Analyse NRW bangt um Bahn-Investitionen

Düsseldorf · Der Investitionsstau bei der Bahn ist dramatisch. Hinter den Kulissen spielen die Bundesländer das "Schwarzer-Peter-Spiel". Allein in NRW müssen fünf Rheinbrücken kurzfristig saniert werden. Ein Infrastruktur-Fonds unter Obhut des Bundes soll jetzt helfen.

Der Bahn fehlen Milliarden für die Reparatur und den Erhalt ihres Schienennetzes. Deshalb zeichnet sich zwischen den Bundesländern ein Verteilungskampf ab: "Bei den aktuellen verkehrspolitischen Entscheidern auf Bundesebene ist absehbar, dass die Bahnkunden in NRW auch im kommenden Jahr überproportional unter Verspätungen leiden werden", sagt der verkehrspolitische Sprecher der FDP im NRW-Landtag, Christof Rasche. Auch der NRW-Chef des Fahrgastverbandes Pro Bahn, Lothar Ebbers, ist skeptisch. Mit Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Florian Pronold (SPD) sei das Thema in den Koalitionsverhandlungen federführend von zwei Bayern ausgehandelt worden. Ebbers: "Ich glaube nicht, dass die beiden die Weichen zugunsten von NRW gestellt haben."

Hintergrund ist ein Investitionsrückstau, den das bundeseigene Verkehrsunternehmen auf 30 Milliarden Euro beziffert. Wie Bahn-Chef Rüdiger Grube kürzlich vor der NRW-Bauindustrie in Düsseldorf sagte, fehlen jährlich 1,2 Milliarden Euro allein zur Instandhaltung des 34 000-Kilometer-Netzes. "30 000 Schienenkilometer sind aus dem 19. Jahrhundert, ein Drittel der Stellwerke ist älter als 100 Jahre und von den 25 000 Eisenbahnbrücken müssen 1400 dringend saniert werden", zählte Grube auf.

Entsprechend ringen die Verkehrspolitiker aller Länder in dem stark politisch dominierten Unternehmen darum, dass die Bahn wenigstens in ihrem Bundesland zuverlässig rollt. Gleichzeitig zwingt die Politik "ihr" Unternehmen seit drei Jahren zur Ausschüttung von je rund 500 Millionen Euro Dividende — schließlich ist der Konzern eine staatliche Investition. So ist er seit Jahrzehnten gefangen in einem Netz von politischen Ansprüchen und Seilschaften, in denen der Kunde das schwächste Glied zu sein scheint.

Um wenigstens den Instandhaltungsaufwand aus dem Gezänk herauszuhalten, schlägt die Bahn jetzt ein neues Modell vor: einen Infrastruktur-Fonds unter Obhut des Bundes. Sie selbst will dort die Erträge einbringen, die sie mit der Nutzung ihres Netzes durch Wettbewerber verdient. Wie Infrastrukturvorstand Volker Kefer gestern in Düsseldorf sagte, betragen diese sogenannten Trassenerlöse rund eine Milliarde Euro pro Jahr. Mehr Geld nimmt die Bahn damit nicht in die Hand. Sie will ihre Infrastruktur-Investitionen mithilfe des Fonds nur anders organisieren. "Natürlich hoffen wir, dass der Bund diesen Fonds aufstockt", sagte Kefer.

Pannen bei der Deutschen Bahn
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Foto: dpa, Boris Roessler

Dramatisch in NRW

Laut Ebbers ist die Situation in NRW besonders dramatisch. Er zählt alleine fünf Rheinbrücken auf, deren kurzfristige Sanierung zwingend sei: Hohenzollernbrücke und Südbrücke in Köln, Hochfelder Brücke und Haus-Knipp-Brücke in Duisburg sowie die Hammer Brücke in Düsseldorf. Bereits gesperrt ist die Müngstener Brücke bei Solingen. Ebbers: "Das sind alles Knotenpunkte mit bis zu 40 Zügen pro Stunde." Jede Sanierung erzeuge massive Verspätungen, die sich im eng getakteten Bahnfahrplan wie Kettenreaktionen in ganz NRW fortsetzten. Beispiel: Laut Pro Bahn sind die Regionalbahnen 1 (Paderborn—Aachen), 5 (Emmerich—Koblenz) und 7 (Rheine—Krefeld) heute schon die unpünktlichsten Züge in ganz NRW. Sie müssen eingeklemmt zwischen Fernzugverbindungen fahren, die ihrerseits von Streckensanierungen weit außerhalb von NRW behindert werden.

Weil der Netz-Zustand schon seit Jahren vernachlässigt wird, sind auch die Ausweichstrecken angeschlagen. So können sie Behinderungen, die etwa bei einer Sanierung der Hohenzollernbrücke entstehen werden, kaum abgefedert werden. "Letztlich hat sich die Bahn bei der Sanierung in NRW ans Improvisieren gewöhnt, und das macht alles noch schlimmer", meint Ebbers.

Auch der Sprecher der SPD im Verkehrsausschuss des NRW-Landtages, Reiner Breuer, wird "den Eindruck nicht los, dass die Investitionen der Bahn überwiegend an NRW vorbei gehen". Die Bahn bestreitet das. Über eine Mauschelei von Ramsauer und Pronold zulasten von NRW will Breuer nicht spekulieren. Aber auch der Sozialdemokrat ist alarmiert: "Wir bauen von Düsseldorf aus gerade ein parteiübergreifendes Netzwerk auf, um den verkehrspolitischen Ansprüchen von NRW in Berlin mehr Gehör zu verschaffen."

(RP)
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