Fragwürdiges Ranking Wie Dortmund zur Stadt der Ladendiebe gemacht wurde

Düsseldorf/Dortmund · Nirgendwo wird mehr geklaut als in Dortmund – diese Meldung macht momentan die Runde. Hintergrund ist angeblich die polizeiliche Kriminalstatistik. Wir zeigen, was an dieser Aussage nicht stimmt – und warum Ladendiebstahl trotzdem ein großes Problem ist.

 Ladendiebstahl steht in deutschen Großstädten leider an der Tagesordnung.

Ladendiebstahl steht in deutschen Großstädten leider an der Tagesordnung.

Foto: dpa, hpl vbm fux

Nirgendwo wird mehr geklaut als in Dortmund — diese Meldung macht momentan die Runde. Hintergrund ist angeblich die polizeiliche Kriminalstatistik. Wir zeigen, was an dieser Aussage nicht stimmt — und warum Ladendiebstahl trotzdem ein großes Problem ist.

Die Pressemitteilung des Shoppingportals "fashionlane.de" sorgt seit Mittwoch für Schlagzeilen: Dortmund ist demnach die Hauptstadt der Ladendiebe, nirgendwo werde in Deutschland mehr geklaut als dort. Grundlage soll die Kriminalitätsstatistik der Polizei sein, herausgegeben vom Bundeskriminalamt. Darin ist in der Tat zu lesen: 2014 gab es in Dortmund 6.873 gezählte Ladendiebstähle, pro 100.000 Einwohner wären das 1.193, so viele wie in keiner Stadt sonst. Dortmund als absolute Ladendiebstahl-Hochburg. Deutlich sicherer gehe es dagegen etwa in Neuss zu, mit 590 Ladendiebstählen pro 100.000 Einwohner. Viele Medien übernahmen die Meldung ungeprüft.

Thomas Schäfer, Hauptgeschäftsführer beim Handelsverband NRW für Westfalen und das Münsterland, hält von dieser Statistik allerdings wenig. Dabei spricht auch er von hohen Verluste durch Diebstahl: "Jedes Jahr verliert der Handel in Deutschland 2,1 Milliarden Euro durch Ladendiebe", klagt er. Das sei aber ein generelles Problem aller Großstädte, kein besonderes für Dortmund. Doch wie kommt es dazu, dass Dortmund plötzlich als Hauptstadt der Ladendiebe gehandelt wird?

"Wenn Sie mich fragen, ist das unseriös", sagt Gunnar Wortmann von der Polizei Dortmund über die Auswertung der Kriminalstatistik. Er zieht im Gespräch mit unserer Redaktion einen ganz anderen Schluss aus den Zahlen: "Die Ladendetektive machen bei uns ganz einfach einen guten Job.". Schließlich würden nur die Fälle in der Statistik auftauchen, die auch zur Anzeige gebracht wurden. Außerdem sei Dortmund aufgrund seiner geografischen Lage mit vielen anderen Städten in Deutschland nicht vergleichbar.

"In Dortmund kaufen das gesamte Sauerland und der Kreis Unna ein, nicht nur die Dortmunder", sagt der Polizeisprecher. Ganz anders sehe es etwa in Essen aus — eine Stadt, die in dem Ranking im Mittelfeld geführt wird. "Vor allem wenn ich dort wohne, kaufe ich dort auch ein", sagt Wortmann. Ein ländliches Umfeld wie in Dortmund, gebe es in Essen eher nicht. Ein Blick auf die Landkarte zeigt außerdem große Konkurrenz durch andere Städte wie Oberhausen und Bochum — auch wenn sich Essen selbst als "Einkaufsstadt" bewirbt.

Anders ausgedrückt: Die Statistik vergleicht die Zahl der Ladendiebstähle mit der Einwohnerzahl — in Dortmund klauen aber nicht nur Dortmunder, sondern wahrscheinlich auch Sauerländer und Menschen aus dem Kreis Unna, die zum Einkaufen in die Stadt kommen. Das verfälscht das Bild.

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Auch Jennifer Kailing, Sprecherin des Bundeskriminalamtes in Wiesbaden, hält das Ranking zwischen den Städten und das Ausrufen von Diebstahl-Hochburgen wie Dortmund anhand nackter Zahlen für problematisch. "Beim Vergleich ist zu beachten, dass sich das Anzeigeverhalten und die Deliktstruktur, auch durch polizeiliche Schwerpunktsetzung, in den Städten unterscheiden kann", schreibt sie auf Anfrage. Außerdem müsste die Zahl der Pendler, Touristen, Durchreisenden und anderer nicht gemeldeter Personen berücksichtigt werden.

Dass in Dortmunder Läden besonders viel geklaut wird, stimmt also nicht unbedingt: Hier bekommt die Polizei nur mehr Ladendiebstähle mit — möglicherweise auch, weil die Händler besonders dafür sensibilisiert sind, viele Detektive einsetzen, und viele Fälle auch wirklich zur Anzeige bringen. "Wir empfehlen unseren Mitgliedern: Wenn ihr einen Ladendieb vor euch habt, dann erstattet Anzeige", berichtet Thomas Schäfer vom ansässigen Handelsverband.

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Während die Polizei allerdings nicht von einem echten Problem mit Ladendieben in Dortmund sprechen will, sieht Schäfer das ganz anders. "Die Dunkelziffer bleibt hoch", berichtet er, der Schaden bleibe immens. "Das ist ein leidiges Thema", sagt er. Auf die Frage, ob Dortmund ein größeres Problem als andere Städte habe, antwortet Schäfer aber klar mit "Nein".

(hebu)
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