Kölner Karneval zieht "Charlie-Hebdo"-Wagen zurück "Peinlich und feige"

Düsseldorf · Die Entscheidung des Kölner Festkomitees, den Karnevalswagen mit einem satirischen "Charlie-Hebdo"-Motiv zurückzuziehen, löst in sozialen Netzwerken scharfe Kritik aus. Eine Mehrheit der Nutzer wirft den Karnevalisten vor, vor dem Terror eingeknickt zu sein.

So enttäuscht sind die Leser über die "Charlie-Hebdo"-Absage
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Foto: Montage: RP

Auch der NRW-Innenminister übte indirekt Kritik.

Am späten Mittwochabend stand die Entscheidung fest: Der Kölner Karneval verzichtet auf den Rosenmontags-Wagen, der den Anschlag auf das französische Magazin "Charlie Hebdo" satirisch aufgreifen sollte. Begründung: die Rückmeldungen besorgter Bürger.

Demnach hätte ein Umzug mit kritischem Hebdo-Motiv dem Karneval die Unbeschwertheit genommen. "Einen Persiflagewagen, der die Freiheit und leichte Art des Karnevals einschränkt, möchten wir nicht", heißt es in der Mitteilung des Festkomitees. Im Karneval sei es wichtig, dass jeder ohne Sorgen fröhlich feiern könne.

Konkrete Sicherheitsbedenken aber — darauf legt das Komitee in seiner Erklärung wert — habe es keine gegeben. Hochrangige Vertreter der Polizei hätten dem Komitee versichert, dass für den Kölner Rosenmontagszug keinerlei Risiko bestehe, "weder für Teilnehmer noch für Besucher - auch ausdrücklich nicht wegen des Charlie-Hebdo-Wagens." Für den Wagen sei auch entgegen ursprünglicher Meldungen keine Sonderbewachung durch Polizisten vorgesehen gewesen.

Die Mehrheit empört sich

Das Motiv, das nun die Karnevalisten aus Köln zum Politikum werden lässt, zeigt, wie ein Jeck einen Buntstift in den Gewehrlauf eines Selbstmordattentäters steckt, um die Meinungsfreiheit zu schützen. Dabei zerbirst der Lauf der Waffe. Zeitgleich pinkelt der aus den französischen Asterix-Comics bekannte Hund Idefix dem Terroristen ans Bein. Am Rand des Wagens ist das Motto "Ich bin Charlie" angebracht, unter dem sich Tausende nach den Anschlägen mit den Opfern solidarisiert hatten. Eine Religionskritik ist dem Motiv nicht zu entnehmen.

NRW-Innenminister Ralf Jäger kritisierte die Entscheidung indirekt. "Das muss das Festkomitee selbst wissen. Es ist auch Teil der Meinungsfreiheit, etwas nicht zu tun", sagte der SPD-Politiker unserer Redaktion. Der Minister fügte aber hinzu: "Wir dürfen jetzt nicht in Angst und Furcht erstarren und uns einschüchtern lassen." Klar müsse sein, dass Meinungsfreiheit in Deutschland auch im Karneval möglich ist.

In sozialen Netzwerken fliegt dem Kölner Festkomitee nun die Kritik um die Ohren. Zwar zeigen mehrere User auch Verständnis, die Mehrheit aber empört sich. "Diese Entscheidung finde ich peinlich und feige. DAS GEHT GAR NICHT!", schreibt eine Nutzerin den Karnevalisten auf ihrer Facebookseite ins Stammbuch. Auch auf der Facebookseite von RP ONLINE wird diskutiert. Der Tenor ist ähnlich: Mit dieser Entscheidung knicke der Karneval vor dem Terror ein.

Zwei Argumente einen die Kritiker

Zwei Argumente ziehen sich durch die Kommentare. Zum einen geht es um die Rolle eigener Werte wie Meinungs- und Pressefreiheit. "Das ist ein Rückschritt für die Freiheit!", heißt es bei einem Nutzer namens JJ Schmi. Provokation und Satire, so ist häufiger zu lesen, sei schließlich traditionell ein Privileg des Karnevals.

Andere User bewerten den Rückzug als Kapitulation. "Hier geht man auf die Knie vor den Terroristen und das passt für mich in eine Gesellschaft, die so langsam ausbrennt und sich immer weniger traut", schreibt zum Beispiel unser Leser Matthias Speck. Der Beitrag ist im Vergleich zu anderen Stellungnahmen noch sehr diplomatisch formuliert.

Weitere Kritik entzündet sich an der Begründungen des Komitees, die aus der Sicht vieler ins Leere geht: Wenn es keine Sicherheitsbedenken gegeben habe, warum dann dieser Rückzug? Auch die Sorge, mit dem Motiv provoziere man unnötig Muslime, halten viele für unbegründet: "Wem hätte denn das Motiv des Wagens wehgetan? So wird wirklich jede Relevanz des Karnevals aufgegeben", schimpft ein User auf der Seite der Kölner Karnevalisten. "Dieser Wagen provoziert doch keinen Moslem, außer er ist radikal", ergänzt unser Leser Philipp Msck.

Auch Verständnis wird laut

Manche üben sich angesichts der Entscheidung in Zynismus. "Sprecht doch einfach mit dem IS ab welche Themen ihr überhaupt noch behandeln dürft!", ätzt etwa ein Nutzer.

Gelegentlich wird jedoch auch Verständnis für die Sorgen der Karnevalisten laut. "Ich fand's vernünftig. Das Risiko eines Terroranschlags, der Unbeteiligte mit in Mitleidenschaft zieht, wäre momentan einfach zu hoch", schreibt unser Leser Jens Schmidt bei Facebook. Andere Nutzer sehen in dem Motiv sogar eine überflüssige Provokation.

So sehr die umstrittene Haltung des Kölner Komitees nun auch die Traditionen des Karnevals infrage stellen mag — die Rivalität zu Düsseldorf dürfte weiterhin Bestand haben. So äußern mehrere Nutzer die Hoffnung, dass der Karneval in Düsseldorf sich am Rosenmontag erst recht mit einem Hebdo-Motiv präsentiert.

Oder wie es Stefan Jacobi bei Facebook formuliert: "Jacques Tilly, übernehmen Sie!"

(pst)
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