Unterhaltungsangebote nehmen zu Angriff auf die Sonntagsruhe in NRW

Düsseldorf · Der Einzelhandel will mehr Freiheit beim Sonntagsverkauf. Die Landesregierung erlaubt den Gemeinden acht zusätzliche Dorffeste pro Jahr. Auf Sportplätzen geht der Trend zu Sonntagsspielen.

 "Die Regelungen zu den verkaufsoffenen Sonntagen in NRW sind viel zu restriktiv", heißt es beim Einzelhandelsverband NRW.

"Die Regelungen zu den verkaufsoffenen Sonntagen in NRW sind viel zu restriktiv", heißt es beim Einzelhandelsverband NRW.

Foto: dpa, gb_sv dna

Gewerkschaften, Kirchen und Wissenschaftler fürchten um die Sonntagsruhe in NRW. "Die Politik muss endlich den Schutz des Sonntags ernst nehmen", erklärte am Mittwoch die "Allianz für den freien Sonntag". Das Bündnis diverser kirchlicher Arbeitnehmerverbände, der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der katholischen Betriebsseelsorger mobilisiert seit einer Woche: Noch bis zur Sommerpause sollen auf Betriebsversammlungen und nach Gottesdiensten Unterschriften für die Sonntagsruhe eingesammelt werden.

Angesichts immer neuer Angriffe auf die Sonntagsruhe wächst auch bei Wissenschaftlern und Politikern das Unbehagen. "Wer sonntags das Vergnügen auf dem Jahrmarkt sucht, muss wissen, dass andere dafür arbeiten müssen", sagt der kulturpolitische Sprecher der CDU im Landtag, Thomas Sternberg. Der Zeitökonom Jürgen Rinderspacher von der Uni Münster sagt: "Der Samstag ist fast schon wie ein Wochentag. Zunehmend wird auch die Sonntagsruhe aufgeweicht." Die Evangelische Kirche im Rheinland fürchtet: "Der Wert des Sonntags wird erst erkannt werden, wenn er nicht mehr da ist."

14 Prozent der Arbeitnehmer arbeiten auch sonntags

Tatsächlich nehmen kommerzielle Aktivitäten und Unterhaltungsangebote am Sonntag ständig zu. Mussten 1995 noch zehn Prozent der deutschen Arbeitnehmer auch sonntags arbeiten, sind es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes inzwischen 14 Prozent. "Auch das sonntägliche Freizeit- und Kulturangebot wächst immer weiter", sagt der Zeitökonom Rinderspacher. Für einen großen Teil der Deutschen sei "Freizeit heute gleichbedeutend mit Erlebnis", wofür es zunehmend auch sonntags Angebote gebe.

Dem folgen auch viele Politiker. NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) will den Kommunen deutlich mehr "seltene Ereignisse" pro Jahr erlauben: Jahrmärkte, Dorf- und Schützenfeste, die überwiegend an Wochenenden stattfinden. Sein Vorschlag für eine neue Verordnung: "Die Zahl der zulässigen seltenen Ereignisse wird von zehn auf 18 erhöht. Bei diesen seltenen Ereignissen kann zukünftig zudem die Nachtzeit, in der strengere Immissionsrichtwerte gelten, um zwei Stunden hinausgeschoben werden." Damit sei der Spielraum für "volkstümliche Veranstaltungen und insbesondere Schützenfeste" landesseitig sichergestellt.

Einzelhandelsverband macht Druck

Auch Sportvereine setzen sich zunehmend gegen das Gebot der Sonntagsruhe durch. Nach Auskunft des Bundesumweltministeriums ist geplant, "den Vereinssport von Kindern beim Lärmschutz zu privilegieren und Einschränkungen weitgehend abzubauen — unter anderem in den Ruhezeiten, etwa an Sonn- und Feiertagen zwischen 13 und 15 Uhr". Auch bei den abendlichen Ruhezeiten wird es auf Sportplätzen lauter. So soll sich der Zeitraum, in dem Sportanlagen trotz Ruhezeiten genutzt werden können, etwa um das Dreifache verlängern. Das bedeutet, dass bei einer Ausnahme von 40 Minuten künftig zwei Stunden erlaubt wären.

Der Einzelhandelsverband NRW macht ebenfalls Druck: "Die Regelungen zu den verkaufsoffenen Sonntagen in NRW sind viel zu restriktiv", sagt Hauptgeschäftsführer Peter Achten. Der Ruf nach einer völligen Freigabe der Ladenöffnungszeiten auch am Sonntag werde innerhalb der NRW-Kaufmannschaft immer lauter. "Wir konkurrieren mit dem Internet und in Grenznähe mit den Niederlanden. In Maastricht, Venlo und Roermond wird auch sonntags verkauft."

(qua)
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