Interview mit Jäger-Präsident "Der Jagdverband ist eine Tierschutz-Organisation"

Düsseldorf · Der Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen vertritt über 64.000 Jäger im Land. Mit unserer Redaktion spricht Präsident Ralph Müller-Schallenberg über Imageprobleme, Verantwortung und Tierschutz.

 Der Präsident des Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen: Ralph Müller-Schallenberg.

Der Präsident des Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen: Ralph Müller-Schallenberg.

Foto: LJV NRW

Herr Müller, die Jagd gilt als Männerdomäne, alt und verrucht. Stimmt dieses Image?

Ralph Müller-Schallenberg: Die Meinung der Gesellschaft über uns beobachten wir sehr genau und regelmäßig. Über die Jahre ist laut unabhängigen Meinungsforschungsinstituten die Akzeptanz für Jägerinnen und Jäger bei der nichtjagenden Bevölkerung deutlich gestiegen. Übrigens haben wir landesweit derzeit einen Frauenanteil von zehn Prozent. In den Jungjägerkursen liegt er schon bei etwa einem Viertel.

Wieso sollte ich als Frau im Jahr 2018 einen Jagdschein machen?

Müller-Schallenberg: Weil Frauen heute ganz normal zur Jägerschaft dazugehören. Meine fast 17-jährige Tochter hat beispielsweise im vergangenen Jahr die Jägerprüfung bestanden und sie ist seither eine begeisterte Jägerin.

Und wieso als Mann?

Müller-Schallenberg: Aus den gleichen Gründen, die heute Frauen zur Jagd bewegen. Weil wir Jägerinnen und Jäger die Natur nicht nur leben, lieben und schützen, sondern uns selbst als einen Teil von ihr begreifen. Das ist eine tagtägliche, sehr intensive Erfahrung und eine Lebenseinstellung.

Tierschutz-Organisationen kritisieren die Jagd immer wieder.

Müller-Schallenberg: Für mich ist der Landesjagdverband eine Tierschutz-Organisation, und zwar eine der größten! Rechtlich umfasst der Tierschutz nämlich zwei Aspekte: Tierwohl und Tiergesundheit. Genau dafür setzen sich die Jäger tagtäglich in ihren Revieren ein. Sie legen Biotope an, vermeiden Tierseuchen, suchen im Straßenverkehr verletzte Tiere, um sie von ihren Leiden zu erlösen, und vieles mehr. Genau diese Leistungen werden auch parteiübergreifend von der Politik anerkannt.

Wie versuchen Sie, Einfluss auf das Jäger-Image zu nehmen?

Müller-Schallenberg: Ich denke, das Wichtigste was wir tun können ist authentisch und glaubhaft zu sein und zugleich die eigenen Reviere für Interessierte zu öffnen. Genau das machen wir. Darüber hinaus arbeiten und feilen wir natürlich auch weiter am positiven Image. So lief im Januar und Februar dieses Jahres in 66 Kinos in NRW sehr erfolgreich ein Image-Film von uns im Abendprogramm. Die Resonanz war sehr positiv.

Das ist ja eine nette Behauptung. Lässt sich das belegen?

Müller-Schallenberg: Sowohl die Zahl der Jagdscheininhaber als auch unser Mitgliederbestand wachsen seit etwa 15 Jahren kontinuierlich. In NRW waren es im vergangenen Jahr 1679 Prüflinge, von denen 1559 die Jägerprüfung bestanden haben. Derzeit sind in NRW rund 91.500 Jagdscheininhaber gemeldet. Die Entwicklung ist sehr positiv.

Sprich, wir haben mehr als genug Jäger.

Müller-Schallenberg: Ich denke, dass wir schon jetzt gut aufgestellt sind. Wir Jägerinnen und Jäger verstehen uns aber auch immer als Anwälte des Wildes und der Natur. Das ist im Jagdgesetz auch so durch die Hegepflicht verankert. Mehr Jägerinnen und Jäger im Land führen somit auch zu einer Stärkung der gesellschaftlichen Interessenvertretung für unser Wild und unseren ländlichen Raum.

Um Jäger zu werden, muss ich viel Vorbereitungszeit und mehrere Tausend Euro Kosten investieren – wie rechtfertigen Sie diesen hohen Aufwand?

