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Kritik von Tierschützern Vorwurf der Tierquälerei — jetzt wehren sich die Schweinebauern

Kempen · Die konventionelle Schweinemast steht in der Kritik. Tierschützer behaupten, sie sei Tierquälerei. Die Landwirte weisen das entschieden zurück. Der Branche geht es nicht gut. Viele Höfe mussten in den vergangenen Jahren aufgeben.

Schweinebauer Axel Boves (l.) und sein Vater Heinz-Jürgen Boves mästen insgesamt etwa 2000 Schweine in ihrem Betrieb in Kempen.

Schweinebauer Axel Boves (l.) und sein Vater Heinz-Jürgen Boves mästen insgesamt etwa 2000 Schweine in ihrem Betrieb in Kempen.

Foto: Reichwein

Im Schweinestall von Axel Boves in Kempen ist immer etwas zu tun. Um 2000 Tiere muss sich der 38-Jährige kümmern. "Etwa drei- bis viermal am Tag werden sie gefüttert", sagt der Schweinebauer. "Dann kontrollieren wir täglich mehrfach Gesundheit und Fressverhalten der Tiere. Und der Stall muss natürlich immer sauber gehalten werden."

Tierschützer stellen Anzeige gegen Ministerin

Der Betrieb ist seit vier Generationen in Familienhand. Axel Boves hat ihn von seinem Vater Heinz-Jürgen übernommen. Sein älterer Bruder Jörg betreibt auf dem Familienhof noch eine Ferkelzucht. Wenn diese nach etwa zehn Wochen zwischen 28 bis 30 Kilogramm schwer sind, werden sie an auswärtige Mastbetriebe abgegeben, sagt Boves. "Früher hat mein Bruder sie auch mir gegeben. Aber das machen wir nicht mehr."

Die neue nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking (CDU). (Archiv)

Die neue nordrhein-westfälische Landwirtschaftsministerin Christina Schulze Föcking (CDU). (Archiv)

Foto: dpa, ve sab

Die Staatsanwaltschaft Münster prüft seitdem, ob ein Anfangsverdacht für einen Verstoß gegen das Tierschutzgesetz vorliegt. Die Ministerin sieht den Ermittlungsergebnissen gelassen entgegen: "Ich liebe meinen Job. Das ist meine Arbeit, und die gehe ich mit vollem Herzen an", sagte sie am Dienstag. An Rücktritt denke sie nicht.

Streit um artgerechte Haltung

Laut CDU-Generalsekretär Josef Hovenjürgen sind die Bilder entstanden, lange bevor sie veröffentlicht wurden. "Dass die Aufnahmen zurückgehalten wurden, bis Frau Schulze Föcking Ministerin wurde, zeigt, dass das Ziel dieser Aktion nicht der Tierschutz war, sondern dass es darum ging, Frau Schulze Föcking zu diskreditieren", sagte er.

Abgesehen von diesem Fall seien die Haltungsbedingungen, behauptet der Tierschutzbund, nicht artgerecht. Demnach widersprechen sie dem Tierschutzgesetz, demzufolge ein Tier seinen Bedürfnissen entsprechend verhaltensgerecht untergebracht werden müsse. "Millionen deutscher Mastschweine vegetieren in engen, reizarmen Ställen bewegungslos dahin", heißt es beim Tierschutzbund. Die Umweltorganisation Greenpeace kommt in einem Gutachten zu dem Schluss, dass industrielle Schweinehaltung in Deutschland gesetzeswidrig sei.

Wer soll das bezahlen?

Mit diesen Vorwürfen werden die Schweinezüchter seit Jahren konfrontiert. "Wir sagen nicht, dass wir alles richtig machen. Wir machen aber auch nicht alles falsch - schon gar nicht so viel, wie uns vorgeworfen wird", sagt Wilhelm Hellmanns, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Geldern, der auf seinem Hof Schweine hält, Kartoffeln und Industriegemüse anbaut.

