Irische Landfahrer in Düsseldorf Wer sind die Irish Travellers?

Düsseldorf · Auf einmal waren sie da: Dutzende Wohnwagen standen Montagabend auf den Düsseldorfer Rheinwiesen. Aber warum ziehen sie überhaupt durch Deutschland? Wie leben sie? Was wir über die wandernden Iren wissen.

Irische Landfahrer ziehen im Sommer 2017 durch Kevelaer, Neuss und Düsseldorf
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Irish Travellers ziehen im Sommer 2017 durch die Region

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Foto: gerhard berger

Am Montagabend kamen sie mit etwa 80 Wohnwagen über die Oberkasseler Brücke und ließen sich an den Rheinwiesen in Düsseldorf nieder. Eine Nacht durften sie bleiben — am Dienstag mussten weiterziehen.

In Kevelaer hatten sie sich am Wochenende niedergelassen und mit ihren Wohnwagen einen Parkplatz am Hallenbad eingenommen. Vom Niederrhein zogen sie nach Neuss und dann nach Düsseldorf. Doch wer sind die irischen Landarbeiter eigentlich?

  • Woher kommen die irischen Landfahrer?

Die irischen Landfahrer, auch Irish Travellers genannt, sind eine soziokulturelle Gruppe aus Irland, die auch England und den USA lebt. Sie sprechen eine eigene Sprache namens Shelta, die sich aus irisch-gälischen, englischen und romanischen Elementen zusammensetzt. Laut einer Studie der Universität in Dublin leben etwa 36.000 von ihnen in Irland, weitere knapp 4000 in Nordirland.

  • Wie heißen die Landfahrer richtig?

Für die irischen Wanderfahrer gibt es viele unterschiedliche Bezeichnungen: Meist werden sie Pavee genannt, gängig sind auch Itinerant oder Irish Travellers. "Tinker" ist ein englischer Begriff, der jedoch abwertend gemeint ist.

  • Warum sind sie in Deutschland unterwegs?

Das fahrende Volk aus Irland kommt im August häufig nach NRW. Der 15. August (Mariä Himmelfahrt) ist für die strengen Katholiken ein hoher Feiertag, den sie oft im Marienwallfahrtsort Kevelaer begehen wollen.

  • Wie leben die Travellers?

Es gibt nur wenige Studien über die Gruppe — eine Untersuchung des "University College Dublin" aus dem Jahr 2010 beleuchtet das Leben der irischen Wanderer. Die "All Ireland Traveller Health Study" belegt, dass ein Großteil der Mitglieder sich mittlerweile niedergelassen hat: Nur noch 18 Prozent leben demnach in Fahrzeugen, Mobilheimen oder Wohnwagen. Ein Großteil hat dennoch Wohnwagen, mit denen sie auf Reisen gehen.

Der Studie zufolge haben 2700 Travellers keinen Zugang zu fließendem Wasser. Die Lebenserwartung der Pavees ist deutlich geringer als in der allgemeinen irischen Bevölkerung. Männer sterben rund 15 Jahre, Frauen etwa zwölf Jahre früher. Vor allem Atemwegs- und Herzkreislauferkrankungen seien unter den Wanderern verbreitet, ebenso sei die Suizidrate höher als in der sonstigen Bevölkerung.

  • Welchen Status haben die Landfahrer?

Wie Sinti und Roma sind auch die irischen Reisenden in der Antiziganismus-Forschung als Opfer anerkannt. Herbert Heuß, wissenschaftlicher Leiter beim Zentralrat Deutscher Sinti und Roma, kennt die Wanderer, die meist in Gruppen von etwa drei Großfamilien unterwegs sind. In Irland gehören sie zu einer der ausgeschlossensten Gruppen der Gesellschaft.

  • Wie verdienen Sie ihr Geld?

Nach der Studie der Universität Dublin sind 84 Prozent arbeitslos. Wie sie sich ihre zum Teil luxuriösen Autos finanzieren, ist nicht ganz klar. Laut Herbert Heuß sind die Reisen der Travellers aber auch geschäftlicher Natur: So ziehen auch eigentlich sesshaft gewordene Mitglieder umher und bieten verschiedene Dienstleistungen wie das Asphaltieren von privaten Straßen oder Grundstücken an.

  • Gehen die Kinder zur Schule?

55 Prozent der Pavees-Kinder verlassen laut der Studie die Schule vor ihrem 15. Lebensjahr, nur ein Prozent erreicht einen akademischen Abschluss. In Irland gibt es keine Schulpflicht, sondern eine Unterrichtspflicht. Es steht den Eltern also frei, ihre Kinder zu Hause unterrichten zu lassen.

  • Wie geht die irische Regierung mit den Pavees um?

Die irische Regierung versucht schon lange, die Reisenden mit speziellen Programmen zur Sesshaftigkeit zu bewegen. Für niederlassungswillige Mitglieder wurden bereits einige Siedlungen errichtet — viele liegen jedoch abgelegen am Stadtrand. Als Hochburg der sesshaften Travellers gilt ein Randgebiet von Limerick.

Mit einem Gesetz namens "trespass law" will die Regierung verhindern, dass die Pavees ohne festen Stellplatz weiter durch Irland tingeln und in Wohnwagen am Straßenrand nächtigen: Parken sie ihre mobilen Heime länger als 24 Stunden auf privaten oder öffentlichen Plätzen, müssen sie bis zu 3000 Euro Strafe zahlen oder sogar ins Gefängnis.

  • Haben sie Gemeinsamkeiten mit Sinti und Roma?

Kulturell, historisch und sprachlich haben die irischen Wanderer laut Herbert Heuß keine Verbindungen zu den Sinti und Roma — häufig werden sie aber in einem Atemzug genannt und verwechselt.

(veke)
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