Häftling entkam mit Lieferwagen JVA Heinsberg - lasche Kontrolle ermöglichte Flucht

Düsseldorf · Ein Häftling hechtet unter einen Lieferwagen und flüchtet in die Freiheit. Der Minister ärgert sich über eine Kette des Kontrollversagens - zumal der Entwichene auf der Flucht erneut zugeschlagen haben soll.

Schlendrian an mehreren Stellen hat laut einem Bericht des nordrhein-westfälischen Justizministeriums die Flucht eines 22-jährigen Häftlings aus der Justizvollzugsanstalt Heinsberg ermöglicht.

Dem jungen Gefangenen war es gelungen, am 6. Mai eingeklemmt unter einem Lieferwagen aus dem Gefängnis zu entkommen. An diesem Mittwoch arbeitet der Rechtsausschuss des Düsseldorfer Landtags den Vorfall auf.

Sowohl im Arbeitsbetrieb der Haftanstalt, wo der Wagen vorgefahren war, als auch an der Gefängnispforte sei nicht ordnungsgemäß kontrolliert worden, bilanziert NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) in seinem Bericht. Dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen wegen möglichen Fehlverhaltens der Bediensteten würden überprüft.

Der Häftling, der wegen des Verdachts schwerer räuberischer Erpressung in mehreren Fällen in der JVA in Untersuchungshaft saß, hatte nach seiner Ergreifung vier Tage später berichtet, er habe die "Gunst der Stunde" genutzt. Der Leiter des Metall- und Kunststoffbetriebs der JVA habe an dem Morgen angekündigt, dass die Gefangenen Ware von einem Lieferwagen entgegennehmen sollten.

"Der Gefangene gab an, dass er sich über diesen Hinweis innerlich gefreut habe, da ihm schon vorher bewusst gewesen sei, dass ein Lkw für ihn die einzige Möglichkeit darstellen könne, um unversehrt aus der Anstalt heraus zu kommen", schildert der Justizminister in seiner Vorlage. Als der Pritschenwagen vorfuhr, sei der Häftling kopfüber unter das Auto gesprungen und habe sich, eingeklemmt zwischen Stangen neben dem Ersatzrad, "nicht großartig festhalten müssen".

Mehrere augenscheinliche Dienstpflichtverstöße hätten die "Trickentweichung" dann begünstigt: So habe der Werkbeamte seine acht Gefangenen bei dem Ladevorgang nicht ausreichend beaufsichtigt und zu spät auf Vollständigkeit gezählt.

An der Pforte habe der Bedienstete das Auto passieren lassen, ohne vorschriftsgemäß das Ergebnis der Zählung abzuwarten. Zudem habe er - ebenfalls regelwidrig - nur den einsehbaren Fahrerraum und die offene Ladefläche kontrolliert.

An einer roten Ampel war der Häftling dann aus seiner Sandwich-Position unter dem Auto hervorgeklettert und geflüchtet. Nun stehe der Mann im Verdacht, einen Tag vor seiner Ergreifung in Eschweiler eine weitere räuberische Erpressung verübt zu haben, berichtet Kutschaty. In einem Supermarkt soll er mit einer Machete etwa 600 Euro erbeutet haben.

Es sei aber nicht möglich, alle Gefängnisse mit Herzschlag-Detektoren auszustatten, um Flüchtende aufzuspüren, stellt der Minister fest. Mit den 70 000 Euro teuren Geräten seien bislang erst fünf Anstalten ausgerüstet worden, die durch einen umfangreichen Warenumschlag besonders fluchtgefährdet seien.

(lnw)
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