht weitere Staatsanwaltschaften gegen 450 Firmen aus ganz NRW.

Den acht Hauptverdächtigen droht nun eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, sagte der Wuppertaler Oberstaatsanwalt.

Das System der "Servicefirmen"

Wie das System funktioniert hat, beschrieb der Sprecher der Sonderkommission Heinz Michael Horst: Die mutmaßlichen Haupttäter sollen demnach Strohmänner beauftragt haben, eine Scheinfirma zu gründen. Die Strohmänner sollen alle notwendigen Behördengänge erledigt haben, um eine legale Firma zu gründen. Außerdem sollen sie Firmenkonton bei Banken eröffnet haben. Die Hauptverdächten sollen dann eine Kontovollmacht erhalten haben, damit sie uneingeschränkten Zugriff auf das Geld hatten.

Dann waren die Firmen betriebsbereit: Bauunternehmen mit richtigen Aufträgen sollen bei den Servicefirmen fiktive Rechnungen über Bauleistungen "gekauft" haben. In den Rechnungen waren Leistungen aufgeführt, die in den meisten Fällen niemals erbracht wurden. Den Rechnungsbetrag überwiesen die Baufirmen an die Servicefirmen. Dort soll das Geld umgehend von den Haupttätern in bar abgehoben worden sein. Das Geld wurde an die Baufirmen in bar zurückgeben, diese bezahlten davon zum Beispiel Schwarzarbeiter. Für diesen kriminellen "Service" sollen die mutmaßlichen Haupttäter eine Provision zwischen etwa fünf und zehn Prozent der Rechnungsbeträge einbehalten haben.

Bei Fachleuten stößt die groß angelegte Razzia gegen die organisierte Schwarzarbeit in NRW auf Zustimmung. "Der Staat hat hier sehr sichtbar agiert und Abschreckung erzeugt", sagte Schwarzarbeitsforscher Dominik Enste unserer Redaktion.

(heif)
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