NRW-Kriminalstatistik Weniger Verurteilungen, weniger Haftstrafen

Düsseldorf · 1,5 Millionen Straftaten gab es in Nordrhein-Westfalen 2014, doch nur 206.000 Täter wurden vor Gericht abgeurteilt. Die Polizeigewerkschaft fordert mehr Ermittler, die CDU härtere Richter.

 Blick aus einer Zelle der JVA in Wuppertal. Im Jahr 2014 wurden in NRW weniger Straftäter verurteilt als zehn Jahre zuvor.

Blick aus einer Zelle der JVA in Wuppertal. Im Jahr 2014 wurden in NRW weniger Straftäter verurteilt als zehn Jahre zuvor.

Foto: dpa, obe;Fdt

Konstant viele Straftaten, aber immer weniger abgeurteilte Straftäter: Auf diesen Nenner lässt sich der Vergleich der bereits bekannten polizeilichen Kriminalstatistik NRW (2005 bis 2014) und die Zehnjahresstatistik über Aburteilungen (2004 bis 2014) in NRW bringen. Letztere wird am Mittwoch im Justizausschuss des Landtages vorgestellt, wobei mit Aburteilung die Beendigung eines Verfahrens durch Verurteilung, Freispruch oder Einstellung durch ein ordentliches Gericht gemeint ist.

Beide Dokumentationen zeigen zudem, dass die Zahl ausländischer Straftäter deutlich steigt - gleichzeitig aber auch deren Aburteilungsrate. Darüberhinaus gibt es den positiven und vielleicht auch überraschenden Trend, dass die Gewalt von Jugendlichen eher abnimmt. "Es wird seltener zugeschlagen", sagt dazu Arnold Plickert, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GDP), "aber die wirklich schlimmen Gewalttaten nehmen erschreckend zu."

Gesamttrend Im Jahr 2014 wurden in NRW mit 206.000 Entscheidungen ein Siebtel weniger Straftäter verurteilt als noch im Jahr 2004, obwohl die Zahl aller Straftaten mit 1,501 Millionen (in 2014) in der gleichen Zeit nur um knapp ein Prozent sank. Dabei liegt die gesunkene Zahl an Aburteilungen nicht daran, dass Straftaten seltener aufgeklärt werden - die Aufklärungsquote der Polizei stieg sogar in zehn Jahren von 47,9 Prozent auf 49,8 Prozent - aber es gibt eben häufiger Einstellungen von Verfahren gegen Bußgeldbescheide oder wegen scheinbarer Geringfügigkeit der Tat oder weil es am Ende doch nicht für eine Anklage reicht. "Verfahren werden zu oft eingestellt", meint dazu der CDU-Landtagsabgeordnete Peter Biesenbach. "Polizei und Staatsanwaltschaft müssen besser für ihre Ermittlungen ausgestattet werden."

Freiheitsstrafen Die Zahl der verhängten Freiheitsstrafen sank um 22 Prozent auf rund 24.000 im Jahr 2014. Dazu werden überwiegend Erwachsene verdonnert, der Anteil der Heranwachsenden liegt bei nur etwa fünf Prozent.

Ausländerquote Der Anteil ausländischer Abgeurteilter an der Gesamtzahl der Abgeurteilten stieg um 5,5 Prozentpunkte von 22 Prozent auf 27,5 Prozent, während ihr Anteil an den Tatverdächtigen von 23,3 Prozent im Jahr 2005 auf 29 Prozent im Jahr 2014 schnellte. Dies bedeutet, dass aus dem Ausland kommende Bürger dreimal häufiger straffällig und abgeurteilt werden als der Schnitt der Bevölkerung.

Mord/Totschlag Die Zahl der von der Polizei gemeldeten Fälle von Mord und Totschlag in NRW sank von 362 im Jahr 2005 ganz leicht auf 355 im Jahr 2014. Demgegenüber steht ein Rückgang der Verurteilungen von 328 auf nur noch 196.

Vergewaltigung Während die Polizei für 2014 mit 1814 Vergewaltigungen und Fällen schwerer Nötigung eine leichte Zunahme gegenüber 2005 meldet, ging die Zahl der Aburteilungen vor den Gerichten um rund ein Fünftel auf 1464 zurück. Justizkenner führen dies auch darauf zurück, dass Frauen manchmal die Belastung eines Gerichtsverfahrens als Zeugin vermeiden wollen - die rot-grüne Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, stärker gegen sexuelle Gewalt vorzugehen.

Wohungseinbrüche Wie zurückhaltend der Staatsapparat teilweise gegen Straftäter vorgeht, zeigt sich wohl bei keinem Delikt deutlicher als bei Einbrüchen: Die Zahl der Abgeurteilten stieg seit 2004 von 645 im Jahr auf 835 im Jahr im ganzen Bundesland. Dies kontrastiert damit, dass in 2005 etwas weniger als 39.000 Einbrüche und 2014 fast 53.000 Einbrüche von der Polizei aufgenommen wurden - nur jeder 70. Straftäter wird also vor Gericht zur Rechenschaft gezogen. "Da müsste man viel konsequenter durchgreifen", sagt Polizeigewerkschafter Plickert, "gerade gegen ausländische Banden ist das nötig."

Gewaltdelikte Die Zahl der wegen Gewaltverbrechen abgeurteilten Menschen sank bis 2014 um rund ein Drittel auf 6200. Hier zeigt die Statistik der Polizei zumindest einen ähnlichen Trend: In 2005 erfasste sie 35.000 Fälle von gefährlicher und schwerer Körperletzung, in 2014 wurden nur noch etwas mehr als 30.000 derartige Verbrechen von der Polizei erfasst - ein Rückgang von einem Siebtel.

Schwarzfahren Wegen Erschleichen von Leistungen wurden 2014 rund 18.000 Menschen abgeurteilt, 37 Prozent mehr als zehn Jahre davor.

Betrug/Untreue Hier ist die Zahl der Entscheidungen der Gerichte um zwölf Prozent auf 42.000 im Jahr 2014 gestiegen. Das ist rund ein Sechstel der Delikte.

(RP)
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