"Man kann über alles diskutieren. Ob zum Beispiel das Platzangebot für die Tiere ausreicht oder nicht. Aber was nicht geht, ist das, was gerade wieder passiert: dass nämlich alles verteufelt wird von einer sehr kleinen Gruppe am Rand der Gesellschaft", betont Hellmanns. Wenn man ernsthaft über mögliche Verbesserungen diskutieren wolle, müsse man gleichzeitig auch die Frage beantworten: Wer soll das bezahlen?

"Das stimmt mich sehr traurig"

In Nordrhein-Westfalen sind fast alle Schweinebetriebe in Familienhand - anders als in vielen anderen Staaten, wo längst Großkonzerne die Schweinemast übernommen haben. Seit Jahren schließen aber immer mehr regionale Höfe. Laut Kreisbauernschaft hat sich die Anzahl der Schweinezüchter in NRW in den vergangenen 20 Jahren halbiert - von 15.000 auf etwa 7400. Die Tendenz sei weiter sinkend. Dafür seien vor allem wirtschaftliche Gründe verantwortlich, sagt Hellmanns. "Das stimmt mich sehr traurig."

Die meisten Schweinebauern in NRW haben in den vergangenen Jahren viel Geld in die Erneuerungen ihrer Betriebe investiert - und sich dadurch zum Teil auch verschuldet. Um Transparenz zu zeigen und den Kritikern entgegenzuwirken, öffnen viele Landwirte ihre Höfe für die Verbraucher. "Wir halten nichts geheim, legen alles offen, führen jeden, der sich dafür interessiert, in unseren Betrieben herum", so der Kreisbauernvorsitzende, der jedoch etwas resigniert sagt, dass man machen könne, was man wolle, und dennoch immer wieder Kritik einstecken müsse. Er ärgert sich auch über das Klischee, wonach konventionelle Schweinemäster ihre Tiere vorsorglich mit Antibiotika vollpumpen würden. Das stimme einfach nicht, sagt er.

Schwanz- und Ohrenbisse auch am Biohof

Viele Schweinezüchter nehmen an der Initiative Tierwohl von Fleischwirtschaft und Handel teil. Bei der Aktion bekommen Landwirte Extrageld für bessere Haltungsbedingungen. Dazu gehören etwa mehr Platz und mehr Tageslicht. Das Geld kommt aus einem Fonds, in den Handelsketten einzahlen. Ab 2018 sollen es 6,25 Cent statt der bisherigen vier Cent pro verkauftem Kilo Schweinefleisch sein. Aber immer wieder klagen Bauern, dass das Geld nicht bei ihnen ankäme.

Neben der konventionellen Schweinehaltung gibt es auch noch die ökologische. Die Tierhaltung auf diesen Betrieben ist laut Fachverband Ölkolandbau NRW flächengebunden. So dürfen zum Beispiel auf einem Öko-Hof pro Hektar Nutzfläche maximal 14 Mastschweine gehalten werden. Das Futter für die Tiere stammt überwiegend vom eigenen Hof oder von kooperierenden Bio-Höfen. Auf die tiergerechte Haltung wird besonders viel Wert gelegt. So sind dem Verband zufolge Ställe und Ausläufe der Tiere großzügig bemessen.

Aber selbst auf den Bio-Höfen kämen Schwanz- und Ohrenbisse bei den Schweinen - wie im Familienbetrieb Schulze Föcking - vor, meint Axel Boves. "Damit hat jeder Schweinemastbetrieb zu kämpfen", sagt der Landwirt. Was die Bisse bei den Tieren auslöst, könne bislang niemand sagen. Das werde noch wissenschaftlich untersucht. "Fest steht nur, dass dafür eine Kombination aus mehreren Faktoren verantwortlich ist. Mit Tierquälerei hat das aber nichts zu tun", betont Boves.

(csh)
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