Bielefeld 13 Jahre Haft für Totschlag an Heiligabend

Bielefeld · Nach dem neu aufgerollten Indizienprozess um den blutigen Tod eines älteren Geschwisterpaars gibt es für die Richter keinen Zweifel: Ein 30-Jähriger erstach die beiden an Heiligabend 2013 in ihrer Villa in Gütersloh. Als wichtigster Zeuge gilt dem Gericht ausgerechnet ein Betrüger.

Frau findet Mutter und Onkel tot im Haus
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Für seine Urteilsbegründung nimmt sich der Richter des Landgerichts in Bielefeld reichlich Zeit. Bis ins Detail trägt er vor, was ihn zur Überzeugung bringt, genau jenen Mann vor sich zu haben, der am Heiligabend 2013 in einer Villa in Gütersloh ein Blutbad anrichtete, als er eine 74-Jährige und ihren drei Jahre älteren Bruder erstach.

Die Kammer ist auch deshalb so gründlich in ihrer Begründung des Schuldspruchs zu 13 Jahren Haft wegen Totschlags, weil sie den Verteidigern keine offene Flanke bieten will. In dem langwierigen Indizienprozess war die Gegenseite bereits einmal erfolgreich in Revision gegangen. Der Fall musste neu aufgerollt werden, es gab Lücken in der Beweiswürdigung, kritisierte der BGH.

Zur Vorgeschichte des Urteils gehört ein langes Im-Dunkeln-Tappen der Ermittler, bis sie schließlich auf den Informatiker mit Esoterik-Faible stießen. Es folgte ein mühsames Zusammenketten von Beweisen, die erst zur Anklage, dann vor einem Jahr zu einer ersten Verurteilung zu 14 Jahren Haft und schließlich zum Revisionsprozess führte. Seit Dezember stand alles noch einmal auf Anfang. Was in der Tatnacht geschah, sehen die Richter so:

Das betuchte Geschwisterpaar - sie ehemalige Ärztin (74), er pensionierter Lehrer (77) - will einen stillen Abend vor dem Weihnachtsfest verbringen. Dann kommt der Angeklagte zu Besuch. Eine Flasche Wein im Gepäck, wird er eingelassen, man kennt sich: Er hat im Haus schon handwerkliche Arbeiten durchgeführt, sich mit der Ärztin über alternative Heilmethoden ausgetauscht. Vor allem aber ist er gut befreundet mit der Tochter der 74-Jährigen und ihrem Lebensgefährten.

Statt eines freundschaftlichen Besuchs, wie er es vor Gericht stets ausgesagt hatte, fällt er erst über die Ärztin, dann über den herbeigeeilten Bruder her, so die Überzeugung des Gerichts. Mit dem Messer sticht er in alle lebenswichtigen Organe, auch als seine Opfer schon am Boden liegen.

Für ihr Urteil stützen sich die Richter besonders auf die belastende Aussage eines Mithäftlings, eines Betrügers: Der hatte angegeben, der 30-Jährige habe ihm im Gefängnis gestanden, der Täter zu sein. Hinzu kämen DNA-Spuren am Tatort, das lange Schweigen des Angeklagten gegenüber der Polizei darüber, dass er am Tattag zu Besuch gewesen war, sowie eine Textdatei auf seinem Computer, die den Leser über die 21 Techniken des lautlosen Tötens aufklärt. "Das sind alles nur kleine Mosaiksteinchen, aber sie fügen sich zu einem Ganzen zusammen", sagte der Richter.

Auf die Frage nach dem Motiv kann der Prozess nur Ideen, keine Beweise liefern. Der Angeklagte hatte ein Faible für Esoterisches, folgte den Lehren umstrittener Gurus. Er habe getötet um seine eigenen Ängste zu überwinden, schlussfolgert der Richter. Vielleicht auch um Schmuck oder Bargeld zu erbeuten. Denkbar sei auch, dass er vom Lebensgefährten der Tochter zur Tat angestiftet worden sei.

Dieser hatte sich verärgert darüber gezeigt, dass die Familie seiner Angetrauten das mögliche Erbe durch schlechte Investitionen durchbrachte. Gegen den 53-Jährigen ermittelt die Staatsanwaltschaft daher ebenfalls - bislang aber, ohne den Anstiftungs-Verdacht so hieb- und stichfest belegen zu können, dass es für eine Anklage gereicht hätte.

Auch mit dem Urteil ist noch nicht das letzte Wort gesprochen: Die Verteidiger wollen es erneut anfechten - die Aussage des Mithäftlings halten sie für unglaubwürdig.

(lsa/lnw)
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