Internes Dokument Gefängnisse in NRW platzen aus allen Nähten

Düsseldorf · Der Bund der Strafvollzugsbediensteten in NRW schlägt Alarm: Wegen Überfüllung der Gefängnisse sind viele Häftlinge in Gemeinschaftszellen zusammengepfercht - und die Zahl der Freiheitsstrafen steigt.

 Gefängnisse in NRW sind überfüllt.

Gefängnisse in NRW sind überfüllt.

Foto: dpa, obe;Fdt

Den nordrhein-westfälischen Justizvollzugsanstalten (JVA) droht der Kollaps. Nach Informationen unserer Redaktion sind viele Gefängnisse jetzt schon überbelegt, fast 20 stehen kurz davor. Das geht aus einem internen Dokument des Justizministeriums (Stand 11. Februar 2016) hervor, das unserer Redaktion vorliegt.

 NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD).

NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD).

Foto: dpa, bt cul mg

Demnach sind zum Beispiel in der JVA Dortmund derzeit 429 Strafgefangene untergebracht, obwohl eigentlich nur für 404 Insassen Platz wäre. In der JVA Duisburg-Hamborn ist die Situation ähnlich angespannt. Dort sitzen 336 Häftlinge ein, obwohl die Einrichtung eigentlich nur für 311 Gefangene ausgelegt ist. In der JVA Kleve sind 237 Personen untergebracht statt der maximal vorgesehenen 222. Insgesamt liegt die Belegungsquote aller Gefängnisse in NRW bei derzeit 92,13 Prozent - Tendenz steigend.

"Unhaltbare Situation"

Allein im vergangenen Monat meldeten die Gefängnisse einen Zuwachs von 500 Insassen. "Noch 300 bis 400 Gefangene mehr, und wir sind fast überall zu. Dabei wissen wir schon jetzt kaum noch, wo wir die Gefangenen unterbringen sollen", sagte Peter Brock, Landesvorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten. Viele Sträflinge müssen aufgrund des Platzmangels in Gemeinschaftszellen wohnen - zum Teil zusammengepfercht. Dabei haben sie laut Strafvollzugsgesetz NRW grundsätzlich ein Recht auf Einzelunterbringung. "Das ist eine unhaltbare Situation", betonte Brock, "sollten sie auf ihrem Recht bestehen, dann gute Nacht."

Doch statt mehr Haftplätze zu schaffen, baut das Land sie offenbar immer weiter ab. Im vergangenen Jahr wurden Gefängnisse in Coesfeld, Mönchengladbach und Krefeld geschlossen. Zudem existieren konkrete Pläne, die JVA Duisburg-Hamborn bis 2020 zu schließen. Dem Justizministerium zufolge gibt es landesweit derzeit 18.405 Haftplätze (2015 waren es noch 19.114). Aufgrund von Sanierungsarbeiten sind aktuell gerade einmal 17.629 Haftplätze belegbar. Gefangene gibt es laut Ministerium in NRW derzeit 16.242. Davon gehören 1503 Insassen dem Jugendstrafvollzug und 3453 dem offenen Vollzug an. "Wir sind der Meinung, dass die vorhandenen Kapazitäten ausreichen", sagte ein Sprecher von Justizminister Thomas Kutschaty (SPD). Das Ministerium führte zur Begründung die gesunkene Zahl von Verurteilungen und Freiheitsstrafen in den vergangenen Jahren an.

Doch diese Annahme sei ein Trugschluss, hieß es in Justizkreisen. "Es stimmt zwar, dass weniger Menschen zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden, aber das ändert sich gerade massiv", so ein Insider. "Gerade nach den Vorkommnissen in der Kölner Silvesternacht verhängen die Gerichte wieder härtere Strafen", so der Experte. Das führe dazu, dass die Gefängnisse noch stärker belegt seien.

Mehr Gefangene aus Nordafrika

Brock beobachtet schon jetzt eine deutliche Zunahme nordafrikanischer Gefangener in den Justizvollzugsanstalten: "Sie bringen eine neue Form von Gewalt in die Gefängnisse." Einige von ihnen würden schon bei Banalitäten sehr schnell aggressiv und handgreiflich und zeigten wenig Respekt gegenüber Frauen. "Hinter den Mauern brodelt es", so Brock.

Die CDU forderte Kutschaty auf, für den Strafvollzug ein belastbares Konzept zu erarbeiten und nicht weiter willkürlich Haftplätze abzubauen. Dirk Wedel, rechtspolitischer Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, verlangte mehr Transparenz von der Landesregierung. Der tatsächliche Bedarf an Haftplätzen müsse in Zukunft kontinuierlich und nachvollziehbar ermittelt und veröffentlich werden, so Wedel.

(csh)
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