Tönisvorst Im Haushalt des Herrn

Tönisvorst · Der Beruf der Pfarrhaushälterin ist bedroht, weil viele Pfarrer inzwischen lieber selbst waschen, kochen und bügeln. Dabei legen Studien nahe, dass Geistliche, die nicht allein leben, ausgeglichener sind.

  Gemeinsame Holunderblüten-Ernte: Barbara Loyen und Pfarrer Klaus Stephan Gerndt im Garten des Pfarrhauses St. Cornelius in Tönisvorst.

Gemeinsame Holunderblüten-Ernte: Barbara Loyen und Pfarrer Klaus Stephan Gerndt im Garten des Pfarrhauses St. Cornelius in Tönisvorst.

Foto: Andreas Endermann

Im Pfarrhaus von St. Cornelius in Tönisvorst ist eine Zeit nicht verhandelbar: Um 13.30 Uhr gibt es Mittagessen. Heute hat Barbara Loyen Spargelpizza vorbereitet. Anschließend gibt es Erdbeeren, dann Espresso - und den kocht nicht die Pfarrhaushälterin, sondern Pfarrer Klaus Stephan Gerndt. Der Kaffee ist seine Aufgabe, immer.

Egal, wie stressig der Tag ist und wie viele Termine anstehen: Das gemeinsame Essen ist beiden wichtig. Barbara Loyen probiert am Herd gerne Rezepte aus, der Pfarrer ist aufgeschlossen, wenn etwas Neues auf den Tisch kommt. "Mir war immer klar: Wenn ich mein Priesteramt halbwegs gesund überleben will, brauche ich eine Frau, die für mich kocht", sagt der 57-Jährige. Er genießt nach den Stunden, in denen er mit anderen Menschen während seiner Arbeit in der Krefelder Gemeinschaft der Gemeinden Nordwest geredet hat, die Gespräche mit einem vertrauten Menschen.

Wegen einer Erkrankung musste er die Arbeit in der Gemeinde St. Cornelius aufgeben und engagiert sich nun in Krefeld unter anderem für die erste Grabeskirche der Stadt. Im Pfarrhaus ist er allerdings wohnen geblieben. "Mit Barbara kann ich anders erzählen. Bei ihr kann ich mich als Mensch äußern, ohne darüber nachzudenken, wie meine Worte für die katholische Kirche interpretiert werden könnten." Dann ist er nicht nur der Pfarrer, von dem sich viele einen Rat oder Orientierung erhoffen, sondern Klaus Stephan. Und Barbara Loyen sagt ihm ihre Meinung, gerne auch mal ungefragt. "Sie ist ein wichtiges Korrektiv - und wo soll ein Pfarrer das sonst finden?", fragt Gerndt.

Seit 2009 leben die beiden im Pfarrhaus: Sie teilen sich die Küche und das Wohnzimmer. Dort steht ein Laufgerät, auf dem sie für die anstehende Wallfahrt trainieren. Jeder hat zwei eigene Zimmer und ein eigenes Bad - zwar in einer Wohnung, aber räumlich gut voneinander getrennt. "In der Wohnung hat jeder einen Rückzugsort", betonen die beiden.

Dem Pfarrhaus merkt man an, dass eine Frau dort wohnt. Es stehen Blumen auf dem Tisch, es herrscht eine gemütliche Atmosphäre. Häufig vergleichen die Haushälterin und der Pfarrer die Termine in ihren Kalendern, verabreden sich zum Beispiel zu Spaziergängen. Termine des Krefelder Freiluftkinos haben sie schon fest eingeplant. Sie werden sich den Alzheimer-Film "Honig im Kopf" ansehen und die Komödie "Wir sind die Neuen", in der es um die Probleme einer Wohngemeinschaft geht. Schließlich sind die beiden auch eine WG. "Wir leben beide unser Leben und treffen uns regelmäßig zum Austausch", sagt die 58-Jährige.

Der Dienst der Pfarrhaushälterin ist ein wichtiger Beitrag für die Gesamtkirche, da sind sich Barbara Loyen und Klaus Stephan Gerndt einig. Doch der Berufsstand ist bedroht. Im Bistum Aachen, zu dem Tönisvorst gehört, gibt es drei Pfarrhaushälterinnen unter 65 Jahren - Barbara Loyen ist eine von ihnen. Im Erzbistum Köln haben nur noch 14 Pfarrer eine Haushälterin angestellt, sagt Irmgard Schwermann, Diözesanvorsitzende der Berufsgemeinschaft im Erzbistum.

Ob ein Pfarrer eine Haushälterin beschäftigt, ist seine Entscheidung. Er muss sie selbst bezahlen und ist ihr Arbeitgeber. Das Erzbistum Köln zum Beispiel bezuschusst deren Arbeit mit etwa 65 Prozent der Kosten. Ihr Verdienst (Vollzeit/39 Stunden) liegt bei 1689 Euro brutto. In Zeiten der neuen Bescheidenheit verzichten viele Pfarrer auf eine Haushälterin. Auch der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki erzählte in Interviews, dass er seine Dienstwohnung in Köln verkleinern lasse, auch weil "ich keine Ordensschwestern haben werde, die mir den Haushalt führen". Downsizing ist in, auch in der Kirche.

