Kegeln in NRW Darum droht dem einstigen Volkssport das Aus

Düsseldorf · Einst war Kegeln ein Volkssport. Tausende mieteten zum Spaß nach der Arbeit eine Bahn oder kegelten in einem Club. Mittlerweile befürchten die Vereine, dass irgendwann "das Licht ausgeht".

 Eine Kugel rollt in einem Kegelsport-Centrum auf die Kegel zu (Symbolbild).

Eine Kugel rollt in einem Kegelsport-Centrum auf die Kegel zu (Symbolbild).

Foto: dpa, spf fpt

Wilfried Rickert (70) kann sich noch an die Zeit erinnern, als der gesellige Abend auf der Kegelbahn für viele Deutsche zum festen Freizeitprogramm gehörte. Damals sei es schwer gewesen, eine freie Kegelbahn zu bekommen, sagt der Vorsitzende des Westdeutschen Kegel- und Bowlingverbandes (WKV). Wer mit Kollegen oder Freunden kegeln wollte, habe sich oft Wochen im Voraus um die Reservierung der Bahnen kümmern müssen. Aber damals, vor etwa 30 Jahren, hätten die Kegelvereine in Nordrhein-Westfalen auch noch mehr als 11.000 Mitglieder gehabt. Heute seien es dagegen nur noch rund 2500, und die meisten von ihnen seien über 50 Jahre alt. "Das ist schon dramatisch", sagt Rickert.

Freizeitforscher Rainer Hartmann erklärt die Entwicklung mit dem Ende eines Trends. "Es hat auch etwas mit Zeitgeist zu tun", sagt der Professor von der Hochschule Bremen. In den 70er-Jahren sei Kegeln eine beliebte Möglichkeit gewesen, Sport und Geselligkeit zu verbinden. Aber inzwischen seien viele Gaststätten mit Kegelbahnen in die Jahre gekommen, Globalisierung und Digitalisierung hätten die Welt und die Ansprüche der Menschen verändert. "Wenn man Kegeln wieder hip machen wollte, müsste man es modernisieren und bräuchte andere Räume."

"Wir sind ein sehr konservativer Sport"

Hartmann sieht zwar noch Chancen für die Sportart. Aber er betont, dass Vereine bereit sein sollten, sich zu verändern. "Sportvereine müssen flexibel sein in ihrem Angebot und sich dem Zeitgeist und den Trends anpassen." Der Präsident des Deutschen Kegler- und Bowlingbundes sieht genau darin das Problem. "Wir sind ein sehr konservativer Sport. Veränderungsprozesse sind im Kegelsport relativ schlecht durchzusetzen", sagt Uwe Oldenburg. Mit Blick auf die vielen älteren Kegler, die alles so lassen wollten, wie es schon immer war, sagt er: "Der Kegelsport ist in meinen Augen ein wenig zu sehr auf Tradition ausgelegt. Man sollte auch mal ein bisschen an die Zukunft denken."

Sie hätten schon versucht, den Sport attraktiver zu machen, sagt Rickert. Früher sei ein Wettkampf über 200 Würfe gegangen, heute gebe es schon nach 120 Würfen eine Entscheidung. Ein Spiel dauere aber immer noch etwa drei Stunden. Das sei vielen zu lang, glaubt Rickert. Sie hätten auch schon in Schulen für ihren Sport geworben, sagt Manfred Kamps (66) von der Sportgemeinschaft (SG) Düsseldorfer Kegler. Danach seien zwar auch einige Kinder und Jugendliche zum Training gekommen. Aber sie seien nicht lange dabei geblieben.

"Kegeln wird oft mit der Kneipe verbunden"

Woran liegt es? Viele Menschen hätten ein falsches Bild vom Kegeln, glauben die Kegler. Es sei ein mitreißender Sport, versichert Rickert. "Wenn alle Neune fallen, dann ist was los auf der Bahn, dann sind alle aus dem Häuschen." Und wer glaube, dass Kegeln einen nicht fordere, der irre sich. "Sie haben nachher Muskelkater", sagt Kamps. "Als Rechtshänder spüren Sie den Muskelkater am nächsten Tag im linken Oberschenkel und im rechten Gesäßmuskel."

Kegeln werde aber nicht als Sport wahrgenommen. "Es wird oft mit der Kneipe verbunden", sagt Kamps. Vor allem Eltern glaubten, "dass ihre Kinder in eine Gaststätte gehen müssen, um zu kegeln", ergänzt Rickert. Aber das stimme nicht. Die Düsseldorfer Kegler trainieren zum Beispiel im Kegelsportzentrum in Grafenberg. Es sei zwar ein geselliger Sport. "Bei uns gibt es zwar auch mal ein Bier, aber erst nach dem Training oder dem Wettkampf - genauso wie bei anderen Sportarten", sagt Kamps.

Trotzdem klingt Rickert wenig optimistisch. Wenn es so weitergehe, "wird irgendwann das Licht ausgemacht". "Die Lage ist ernst", sagt auch Horst Hülfert, Vorstand des traditionsreichen Kölner Sportkegelvereins TPSK 1925. Dessen Mitgliederzahl ist innerhalb von 30 Jahren von 200 auf 20 gesunken. Mit 78 Jahren hat sich Hülfert bereit erklärt, den Vorstand zu übernehmen. Dabei würde er die Geschäfte lieber in die Hände von Jüngeren geben. Die seien aber schlichtweg nicht da, wodurch es immer schwieriger werde, junge Menschen für das Kegeln zu begeistern, befürchtet auch Kamps. "Wenn sie zum Training kommen und so viele Alte sehen, fragen die sich doch: Was sollen wir hier?"

(wer)
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