Schneechaos in NRW Auf den Straßen kalt erwischt

Meinung | Düsseldorf · Nicht auszudenken, Nordrhein-Westfalen läge ein Stückchen näher am Polarkreis. Dann ginge wahrscheinlich gar nichts mehr. Heute fiel nur ein bisschen Neuschnee. Das reichte, um das Land lahmzulegen.

NRW: Schnee sorgt für Verkehrschaos
16 Bilder

NRW: Schnee sorgt für Verkehrschaos im Februar 2015

16 Bilder
Foto: Patrick Schüller

Ein paar Zentimeter produzierten fast 400 Kilometer Stau. Hinterm Steuer floss literweise Adrenalin, wuchsen unzählige graue Haare, der Blutdruck stieg auf wenig gesundheitsförderliche Werte. Im Stop and Go verschlissen Nerven und Kupplungen, verbrannten Millionen Liter Sprit, platzten Termine. Verspätet am Arbeitsplatz angekommen, konnte man froh sein, wenn nicht mehr passiert war - zwei Menschen in NRW haben schneebedingte Unfälle das Leben gekostet.

Es war kein Blizzard wie jüngst in New York, der bis weit in den Vormittag hinein alles zum Erliegen brachte. Im dicht bevölkerten Rheinland und im Ruhrgebiet, in Ballungszonen also, die unter der Verkehrslast ohnehin schon zu ersticken drohen, weil jeden Tag Hunderttausende Autofahrer ihren Weg zur Arbeit suchen, genügen eben einige kräftige Schneeschauer, manchmal bloß ein Regenguss, und das überlastete System kollabiert.

Kalt erwischen kann das niemanden. Seit Jahren schwillt der Strom von Autos und Lastwagen beständig an. Aber wie soll er auch vernünftig fließen, wenn die Autobahnen voller Baustellen sind, die Brücken verrottet und Knotenpunkte nicht annähernd so schnell entschärft werden können, wie sie entstehen? Die Versäumnisse bei der Planung und Instandhaltung der Verkehrswege sind eben kein Schnee von gestern. Sie treffen alle, die mit dem Auto unterwegs sind, nahezu täglich und heute besonders.

Aber vielleicht hat der ein oder andere, der am Morgen im Stau stand, ja die Zeit zum Nachdenken genutzt: Wir haben uns angewöhnt, viele Kilometer zwischen Wohnung und Büro zurückzulegen, weil Mobilität günstig ist und der Staat Pendler sogar steuerlich fördert. Wir haben uns angewöhnt, immer mehr Waren, die man vor der Haustür kaufen könnte, im Internet zu bestellen und nach Hause liefern zu lassen, weil uns das billiger erscheint. Wir haben uns angewöhnt, über die schlechten Straßen zu schimpfen, über die vielen Brummis und auf die Politik.

Und weil das alles genauso wenig hilft, wie über das Wetter zu fluchen, sollten wir uns an folgenden Gedanken gewöhnen: Wenn wir in einem Land wie NRW mit dem Auto in Zukunft einigermaßen stress- und unfallfrei von A nach B kommen wollen, wenn wir unser Konsumverhalten beibehalten wollen, werden wir dafür bezahlen müssen. Und zwar viel, viel, viel mehr Geld für Straßen als jetzt. Anders geht es nicht. Was in Wahrheit zu tun ist, zeigt sich nicht nur an einem Tag wie diesem.

(bew)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort