Mordprozess von Höxter "Ich wollte einfach nur, dass sie sich an Wilfrieds Regeln hält"

Im Mordprozess um die Taten von Höxter hat die angeklagte Angelika W. über die Leidenszeit einer der getöteten Frauen gesprochen – und grausame Details geschildert. Die Frau war wochenlang im Keller angekettet, wo sie schließlich starb.

Horror-Haus von Höxter: Angelika W. sagt vor Gericht aus
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Szenen aus dem Höxter-Prozess in Paderborn

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Foto: dpa, gki

Im Mordprozess um die Taten von Höxter hat die angeklagte Angelika W. über die Leidenszeit einer der getöteten Frauen gesprochen — und grausame Details geschildert. Die Frau war wochenlang im Keller angekettet, wo sie schließlich starb.

Am Abend vor ihrem Tod kauerte sich Anika W. nackt vor der Waschmaschine im Keller zusammen. Nach zehn Monaten im Haus von Wilfried und Angelika W. war die 33-Jährige am Ende ihrer Kräfte. "Das Beste ist doch, ich bringe mich um", soll sie vorher zu Wilfried W. gesagt haben. "Aber dann halt mich da raus und schmeiß dich vor'n Zug", war seine Antwort.

Angelika W. berichtet auch an diesem vierten Prozesstag im Landgericht Paderborn stundenlang, was geschehen ist auf dem alten Hof in Höxter-Bosseborn, in dem das Paar zwei Frauen zu Tode gequält haben soll. Was die Angeklagte erzählt, ist durchzogen von schwer fassbarer Grausamkeit und Kälte. Da ist kein Mitleid spürbar, aber auch nicht irgendein anderes Gefühl.

Beim Zersägen der Leiche immer dieselbe Musik gehört

Beflissen beantwortet sie sämtliche Fragen des Vorsitzenden Richters Bernd Emminghaus. Angelika W. gerät nicht ein einziges Mal ins Stocken, während sie Anikas letzte Stunden beschreibt, ihr einsames Sterben in einer Badewanne im Keller. Die Stimme der Angeklagten ist ruhig. Sie bricht auch nicht weg, als sie beschreibt, wie sie die Leiche mit ihrem Ex-Mann in eine Tiefkühltruhe gelegt und Pizza und Gemüse dazu gelegt hat. Wie sie selbst sie später an vielen Abenden zersägt und die einzelnen Körperteile im Ofen im Wohnzimmer verbrannt hat. Wilfried W. habe damit nichts zu tun haben wollen. "Die ganze Maloche damit hatte ich", sagt sie trocken. Einmal sei er im Sessel eingeschlafen, während sie bis zum frühen Morgen immer wieder neue Leichenteile aus dem Keller hoch geholt und verbrannt habe. "Es war ja schön warm", sagt sie.

Die 47-Jährige beschreibt akribisch, wie sie den toten Körper mit einer Säge zerteilt hat, vier Sägeblätter habe sie gebraucht, dazu habe sie immer dieselbe CD gehört. Das sei die Idee ihres Ex-Mannes gewesen, damit die Nachbarn die Sägegeräusche nicht hören. Die Asche durchsuchte sie nach Knochenteilen oder Zähnen. Es sollte nicht die kleinste Spur zu finden sein. Zeitweise rutscht ihre Aussage ins Groteske ab. Wenn sie etwa erzählt, dass sie die Asche mit 25 Kilogramm Streugranulat gemischt habe, es dann aber keinen Schnee gab, weil der Winter so mild war. "Das konnte ich ja nicht einfach so rumstreuen." Oder wenn sie zum Richter sagt: "Lachen Sie jetzt nicht. Ich habe mir im Fernsehen diese Doku-Serien über Autopsien angeschaut." Aber außer ihr gibt es niemanden im Saal, der lacht.

Manchmal ordnet die Angeklagte die Dinge ein. Warum Anika W. sich an jenem Abend im August 2014 nackt vor die Waschmaschine gelegt hätte, will Emminghaus etwa von ihr wissen. Sie sagt: "Ich nehme an, sie fand das alles recht aussichtslos."

"Ich wollte sie anlernen"

Anika W. hatte schon wochenlang im Keller geschlafen. Nachts kettete Angelika W. sie dort in einer Badewanne an. Die Frau aus Uslar, die Wilfried W. wie die anderen Opfer über eine Zeitungsannonce kennengelernt hatte, war anfangs sehr verliebt in den 46-Jährigen, so beschreibt Angelika W. es. "Sie schrieb ihm dauernd: Ich liebe dich abgöttisch", sagt sie. Angelika W. gab sich als Wilfrieds Schwester aus. Ab Herbst 2013 lebte man zu dritt auf dem Hof in Höxter. Kurz vorher hatte Anika W. Wilfried geheiratet. Da kannten sich die beiden gerade zwei Monate. "Die erste Zeit lief harmonisch", sagt Angelika W., die von den Gewaltausbrüchen ihres Ex-Mannes ohnehin verschont blieb, sobald eine andere Frau im Haus war. "Ich hatte meine Ruhe und habe versucht, Anika anzulernen, ihr zu zeigen, wie Wilfried alles haben wollte." Sie habe nur irgendwann Angst gehabt, Wilfried könne sie aus dem Haus schmeißen. Einmal habe sie abends "bitterlich geweint". Doch er habe sie beruhigt und gesagt, Anika werde ohnehin bald wieder mehr unterwegs sein, weil sie ihren Job als Altenpflegerin wieder aufnehmen werde. "Aber sie ist nie wieder arbeiten gegangen."

