Saleh A. lebte in Kaarst Kochen, Kiffen, Terror planen

Kaarst · Mehrere Monate lang lebte der mutmaßliche Terror-Drahtzieher Saleh A. in einem Kaarster Heim. Mitbewohner beschreiben ihn als hochemotionalen Menschen mit Sport-Faible. Oft sei er nach Düsseldorf oder Mönchengladbach gefahren. Eine Spurensuche.

 In dem Asylheim in Kaarst-Vorst leben aktuell 54 junge Männer. Saleh A. wohnte in Zimmer sieben.

In dem Asylheim in Kaarst-Vorst leben aktuell 54 junge Männer. Saleh A. wohnte in Zimmer sieben.

Foto: Lothar Berns

Es ist laut in den schmalen, dunklen Gängen des Flüchtlingsheims am Bäumchensweg in Kaarst. Junge Männer feixen und rauchen, gehen ein und aus. Musik dröhnt aus den Zimmern, es riecht nach Marihuana. Ein Syrer in Jeans und Teddyfell-Jacke lehnt an der Wand und erinnert sich an seinen Bekannten Saleh A., mit dem er monatelang Tür an Tür lebte. Jener Saleh A., der in Verdacht steht, Drahtzieher der geplanten Terroranschläge in der Düsseldorfer Altstadt zu sein. Warum er vor rund vier Monaten plötzlich seine Zelte im Kaarster Stadtteil Vorst abbrach und sich Hals über Kopf auf den Weg nach Belgien machte? Schulterzucken.

Hang zu Alkohol und Marihuana

"Er war ein toller Koch", sagt der junge Mann. Häufig hätten sie gemeinsam am Herd gestanden. Gut integriert in die Hausgemeinschaft soll der Syrer gewesen sein. Seinen Hang zu Alkohol und Marihuana, den er täglich ausgelebt haben soll, betonen gleich zwei Bewohner des Flüchtlingsheimes, das seit 1965 existiert und in dem aktuell 54 junge Männer leben. In jedem 36-Quadratmeter-Zimmer sind sechs bis acht Personen untergebracht. Saleh A., der der Stadt Kaarst mit Bescheid der Bezirksregierung Arnsberg vom 19. März vergangenen Jahres zugewiesen wurde, wohnte in Zimmer Nummer sieben. Eingezogen ist er laut Meldebescheinigung eine Woche später.

Saleh A. sei ein sehr emotionaler Mensch, erzählt einer seiner Mitbewohner. Häufig habe er von seiner kleinen Tochter geschwärmt, die gemeinsam mit ihrer Mutter in Syrien lebe. Während seiner Erzählungen habe er oftmals angefangen zu weinen. "Es war sein größter Wunsch, seine Familie nach Deutschland zu holen. Er hat alles versucht, um das möglich zu machen", sagt der junge Mann. Als großen Fußballfan beschreibt er Saleh A. Beim gemeinsamen Training habe der kleingewachsene Syrer zudem seine eigenen Fähigkeiten am Ball unter Beweis gestellt. "Richtig gut" soll er kicken können. Sein Herz schlage für den katalanischen Spitzenverein FC Barcelona.

Fan des FC Barcelona

Dass sein Zimmerpartner Verbindungen zur Terror-Organisation "Islamischer Staat" (IS) haben soll, hat den Syrer laut eigener Aussage völlig überrascht. Es habe keinerlei Anzeichen gegeben, dass Saleh A. Extremist sein könnte. Zweimal sei die Polizei jedoch angerückt, um das Zimmer zu durchsuchen und die persönlichen Gegenstände des jungen Mannes, der aktuell in Frankreich in Untersuchungshaft sitzt, mitzunehmen. Spuren sind noch sichtbar. Zudem soll der 28-Jährige sehr oft nach Düsseldorf und Mönchengladbach gefahren sein.

Nach Informationen der französischen Tageszeitung "Le Monde" und des TV-Senders i-Télé aus Pariser Justizkreisen hat sich Saleh A. am 1. Februar 2016 spontan den französischen Behörden gestellt. Demnach meldete sich der junge Mann morgens um 9.30 Uhr im Zentralkommissariat des Stadtviertels "La Goutte d'Or" im 18. Arrondissement. Saleh kam unbewaffnet und gab gegenüber den Beamten an, er sei von der Terrororganisation IS beauftragt worden, ein Attentat in Europa zu organisieren. Sein Alter wird von den französischen Quellen, anders als in den Mitteilungen des Generalbundesanwalts, nicht mit 25, sondern mit 28 Jahren angegeben.

