Übergriffe auf Frauen Kampfsport in NRW boomt nach Silvesternacht

Düsseldorf · Nach den Ereignissen in Köln ist das Interesse an Kampfsport-Training und Selbstverteidigungskursen groß. So groß, dass der Landessportbund NRW und der Deutsche Karate-Verband ihre Angebote für Vereine ausbauen.

Seit den Übergriffen in der Kölner Silvesternacht steigt das Bedürfnis, sich verteidigen zu können. "Die Nachfrage nach Selbstverteidigungskursen ist groß", sagt Frank-Michael Rall vom Landessportbund NRW (LSB). So groß, dass Klubs, die Kampfsportarten anbieten, Hilfe bei den Verbänden suchen. Sie fragen nach Fortbildungen für ihre Trainer, um die Nachfrage bedienen zu können. Künftig will der LSB eine Trainerausbildung "Selbstbehauptung und Selbstverteidigung" auch für Männer ermöglichen. Seit 1998 gibt es diesen Kurs für Frauen und Mädchen.

Nach den Anschlägen von Paris, den Ereignissen um das abgesagte Fußball-Länderspiel in Hannover und den Vorfällen in Köln herrscht Verunsicherung. Pfefferspray zählt beim Online-Versandhändler Amazon zu den Bestsellern. "Bestellen Sie gleich für die ganze Familie!", steht in der Produktbeschreibung. Die Zahl der Kleinen Waffenscheine stieg von Ende November bis Ende Januar um 21.000 auf deutschlandweit 301.000: Die Menschen rüsten mit frei erhältlichen Abwehrwaffen wie Pfefferspray, Elektroschockern und Schreckschusspistolen auf.

"Karate bekommt mehr Zulauf, vor allem nach den Ereignissen in Köln"

Es gebe zwar keine landesweiten Zahlen, aber der LSB bemerkt ein sprunghaft gestiegenes Interesse an Kampfsportkursen. Die Geschäftsführerin des Deutschen Karate-Verbandes (DKV), Gundi Günther, registriert das ebenfalls: "Karate bekommt mehr Zulauf, vor allem nach den Ereignissen in Köln", sagt sie. Im Mai wird der DKV sein Angebot ebenfalls um eine spezielle Fortbildung erweitern. "Die Trainer der Klubs sollen gezielt in der Selbstbehauptung geschult werden, bei der es vor allem um ein sicheres Auftreten geht", sagt Willm Wöllgens vom DKV. "Einige Menschen fühlen sich anscheinend bedroht. Sie klopfen an die Türen der Karate-Vereine. Und die melden sich dann bei uns."

Übergriffe in Köln: Was wir wissen – was wir nicht wissen
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Foto: dpa, obe kno

Andrej Ovchinnikov, Vorsitzender des Düsseldorfer Karatevereins "Sakura-Kai", stößt mit seinem Klub bereits an Grenzen. "Bei uns melden sich ungewöhnlich viele Menschen zu einem Probetraining an, auch die Zahl neuer Mitglieder ist stark gestiegen." Frauen und Mädchen fragen nach Kursen zur Selbstverteidigung, zudem würden viele Kinder von ihren Eltern gebracht, "damit sie sich im Notfall zu helfen wissen", sagt Ovchinnikov. Sein Problem sind jedoch die Hallenzeiten. Die Sportstätten seien belegt, daher sei es "schwierig, das Angebot auszubauen".

"Um die Techniken wirklich zu beherrschen, braucht es viel Zeit"

Auch das Neusser Trainingscenter für Wing Tsun hat eine Welle an Neu-Mitgliedern erreicht. "Im Januar melden sich immer mehr Leute an, die ihre guten Vorsätze für das neue Jahr in die Tat umsetzen wollen, aber so viele wie jetzt waren es noch nie", sagt Leiter Stefan Fiege. "Wir haben insgesamt 20 Prozent mehr Zulauf, in den Selbstverteidigungskursen für Frauen sogar 80 bis 100 Prozent." Das Trainingscenter bietet 2016 schon den fünften Selbstverteidigungskurs an. "So viele gab es bei uns im gesamten Jahr 2015 nicht", sagt Fiege.

In der Judo-Sportschule Düsseldorf ist es ähnlich: Am vergangenen Wochenende nahmen 35 Frauen an einem Kursus zur Selbstbehauptung teil. Für einen weiteren gibt es 20 Anmeldungen. "Die Kurse dienen dazu, Menschen zu zeigen, wie man sich mit einfachen Mitteln zur Wehr setzen kann", sagt Trainer Reinhard Nicolaus. Er betont aber: "Um die Techniken wirklich zu beherrschen, braucht es viel Zeit."

(RP)
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