Statistik über Ausfalltage So krank ist Nordrhein-Westfalen

Düsseldorf · Im Rheinland sind die Menschen seltener krank als im Ruhrgebiet. Das ergeben aktuelle Zahlen der Techniker Krankenkasse, die unserer Redaktion vorab vorliegen. Ein Blick auf ein krankes Land.

 Techniker Krankenkasse

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Foto: AP

Anne B. ist deprimiert. Eine verschleppte Grippe nach dem Jahreswechsel, eine komplizierte Handverletzung im April, beide Male musste sich die Sozialpädagogin aus Essen lange krankschreiben lassen. "Ich dachte, die Erkältung und später dann die Schmerzen in der Hand gehen schon wieder weg", sagt die 50-Jährige, die ihren Nachnamen anonym halten will. Vor einem Arztbesuch hatte sie sich in beiden Fällen lange gescheut - weil sie gerne ins Büro gehe, wollte sie keine Genesungspause einlegen. "Jetzt habe ich dieses Jahr bislang vielleicht vier Wochen gearbeitet, mittlerweile nervt das Rumsitzen zuhause nur noch", sagt sie.

16,8 Tage sind die Essener im Jahresdurchschnitt krankgeschrieben. Das geht aus dem Gesundheitsreport 2017 der Techniker Krankenkasse (TK) hervor, der im Juni veröffentlicht wird. Dazu wurden die Daten der 1,1 Million NRW-Versicherten ausgewertet. Die Zahlen für alle Städte und Kreise im Land liegen unserer Redaktion bereits vor; sie zeigen: NRW bleibt ein lädiertes Land, 15,5 Fehltage pro Jahr liegen über dem Bundesdurchschnitt (15,3) und bedeuten eine Stagnation im Vergleich zum Vorjahr (15,6). In den vergangenen zehn Jahren stieg die durchschnittliche Zahl der Krankheitstage um mehr als 30 Prozent. Auf ganz ähnliche Zahlen kommt auch der neueste Bericht der AOK Rheinland, hier waren Versicherte im Schnitt 14,9 Tage im Jahr erkrankt.

Eine weitere Auffälligkeit: Das Gefälle zwischen Rheinland und Ruhrgebiet ist gewaltig. Während die Spitzenreiter Herne oder Gelsenkirchen die 20-Tage-Marke überschreiten, liegen Düsseldorf, Köln oder Bonn deutlich unter dem Landesdurchschnitt.

Psychische Erkrankungen und Rückenbeschwerden als Hauptfaktor

"Das hat zum einen mit den unterschiedlichen Gewerben in der Region, aber auch mit dem Arbeitslosenstand zu tun", erklärt Günter van Aalst, Leiter der TK Landesvertretung in NRW. So sind im Ruhrgebiet noch immer überdurchschnittliche viele Menschen in der Schwerindustrie beschäftigt, wo die Mitarbeiter besonders verletzungsanfällig sind. Gleichzeit ist in Städten mit hohem Krankenstand auch die Arbeitslosenquote besonders hoch. "Menschen ohne Beschäftigung kommen auf bis zu 30 Krankheitstage im Jahr und leiden häufig unter psychischen Beschwerden", sagt van Aalst.

Auch unter Angestellten sind psychische Probleme immer wieder ein Faktor. "Die Grenze zwischen Arbeit und Freizeit verschwimmt immer mehr, die Belastung steigt", sagt van Aalst. Die Barmer hat berechnet, dass jede fünfte Krankschreibung in NRW auf psychische Ursachen zurückzuführen ist. "Die Zahlen zeigen, dass diese Erkrankungen weiterhin auf dem Vormarsch sind", sagt Barmer-Sprecherin Sara Rebein. Nur Muskel-Erkrankungen – zu denen auch Rücken- oder Nackenbeschwerden zählen – erreichen einen noch höheren Wert. Zusammen machen sie fast 50 Prozent aller Fälle aus und stehen daher im Fokus der Präventionsprogramme, die die Kassen mittlerweile großflächig und berufsbegleitend anbieten.

150 Euro pro Mitarbeiter und Jahr für Präventionskurse

"Prävention ist entscheidend abhängig vom Unternehmen, wir versuchen da einzuwirken", sagt Techniker-Chef Günter van Aalst. 38 Firmen habe seine Versicherung zuletzt betreut, rund 150 Euro pro Jahr und Arbeitnehmer kostet das 18-monatige TK-Programm die Arbeitgeber, weitere 50 Euro übernehmen die Kassen. Eine bisweilen happige Investition, doch TK-Chef van Aalst hält dagegen: "Kranke Arbeitnehmer verursachen für die Unternehmen noch höhere Kosten." Schließlich müssen Unternehmen ihren Mitarbeitern bei Krankschreibung noch sechs Wochen lang das Gehalt weiterzahlen, erst danach springen die Kassen ein.

Während die Zahlen also ein ungesundes Bild abgeben, will die Arbeitgeberseite das Problem mittlerweile erkannt haben. Große Unternehmen wie der Energiekonzern RWE bieten betriebseigene Präventionskurse, für das besonders durch körperliche Arbeit belasteten Handwerk stellt Unternehmerverband-Geschäftsführer Frank Wackers fest: "Immer mehr Verbände und Innungen nehmen das Thema Gesundheitsförderung auf." Was jedoch längst nicht bedeutet, dass die Mitarbeiter auch anspringen.

Stadt Neuss: 20 Prozent der Mitarbeiter nehmen Angebote wahr

So stellt die Stadt Neuss zwar jährlich 10.000 Euro für Gesundheitskurse, Vorträge oder Schulungen zur Verfügung, bislang nehmen jedoch erst rund 20 Prozent der etwa 1550 Mitarbeiter dieses Angebot wahr. Dabei ist die Quote der Krankschreibungen innerhalb der vergangenen fünf Jahre von 5,32 auf zuletzt 7,51 Prozent gestiegen. Beim Land NRW lag dieser Wert 2015 sogar bei 7,82 Prozent – im Schnitt waren Landesmitarbeiter 19 Tag pro Jahr nicht dienstfähig.

Wie es ohne nötige Sensibilisierung und Prävention enden kann, musste Anne B. in diesem Jahr schmerzhaft erfahren. Ende Mai soll ihre Leidenszeit enden, dann war sie 2017 bereits mehr als 60 Tage außer Gefecht. Die erste Konsequenz: "Ich habe mich für den Fitnesskurs meines Arbeitgebers angemeldet, einmal die Woche geht es künftig zum Kurs."

(cbo)
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