"Eine Pfarrhaushälterin findet man nicht über eine Annonce"

Selbst wenn sich mehr Pfarrer als jetzt eine Haushälterin wünschen würden, wäre es nicht so leicht, eine zu finden. "Eine Pfarrhaushälterin findet man nicht über eine Annonce", sagt Barbara Loyen. Es ist eine vertrauensvolle Position, die Verschwiegenheit, Organisationstalent, Empathie und einen tiefen Glauben erfordert. "Wenn ich nicht auch glaube, kann ich nicht mit einem Pfarrer leben", stellt sie fest.

Klaus Stephan Gerndt war ein Freund der Familie Loyen. Er war oft bei ihr und ihrem Mann zu Gast, kennt die drei Kinder und hat Loyens Enkel aufwachsen sehen - das sei für Priester eine seltene Erfahrung, sagt er, die er nicht missen möchte. Völlig überraschend starb Barbara Loyens Mann 2008 an einem Aneurysma.

Sechs Wochen später kam die Frage, ob sie sich vorstellen könne, bei Pfarrer Gerndt im Haushalt zu leben. "Das war eine Fügung", sagt sie. Und wenn heute die zwölfjährige Lara für ein Wochenende ihre Oma besucht, dann ist auch Klaus Stephan, so wird er von Loyens Kindern und Enkeln genannt, beim Spieleabend dabei. "Durch Barbara kommen ganz andere Impulse in mein Leben. Es ist reicher geworden", sagt Gerndt.

Der Theologe und Psychologe Wunibald Müller, der Seelsorger in Krisen betreut, sagt, um auf gesunde Weise zölibatär leben zu können, müsse ein Priester eingebunden sein in eine tiefe, bedeutungsvolle menschliche Beziehung. Die Studie "Sorge für die Seelsorgenden" kommt zum Ergebnis, dass Geistliche, die eine der Formen gemeinschaftlichen Wohnens und Lebens pflegen - zum Beispiel in einer Wohngemeinschaft - zufriedener mit ihrer Gesamtsituation sind als allein lebende Priester. Für die Studie hat der Münchner Jesuitenpater Eckhard Frick von 2012 bis 2014 mehr als 8000 katholische Priester, Diakone und Ordensleute nach Zufriedenheit, Stressbewältigung und Gesundheit befragt.

Die Haushälterin macht aus dem Pfarrhaus ein Zuhause

Laut Irmgard Schwermann spielt eine Pfarrhaushälterin auch für die Gemeinde eine wichtige Rolle. Sie macht aus dem Pfarrhaus häufig erst ein Zuhause. "Es ist kein Verwaltungsort, sondern ein wichtiges Haus in der Gemeinde", betont Irmgard Schwermann. "Denn ist man im Pfarrhaus zu Hause, ist man auch in der Gemeinde zu Hause."

Die 51-Jährige führt seit Jahrzehnten Pfarrer Heiner Gather den Haushalt. Die gelernte Einzelhändlerin zog immer mit ihm mit, wenn er eine neue Aufgabe annahm. Ihr "Chef", wie sie ihn nennt, war ein Freund der Familie in Bad Münstereifel. Sie arbeitete bei ihm in Lingen an der Ems, in Oldenburg, Pulheim und nun - seit fünf Jahren - in Aegidienberg in Bad Honnef. Sie wohnt in einer Einliegerwohnung im Pfarrhaus.

Sie schätzt an ihrem Beruf, dass er ihr die gesamte Bandbreite des Menschseins bietet. Sie ist Ansprechpartnerin, Vertrauensperson, wichtige Helferin - "es ist viel mehr, als nur einen Haushalt zu führen". Der Beruf, den Erzbischof Woelki bei einem Treffen mit Pfarrhaushälterinnen als "Dienst der Kirche" bezeichnete, werde mit der Zeit zur Lebensaufgabe. "Das ist mein Ding", sagt sie.

Eine eigene Familie hat sich für sie nicht ergeben. "Vielleicht habe ich dazu nie die Bereitschaft gezeigt." Als sie als junge Frau ihren Dienst beim Pfarrer begann, kamen Gerüchte auf. Irmgard Schwermann hat schnell begriffen, dass die Tratschereien nicht ihr Problem sind, sondern vielmehr das derjenigen, die solch "sündigen Gedanken" nachhängen.

Auch Klaus Stephan Gerndt und Barbara Loyen sind Fragen nach ihrer WG und ihrer Freundschaft gewöhnt. Für die Phantasien der anderen könnten sie nichts, sie versuchen, in Gesprächen ihr Leben zu erklären. "Jeder Mensch darf einen Freund oder eine Freundin haben", sagt Barbara Loyen, "nur ein Priester darf das anscheinend nicht."

(RP)
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