Rechnete "jeden Augenblick mit Befehl"

Saleh A. habe behauptet, gemeinsam mit einem gewissen Hamza C. an der Spitze einer Schläferzelle des IS zu stehen, deren etwa 20 Mitglieder sich zwischen dem Raum Düsseldorf und einem Flüchtlingslager im niederländischen Nimwegen aufhielten. Saleh habe ferner angegeben, dass er in jedem Augenblick mit dem Einsatzbefehl von Abu Doujana Al-Tunisi rechne, der für den IS die Aktivitäten der ausländischen Dschihadisten koordiniere. Der Anschlag in Düsseldorf hätte dann innerhalb von 24 Stunden erfolgen sollen. Saleh wurde daraufhin sofort von der Anti-Terror-Abteilung der französischen Polizei in Gewahrsam genommen.

Die Schilderungen von Saleh A. erwiesen sich als teilweise unschlüssig, waren für die französischen Ermittler aber immerhin so konkret, dass sie am 2. Februar die deutschen und die niederländischen Sicherheitsbehörden informierten. Am 6. Februar wurde gegen Saleh A. in Paris ein offizielles Ermittlungsverfahren eröffnet, er kam in Untersuchungshaft. Davon offenbar überrascht, habe er im weiteren Verlauf der Verhöre versucht, seine Rolle bei den geplanten Anschlägen herunterzuspielen, hieß es aus französischen Justizkreisen.

Die Ermittler rekonstruierten nach Salehs Aussagen seinen Weg bis nach Paris. Zwischen November 2009 und Juli 2011 habe Saleh wegen Beleidigung von Syriens Präsident Baschar al Assad im Gefängnis gesessen. Dann sei er im Rahmen einer Amnestie freigekommen, bei der Assad im Sommer 2011 zahlreiche Islamisten freiließ. Er habe sich zunächst der Freien Syrischen Armee (FSA) angeschlossen, einer nicht-islamistischen Rebellengruppe. Angesichts von deren Schwäche sei er aber im August 2012 zur Al-Kaida-nahen Al-Nusra-Front gewechselt und schließlich Ende 2013 zum IS. Die genauen Umstände von Salehs Seitenwechsel bleiben aber unklar.

Nach Recherchen von Jean-Michel Décugis vom Sender i-télé soll der Syrer bereits in seiner Zeit als Angehöriger der FSA von IS-Kämpfern gefangen genommen worden sein und nach mehrmonatiger Inhaftierung schließlich eingewilligt haben, für die Organisation tätig zu werden. Ursprünglich sei er vor allem deswegen nach Europa geschickt worden, um in Rom die Übergabe eines Videos für 10.000 Dollar an einen Mittelsmann des Vatikans auszuhandeln. Der Film sei ein Beweis dafür gewesen, dass der im Juli 2013 vom IS im syrischen Rakka gekidnappte italienische Priester Paolo Dall'Oglio noch am Leben sei. Hamza C. habe ihn nach Rom begleiten wollen. Sein Landsmann habe insgeheim gehofft, im Gegenzug für die Übergabe des Videos in Italien möglicherweise politisches Asyl erhalten zu können, führte Saleh aus.

Geld in Paris abgeholt

Der Syrer gab im Verhör an, dass er selbst nur nach Paris gekommen war, um dort in einem Friseursalon einen Umschlag mit Geld für die Reise nach Rom abzuholen. Ein Eintrag in Salehs Namen auf der Internetseite einer Mitfahrzentrale belegt demnach seine Fahrt nach Paris am 30. Januar 2016. Aber Saleh A. fand den Umschlag nicht vor und habe daraufhin beschlossen, nicht nur das Rom-Projekt abzublasen, sondern sich auch den Behörden zu stellen. Er sei "müde" nach monatelangem Herumirren zwischen Flüchtlingslagern, habe er laut "Le Monde" den französischen Polizisten zur Begründung gesagt.

Die "Süddeutsche Zeitung" nennt einen anderen Grund für sein plötzliches Auspacken: Den Syrer habe die Reue gepackt. Er wolle nicht, dass seine Tochter einen Terroristen zum Vater habe.

(RP)
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