Die erste Ohrfeige habe es für Anika gegeben, weil "er unzufrieden mit ihr war". Sie habe einen Spaß nicht mitmachen wollen, da sei er sauer geworden. "Sie hat ihn dann groß angeguckt." So wie Angelika W. immer bei ihrem Mann geblieben ist, obwohl es nichts Schönes gab in dem Leben auf dem Hof, so ist auch Anika geblieben. Wilfried W. war "der Herr und Gebieter", wie Angelika W. sagt.

Nicht mal auf Stromstöße reagiert

Die Rollen des Ex-Paares haben sich aber offenbar verschoben, als die neue Frau einzog. Angelika W. übernahm den Part derjenigen, die die Strafen verteilte. Die gab es, wenn Anika sich nicht so verhielt, wie Wilfried W. sich das wünschte. Wenn sie ihm seinen Tee nicht zur geforderten Zeit servierte oder ihn nicht ansah beim Reden. Oder wenn sie ihm mal versehentlich auf den Fuß trat. "Anika, ich hab's dir doch erklärt", sagte Angelika W. dann zu ihr. Wenn es wieder "eine Unartigkeit gegenüber Wilfried gab" habe sie sich zum Beispiel auf Anikas Brustkorb oder ihren Bauch gekniet, "bis ich eine halbwegs vernünftige Auskunft von ihr gekriegt habe, warum sie sich falsch verhalten hat", sagt Angelika W. "Trampolin" nannte sie diese Methode, Anika weh zu tun. Sie habe einfach nur gewollt, dass die Frau sich an Wilfrieds Regeln halte. "Ich wollte ja, dass sie zusammenbleiben, sonst hätten wir wieder eine Neue suchen müssen." Manchmal habe sich Anika gewehrt, wenn Angelika W. sie verprügelt habe. "Sie hat aber nur sehr selten darum gebettelt, aufzuhören. Sie hatte eine wahnsinnig hohe Schmerzgrenze." Noch nicht mal auf die Stromstöße, die Angelika W. ihr mit einem Elektroschocker verpasst habe, habe sie reagiert. "Ich kann mir das bis heute nicht erklären."

Nackt angekettet in der Badewanne

Dass sie Anika nachts an einer Heizung anketteten, weil sie nicht auf die Toilette gehen sollte, dass sie sie dann zu den Ratten und Mäusen in den Keller brachten, weil es zu laut war, wenn sie sich rührte und die Handschellen an der Heizung klapperten — die Grausamkeiten sind nur eine logische Konsequenz aus dem Fehlverhalten der Frau, wenn man Angelika W.s Argumentation folgt. "Sie hat es ja akzeptiert." Die Schlüssel für die Handschellen trug Angelika W. an ihrem Schlüsselbund. Manchmal habe das Schloss geklemmt. "Es war ja feucht im Keller." Wochenlang waren auch die Füße der inzwischen geschwächten Frau in der Badewanne angekettet, in der sie meistens nackt die Nächte verbringen musste. "Ihre Gelenke waren voller blutiger Krusten." Gefangen habe man sie nicht gehalten. "Tagsüber hätte sie überall hingedurft."

Die Leiche den Schweinen zum Fraß vorwerfen

Am Morgen des 3. August 2014 starb Anika W. Zeugen gibt es dafür nicht — außer Wilfried und Angelika W. Nachdem sie sich in der Nacht von dem Platz vor der Waschmaschine hoch gezogen hatte, machte sie einen kleinen Versuch, wegzulaufen. Angelika W. holte sie im Hof ein. Dort war die nackte Frau gerade wieder zusammengesackt. "Ich zähle jetzt bis drei und du gehst wieder rein", habe sie zu ihr gesagt. Sie habe ihr sogar aufgeholfen. "Als ich meinen Arm weg gezogen habe, ist sie so was von nach hinten geknallt." Mit dem Hinterkopf sei sie auf dem Beton aufgeschlagen. Angelika W. half ihr zurück in die Badewanne. Am nächsten Tag konnte sie nicht mehr alleine aufstehen. Wilfried W. habe ihr auf einen Stuhl geholfen, sei immer wieder hoch gekommen, um nach Rat zu fragen. "Du musst ihr Aspirin geben", habe Angelika W. ihm gesagt. Sie sei genervt gewesen. "Ich wollte endlich in Ruhe meine Wäsche aufhängen."

Die Leiche wollten sie zuerst ihren Schweinen zum Fraß vorzuwerfen, doch das hatten sie schon einmal mit einem toten Huhn versucht. "Das haben sie auch nicht ganz gefressen."

Der Prozess wird in der kommenden Woche fortgesetzt.

(hsr)
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