Fall eingestellt Handy am Steuer: Kurioses Gerichtsurteil irritiert Autofahrer

Leverkusen · Am Leverkusener Amtsgericht gab es diese Woche eine Überraschung für einen Polizisten: Das Bußgeldverfahren gegen einen 22-jährigen Autofahrer wurde eingestellt, obwohl ihn der Beamte mit einem Handy am Ohr erwischt hatte.

Handy im Auto: Das ist erlaubt oder verboten
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Das Problem: Der Polizist konnte nicht bezeugen, dass der Leverkusener das Mobiltelefon tatsächlich benutzt hatte. "Wenn jemand ein Handy in der Hand hält, um es von einer Stelle auf eine andere zu legen, es aber nicht mit seinen Funktionen nutzt - beispielsweise darauf tippt oder hineinspricht -, ist das kein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung", erklärte Richter Dietmar Adam und verwies auf ein Urteil des Kölner Oberlandesgerichts vom November 2014.

Und der Anwalt des 22-Jährigen hatte sich vor Gericht redlich Mühe gegeben, genau dies zu beweisen. Der Fahrer habe nicht etwa das Mobiltelefon am Ohr gehabt, um damit zu telefonieren. "Er hat sich damit gekratzt, weil er immer mal wieder einen Ausschlag im Gesicht hat", erklärte der Jurist. Davon konnte sich der Richter höchstpersönlich überzeugen, weil die Haut des jungen Mannes just zum Gerichtstermin wieder gereizt war.

"Ich hatte das Handy aus dem Fußraum aufgehoben und mich reflexartig damit gekratzt", bestätigte der Leverkusener. "Danach habe ich es wieder auf die Beifahrerseite gelegt." Das Handy sei von der Mittelkonsole gefallen, als er habe bremsen müssen. Eine Aussage, die weder der Richter noch der als Zeuge geladene Polizist widerlegen konnten.

Auto-Urteile: Alles, was Recht ist
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Elke Hübner vom Allgemeinen Deutschen Automobilclub (ADAC) warnt jedoch davor, das Urteil des Kölner Oberlandesgerichts als Freifahrtschein für Handytelefonate am Steuer zu betrachten. "Urteile zu Bußgeldverfahren sind immer Einzelfallentscheidungen", sagt die Verbraucherschützerin. "Im Gesetz steht ganz klar, dass man ein Handy während der Fahrt nicht benutzen darf."

Und das begrüße der ADAC. "Die Ablenkung durch Mobiltelefone ist enorm", erklärt Hübner. "Immer wieder passieren dadurch schlimme Unfälle, und immer wieder übersehen Autofahrer dadurch Fußgänger." Deshalb rate der Automobilclub - wie die Polizei - zum Einbau einer Freisprecheinrichtung, wenn denn schon im Wagen telefoniert werden soll. "Das ist auch allemal günstiger, als sich nachher vor Gericht dafür verantworten zu müssen. Außerdem können selbst Urteile von Oberlandesgerichten wieder einkassiert werden."

Die ADAC-Mitarbeiterin verweist zudem auf ein aktuelles Urteil vom Oberlandesgericht Oldenburg vom Dezember 2015. "Das hat das Bußgeld für einen Fahrer bestätigt, der beim Fahren sein Mobiltelefon nur zum Laden angeschlossen hat." Laut Richter Dietmar Adam werden nur etwa zehn Prozent aller Bußgeldverfahren wegen unerlaubter Handynutzung eingestellt.

Im vergangenen Jahr haben die Polizisten in NRW mehr als 146.000 Handy-Sünder am Steuer ermittelt, 14.000 oder mehr als zehn Prozent mehr als im Vorjahr. "Das Handy am Steuer ist zur Seuche geworden", hatte NRW-Verkehrsminister Ralf Jäger (SPD) bei der Vorstellung der Verkehrsunfallbilanz 2015 erklärt. "Wer beim Fahren das Handy in die Hand nimmt, soll damit rechnen müssen, erwischt zu werden."

(sug)
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