Kirchensterben in NRW Wenn ein Gotteshaus geschlossen wird

In NRW gibt es kaum eine Stadt, in der in den vergangenen Jahren nicht mindestens eine Kirche geschlossen wurde. Wir waren in einer Gemeinde in Duisburg, deren Gotteshaus bald schließen wird, zu Besuch.

 Pfarrerin Monika Gebhardt (l.) und Heidi Kloppert, Presbyteriums-Vorsitzende der Evangelischen Kirchengemeinde Duisburg-Meiderich, werden nach der Schließung ihrer Kirche die Gemeindearbeit fortsetzen.

Pfarrerin Monika Gebhardt (l.) und Heidi Kloppert, Presbyteriums-Vorsitzende der Evangelischen Kirchengemeinde Duisburg-Meiderich, werden nach der Schließung ihrer Kirche die Gemeindearbeit fortsetzen.

Foto: Christoph Reichwein

Heidi Kloppert sagt es schweren Herzens, aber es sei nun mal beschlossene Sache. "Unsere Kirche wird im Sommer geschlossen." Und das still und fast unbemerkt. Einwände gegen die Entscheidung hat es so gut wie keine gegeben. Nicht auf den Gemeindeversammlungen. Und auch nicht in der Öffentlichkeit.

Natürlich sei man über die Entwidmung sehr traurig, sagt Kloppert, die dem Presbyterium der betroffenen Evangelischen Kirchengemeinde Duisburg-Meiderich vorsitzt. "Aber die Kirchenschließung ist kein Abschied aus der gemeindlichen Arbeit", betont sie. "Wir machen weiter. Nur anders und ohne Kirche. Man muss sich arrangieren."

Die Kirche an der Metzer Straße

Das Gotteshaus, von dem sie spricht und das am 8. Juli entwidmet werden soll, steht in Duisburg-Untermeiderich. Einen Namen hat das Gebäude nicht, das Ende des 19. Jahrhunderts errichtet worden ist. Man nennt es nur die Kirche an der Metzer Straße. Viele Gotteshäuser haben im Duisburger Norden in den vergangenen Jahren schließen müssen.

Der Bevölkerungsrückgang habe das unumgänglich gemacht, heißt es bei den Verantwortlichen. Darin sind sich Katholiken und Protestanten einig. Und auch darin, dass das natürlich schade sei. Gerade in diesen strukturschwachen Gegenden des Ruhrgebiets, in denen viele Menschen arbeitslos sind und der Migrationsanteil sehr hoch ist - ebenso wie die Akzeptanz für gesellschaftliche Vielfalt.

Wenn es um Schließungen von Gotteshäusern geht, hält man konfessionsübergreifend zusammen. Wie vor sechs Jahren, als Christen und Muslime Seite an Seite vergeblich für den Erhalt von St. Barbara gekämpft haben, einer katholischen Kirche in Duisburg-Hamborn. Darunter viele Mitglieder der Ditib-Gemeinde, die die Moschee im Norden der Stadt betreibt, das sogenannte "Wunder von Marxloh", neun Autominuten von der Kirche an der Metzer Straße entfernt.

"Gemeindefusionen" an vielen Orten

Kirchen wie die in Untermeiderich gibt es viele in NRW. Oder hat es gegeben. Seit dem Jahr 2000 sind landesweit Hunderte geschlossen worden, in der Regel aus Kostengründen. Es gibt kaum eine Stadt in NRW, in der in den vergangenen Jahren nicht mindestens eine Kirche zugemacht hat. In Düsseldorf sind es zum Beispiel 2017 im Zuge von Gemeindefusionen drei Gotteshäuser gewesen.

Anfang des Jahrtausends, als es mit der großen Schließungswelle losging, ist der Protest in den betroffenen Gemeinden fast überall groß gewesen. Es gab Demonstrationen, Kundgebungen, Briefe mit Unterschriftenlisten an die zuständigen Kirchenoberhäupter. Mit der Zeit aber hat das nachgelassen. Die Proteste sind deutlich leiser geworden. Und weniger. Man scheint sich vielerorts damit abgefunden zu haben, dass Kirchen geschlossen werden müssen. Meist sei das Verständnis in den Gemeinden, die Gottesdienststätten aufgeben müssen, recht groß, sagt Peter Iven, Sprecher der Evangelischen Kirche im Rheinland.

Die vielen Schließungen hängen für ihn auch mit den Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs zusammen. Nach Kriegsende sei die Zahl der Kirchenmitglieder in der rheinischen Kirche zwischen Niederrhein und Saarland, den Benelux-Grenzen und dem Bergischen Land durch den massenweisen Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen massiv gestiegen. Für diesen wachsenden Bedarf seien Kirchen und Gemeindehäuser gebaut worden - vermutlich mehr als seit der Reformation bis dahin. "Ende der 1960er Jahre hatte die Evangelische Kirche im Rheinland fast vier Millionen Mitglieder", sagt Iven. "Heute sind es 2,54 Millionen."

Abrisse sollen vermieden werden

Dass das Kirchensterben weitergehen wird, gilt als gesichert. Nur wie schnell und wie viele es in den kommenden Jahren sein werden, können die Verantwortlichen in den Bistümern und der Evangelischen Kirche nicht sagen. Im Bistum Essen läuft derzeit ein umfassender Pfarrei-Entwicklungsprozess. "Erst nach Sichtung und Genehmigung der Voten der Pfarreien ist absehbar, wie viele weitere Kirchen mittel- bis langfristig aufgegeben werden müssen", sagt Bistumssprecher Ulrich Lota. Abrisse sollen aber möglichst vermieden werden.

Dazu soll es auch in Untermeiderich nicht kommen. Die Kirche an der Metzer Straße soll nach der Schließung verkauft werden. Das Presbyterium habe aber festgelegt, dass die leerstehende Kirche nur auf christlicher Grundlage weiter genutzt werden dürfe, sagt Heidi Kloppert. "Es gibt schon einen Interessenten", sagt sie. Mehr dürfe sie nicht sagen. Nur so viel: Die Katholiken seien es nicht.

(csh)
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