Müller-Schallenberg: Die Gesellschaft stellt zu Recht hohe Ansprüche an Jägerinnen und Jäger. Um diesen Ansprüchen gerecht zu werden, muss die Jägerprüfung auch Hürden aufweisen.

Jagdunfälle können durch diese Hürden aber nicht verhindert werden.

Müller-Schallenberg: Auf das Land NRW runtergebrochen liegen uns dazu keine aktuellen Statistiken vor. Das würde auch wenig Sinn machen, weil Jagdunfälle sehr selten sind. Der Deutsche Jagdverband hat allerdings die Bundeszahlen aufgearbeitet. Danach gab es im Jahr 2016 keine Toten, aber neun Verletzte durch Jagdunfälle mit Schusswaffen, 2015 waren es zwei Tote und 16 Verletzte und in 2014 vier Tote. Diese Zahlen sind belastbar. Sie stammen von der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau. Klar ist: Jeder Unfall ist einer zu viel. Umgekehrt muss das Risiko aber auch relativiert werden. Jeder Autofahrer ist statistisch einem um ein Vielfaches höheren Todes- oder Verletzungsrisiko ausgesetzt, als es für Jagdbeteiligte bei der Jagd entsteht.

Was sind für Sie Ausschusskriterien für einen Jäger?

Müller-Schallenberg: Mangelndes Fachwissen, schwache Nerven in Extremsituationen und fehlende handwerkliche Fertigkeiten, - dazu zähle ich auch fehlende Schießfertigkeiten -, können wir nicht gebrauchen.

Was brauchen Sie denn?

Müller-Schallenberg: Mit einer Eigenschaft kommen Sie da nicht aus. Für mich sind das folgende Eigenschaften: Demut und Respekt vor der Natur, Achtung vor dem Tier als Mitgeschöpf, Geduld und Beharrlichkeit.

In NRW werden zunehmend Wölfe gesichtet. Für welchen Umgang mit dem Wolf plädiert der LJV?

Müller-Schallenberg: Der Deutsche Jagdverband hat sich federführend der Wolfsthematik angenommen und wir teilen dessen Position. Derzeit gibt es bundesweit etwa 800 Wölfe. Die Population wächst jährlich um 30 Prozent. Gerade die Sorgen der Weidetierhalter sind nachvollziehbar.

Wie steht es um den sonstigen Tierbestand im Land?

Müller-Schallenberg: Natur und Jagd bedeuten ständigen Wandel. Das merken wir gerade jetzt im Frühjahr, wenn die Natur erwacht und sich alles verändert. Jetzt beginnt die Setz- und Brutzeit des Wildes. Die Wildschweine haben schon im Februar und März ihre Frischlinge zur Welt gebracht. Diesen Zuwachs des Wildes alljährlich wieder abzuschöpfen, ist eine wichtige Daueraufgabe der Jagd. Sonst würden sehr schnell überhöhte Wildbestände zu unvertretbaren Wildschäden in der Land- und Forstwirtschaft führen. Gerade im ländlichen Raum erfüllt die Jagd somit auch eine wichtige wirtschaftliche Rolle. Jäger, Land- und Forstwirte sowie die Grundeigentümer stimmen sich ständig in gegenseitigem Respekt ab und passen ihr Handeln den sich ändernden Gegebenheiten an. Der Rechtsrahmen dafür soll noch in diesem Jahr deutlich verbessert werden, was wir begrüßen und für dringend erforderlich halten. Derzeit warten wir aber noch auf den Gesetzentwurf zum neuen Landesjagdgesetz.

Auch, um künftig noch mehr Wildfleisch auf den Markt zu bringen?

Müller-Schallenberg: Die Nachfrage nach Wildfleisch wächst in den letzten Jahren immens. Ich führe das auf ein neues Natur- und Ernährungsbewusstsein zurück. Man muss aber auf die Herkunft achten. Wenn der Braten halb um den Globus transportiert wurde, ist das sicher weder nachhaltig noch umweltbewusst. Ich empfehle den Kauf von heimischem Wildbret beim örtlichen Jäger.

(cbo)
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