Flüchtlingsheim in Burbach Martyrium der Flüchtlinge dauerte mindestens zwei Wochen

Burbach · Die Vorwürfe wiegen schwer. Vier Mitarbeiter sollen in einem Flüchtlingsheim im siegerländischen Burbach Menschen erniedrigt und misshandelt haben. Ihre Taten hielten sie in einem Video und mit Fotos fest.

Misshandlungs-Vorwürfe: das Flüchtlingsheim in Burbach
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Foto: dpa, fg jhe

Ein junger Mann liegt auf einer Matratze, die mit Erbrochenem verschmutzt ist. "Du legst dich jetzt hin", sagt eine Stimme aus dem Hintergrund, "oder willst du noch eine haben?" Wieder kommt die Aufforderung: "Leg dich da hin und schlaf!" 15 Sekunden dauert das Handyvideo, das die Demütigung eines Asylbewerbers in der Erstaufnahmestelle in Burbach (Siegen-Wittgenstein) zeigt - und das den Schluss auf körperliche Gewalt nahelegt.

Auf einem Foto, das die Polizei zusammen mit dem Video sichergestellt hat, liegt ein Mann mit auf dem Rücken gefesselten Händen auf dem Boden. Ein Mann in schwarzer Uniform kniet neben ihm, ein anderer hat seinen Fuß in Siegerpose auf seinen Nacken gestellt. Die beiden Mitarbeiter eines privaten Sicherheitsdienstes grinsen in die Kamera.

 Dieses Handy-Fotos, herausgegeben von der Polizei, zeigt eine Misshandlung. (Zum Vergrößern bitte klicken).

Dieses Handy-Fotos, herausgegeben von der Polizei, zeigt eine Misshandlung. (Zum Vergrößern bitte klicken).

Foto: Polizei

Wie aus Guantanamo

"Das sind Bilder, die man sonst nur aus Guantanamo kennt", sagte der Hagener Polizeipräsident Frank Richter unter Verweis auf das US-Gefangenenlager. Der bei seiner Behörde angesiedelte polizeiliche Staatschutz ermittelt seit Freitag gegen vier Angestellte eines Sicherheitsdienstes, die in der Flüchtlingsunterkunft gearbeitet haben, wegen mehrerer Körperverletzungsdelikte. Sie sollen Flüchtlinge betrunken gemacht, misshandelt, erniedrigt und gequält haben.

Das Martyrium der Flüchtlinge in dem Heim dauerte mindestens zwei Wochen, wahrscheinlich sogar länger. "So etwas darf in unserer Gesellschaft nicht vorkommen", sagte der Regierungspräsident des Regierungsbezirks Arnsberg, Gerd Bollermann. "Es ist entsetzlich, wenn man sich vorstellt, dass zu uns Leute kommen aus anderen Ländern, die dort schon Gewalt erlitten haben und hier Schutz suchen und dann so einer Situation ausgesetzt werden", sagte Staatsanwalt Johannes Daheim. "Das trägt dazu bei, die Traumatisierung noch zu verstärken."

Das Unternehmen "European Homecare" betreibt im Auftrag der Bezirksregierung sechs Flüchtlingsunterkünfte im Land, darunter das Heim in Burbach sowie auch die Einrichtung im Alexianerkrankenhaus in Neuss. Das Unternehmen betonte, der Sicherheitsdienst in Burbach sei ein privater Subunternehmer, versprach aber höhere Standards. In der Unterkunft in der ehemaligen Kaserne im Siegerland leben derzeit rund 700 Menschen. Sie werden von dort auf die einzelnen Gemeinden im Land verteilt.

Im Laufe der Ermittlungen ist der Staatsschutz auf zehn Anzeigen gestoßen, die gegen die vier Beschuldigten bereits in der Vergangenheit vorgelegen hätten. Ermittlungsleiter Matthias Stascheit betonte, dass die Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten in Flüchtlingsunterkünften mit einem "nicht unbedeutenden Gewaltproblem" konfrontiert und deshalb von Berufs wegen auch schnell mit Vorwürfen konfrontiert seien. So rief der Sicherheitsdienst in Burbach allein im September zweimal die Polizei, weil es zu Handgemengen und Schlägereien unter den Bewohnern gekommen war.

Hinweise auf weitere Taten

Anfang September wurden zum Beispiel sieben Personen festgenommen, als ein Streit zwischen zwei Nordafrikanern und einer Gruppe aus Südosteuropa eskalierte. In dieser Auseinandersetzung wurden auch Security-Mitarbeiter bedroht.

Wie viele andere Sicherheitsleute neben den vier Beschuldigten eingesetzt waren, kann die Polizei derzeit nicht überblicken. Am Wochenende befragte die 25-köpfige Ermittlungskommission zunächst 96 Bewohner zu den dokumentierten Misshandlungen und bekam Hinweise auf weitere Taten.

Dem Vernehmen nach sollen die Wachleute schon mit Körperverletzung, Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz und Betrug aufgefallen sein. Stimmt das, wäre dies laut einer Sprecherin des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft eine große Nachlässigkeit der Sicherheitsfirma und der Behörden.

Denn die Gewerbeordnung sieht für diesen Berufszweig eine Zuverlässigkeitsprüfung vor, bei der das polizeiliche Führungszeugnis gecheckt wird. Die Geschehnisse in Burbach seien ein "schwarzer Tag" für die Branche, so die Sprecherin.

Mittlerweile haben das Land und der private Betreiber Konsequenzen gezogen. Dem Sicherheitsdienst sei gekündigt worden, teilte die Bezirksregierung Arnsberg mit.

(RP)
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