Streik "Für Kita-Notgruppen gibt es keine Garantie"

Mettmann/Düsseldorf · In dieser Woche müssen Eltern wegen des Kita-Streiks kreativ sein bei der Unterbringung ihres Nachwuchses. In Mettmann werden Kinder vom Sportverein betreut, andere nehmen sie mit zur Arbeit oder in die Uni.

  Hennes (vorne) verbringt diese Woche in der Turnhalle des Vereins Mettmann-Sport statt wie sonst in der Kindertagesstätte.

Hennes (vorne) verbringt diese Woche in der Turnhalle des Vereins Mettmann-Sport statt wie sonst in der Kindertagesstätte.

Foto: Dietrich Janicki

Ganz entspannt rutscht Hennes mit seinem roten Plastikpferd durch die Sporthalle. Um ihn herum toben noch zwei Dutzend andere Kinder. Vermutlich die ganze Woche werden sie in der Halle in Mettmann von sechs Übungsleitern unterhalten - fast so wie sonst bei ihnen im Kindergarten.

Für viele andere Kinder in NRW sieht das in den kommenden Tagen ganz anders aus. In ihren Kindertagesstätten wird gestreikt. Viele von ihnen begleiten daher Mutter oder Vater auf die Arbeit, kommen bei den Großeltern unter oder bleiben mit den Eltern zu Hause. Bis der Streik in den städtischen Kitas vorbei ist, herrscht Ausnahmezustand - und das auf nicht absehbare Zeit.

Glück haben diejenigen Eltern, in deren Nähe sich eine praktische Lösung in Form einer Notunterbringung auftut, so wie in Mettmann. Als Sandra Pietschmann, Geschäftsführerin des Vereins Mettmann-Sport, in der vergangenen Woche mitbekam, dass alle städtischen Kitas ab Montag geschlossen bleiben und es keine Notgruppen gibt, reagierte die dreifache Mutter sofort: "Wir bieten allen Eltern an, die auf der Suche nach einem verlässlichen Angebot sind, ihre Kids ab vier Jahren durch unsere sechs Übungsleiter betreuen zu lassen." Und dies kostenfrei.

Gestern nutzten 20 Eltern das Angebot und brachten ihre Kinder in die vereinseigene Turnhalle. Dort frühstückten die Kinder, dann turnten sie, anschließend ging es nach draußen auf den Spielplatz. Zum Schluss wurde eine Geschichte vorgelesen. Andrea Perry ist "total happy" über das Angebot. Sie wusste nicht, wo sie ihren Sohn Marius (4) unterbringen sollte. "Ich habe mit meinem Arbeitgeber gesprochen. Ich hätte meine Wochenstundenzahl reduzieren müssen, mein Mann hätte später anfangen können", sagt Perry. Doch sie ist froh, dass mit Me-Sport eine Alternativ-Lösung gefunden worden ist.

3000 Teilnehmer bei Demo zum Kita-Streik in Köln
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Auch Claudia Karls ist ein Stein vom Herzen gefallen, als sie vom Angebot von "Me-Sport" hörte. "Ich hätte vielleicht später mit der Arbeit beginnen können", sagt sie. Doch der Organisationsaufwand in Sachen Kinderbetreuung wäre groß gewesen. So kann Lauritz (4) den Vormittag von 8 bis 14 Uhr bei "Me-Sport" verbringen. "Wir werden das Angebot in der nächsten Woche - falls weiter gestreikt wird - fortführen. Ein paar Kinder können wir noch aufnehmen", so Pietschmann.

Während des Ausnahmezustandes in dieser Woche zeigen sich einige Arbeitgeber verständnisvoll - und auch an manchen Universitäten sind Kinder nicht unerwünscht. "Die Erzieher unserer Offenen Ganztagsschule streiken auch", erklärt Anne Schmelter aus Monheim. Zwar gebe es Notgruppen, sie hat allerdings entschieden, ihre Kinder einfach überallhin mitzunehmen. "Zum Glück haben die meisten Dozenten in der Uni Verständnis." Für Claudia Lisboa Salgado (29) aus Erkrath war es kein Problem, sich von ihrem Arbeitgeber freistellen zu lassen, um sich um ihren kleinen Sohn zu kümmern - jedoch unbezahlt. "Das heißt, ich verdiene diesen Monat etwa ein Viertel weniger, muss aber den vollen Kita-Beitrag bezahlen", sagt sie.

Problematisch ist für viele Eltern, dass die Notfallgruppen nur Plätze für Berufstätige vorhalten oder ihnen den Vortritt lassen. Und selbst das ist nicht planbar. Sie müssen teils am Tag zuvor oder am Morgen erfragen, ob überhaupt Plätze für ihre Kinder frei sind. Ina Röder (43) aus Kapellen fühlt sich von der Stadtverwaltung im Stich gelassen: "Über die Notgruppen konnte man sich erst ab 9 Uhr informieren - für alle, die in Düsseldorf oder Köln arbeiten, ist das viel zu spät", sagt die Mutter eines Fünfjährigen. Wie auch in einigen anderen Städten regt sich daher in Grevenbroich Protest. Röder plant, Mütter und Väter für einen Protestzug zu mobilisieren und dazu aufzurufen, mit den Kindern zum Rathaus zu ziehen.

Selbst wenn die Zusage für die komplette Woche steht, wissen einige nicht, wie es in der kommenden Woche weitergehen soll, sollten sich die Streiks fortsetzen. "Ich bin froh, dass es diese Woche eine Notgruppe gibt", sagt Barbara Müllender aus Dülken. "Ob es diese Gruppe nächste Woche auch gibt, weiß ich nicht und erfahre es erst Mitte der Woche." Urlaub nehmen - egal ob bezahlt oder unbezahlt - kann sie nicht. "Als Alleinerziehende steht man nun mal vor einigen Problemen beim Kita-Streik."

Dass alles Planen nichts hilft, wenn es in die Streik-Verlängerung geht, weiß Bianca Kudlorz. Sie hat schon im März bei ihrem Arbeitgeber Urlaub für die Streik-Woche angekündigt. "Von daher gibt es jetzt kein Problem, dass meine Tochter zu Hause ist. Aber ab nächster Woche müssen mein Mann und ich dann auch gucken, wie es weitergeht, wenn ich wieder arbeiten muss. Eventuell muss ich meine Eltern mit einbeziehen, die allerdings nicht in Düsseldorf wohnen." Zwar gebe es eine Notgruppe ihrer Kita, "aber keine Garantie, dass sie auch wirklich immer stattfindet".

Kein Problem haben die Mitarbeiter des Modeunternehmens Esprit. "Wir bieten für die Dauer des Streiks eine Betreuung in der Ratinger Zentrale an", so Sprecherin Mona Schmadl. "Das Angebot ist eine Premiere und kommt sehr gut an. Als die Info-E-Mail versendet wurde, kamen zahlreiche Dankesworte zurück - und erste Anmeldungen."

Traurig ist der Streik auch für die Kinder. "Mein Sohn ärgert sich riesig, dass er nicht in die Kita kann", sagt Melanie Busemann (25) aus Düsseldorf. Ihr Sechsjähriger würde viel lieber mit den Freunden spielen. Vor allem ist er traurig, weil er nicht weiß, ob er nächste Woche in der Kita übernachten kann - eigentlich ein spannendes Abschiedsritual für die Kinder im Abschlussjahr.

(RP)
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