Neuer Lärmerlass in NRW "Wer sich aufregt, soll einfach mitmachen"

Düsseldorf · Ab diesem Dienstag können auf öffentlichen Plätzen 18 statt zehn Tage im Jahr Volksfeste oder Konzerte stattfinden. Anwohner der Rheinkirmes denken über Proteste nach. Der Städte- und Gemeindebund NRW begrüßt die Novelle.

So schön war die Rheinkirmes 2015 in Düsseldorf
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So schön war die Düsseldorfer Rheinkirmes 2015

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Foto: dpa, os htf

Die betroffenen Anwohner wird es nicht unbedingt freuen, die Veranstalter dagegen schon: Ab heute kann in Nordrhein-Westfalen auf öffentlichen Plätzen, den sogenannten "Freizeitanlagen", mehr und länger gefeiert werden als bisher. Dies ermöglicht der neue Freizeitlärm-Erlass von Umweltminister Johannes Remmel (Grüne). Damit will die Regierung die kommunale Handlungsfreiheit erhöhen. Die Neuregelung betrifft vor allem Konzerte, Märkte und Traditionsveranstaltungen. Schützen- und Volksfeste, die in der Amtssprache als "seltene Ereignisse" gelten, dürfen demnach pro Grundstück an 18 Tagen im Jahr stattfinden. Bisher galt eine Obergrenze von jährlich zehn Tagen.

Zudem kann laut neuem Remmel-Erlass die Nachtphase, in der strengere Lärm-Richtwerte gelten, um zwei Stunden hinausgeschoben werden. Nach Angaben des Umweltministeriums bedeutet dies, dass die schärferen Grenzwerte je nach Veranstaltung und Wochentag nicht bereits ab 22 Uhr eingehalten werden müssen, sondern erst ab Mitternacht. Möglich sei es sogar, die Einhaltung der strengen Nachtruhe bis zwei Uhr morgens aufzuschieben.

An den bestehenden Immissionsrichtwerten, die vom Bund festgesetzt wurden und bereits in dem bisherigen NRW-Lärmerlass aus dem Jahr 2009 verankert sind, ändere sich nichts, betonte Remmel. Das Ziel des neuen Erlasses sei, den Kommunen die Möglichkeit zu geben, mehr Veranstaltungen zuzulassen, wie diese es auch gewünscht hätten. Damit werde auch die kommunale Handlungsfreiheit erhöht.

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Foto: Ilgner Detlef

Städte und Gemeinden, die für sie neuartige Veranstaltungen planen, sollten vorab das Konzept mit den Bürgern erörtern, um für einen angemessenen Ausgleich der unterschiedlichen Belange zu sorgen, empfahl der Minister. Er unterstrich, im Vorfeld der Neuregelung mit allen betroffenen Verbänden (Schützen, Karneval, Schausteller) gesprochen zu haben. Frühere Bedenken insbesondere der Schützen, dass ihre Veranstaltungen eingeschränkt oder mit höheren Auflagen befrachtet werden sollten, hätten offenbar auf Missverständnissen beruht. Remmel: "Das ist alles nicht der Fall."

Nach drei Jahren will der Minister Bilanz ziehen und prüfen, ob Nachbesserungen nötig sind. Er betont, dass in jedem Fall die jeweilige Kommune die Entscheidungshoheit habe. Für Anwohnerklagen sei das zuständige Ordnungs- oder Umweltamt zuständig. Und Beschwerden der Anwohner sind bereits jetzt abzusehen.

Auch Hinrich-Jan Pump, Vorsitzender des Anwohnerschutzvereins Linksrheinisch Düsseldorf, denkt bereits über entsprechende Schritte nach. "Wir sind entsetzt und fassungslos", sagt er, "vor allem, weil das Ganze so furchtbar unnötig ist."

Pump lebt in Oberkassel und damit in unmittelbarer Nachbarschaft der Rheinkirmes. Die durfte bisher an zehn Tagen "bespielt" werden. In Zukunft könnten es 18 Tage sein. Für Pump schwer vorstellbar. Zu massiv sei der Lärm, zu groß die Parkplatznot. "Zehn Tage ließen sich so gerade überstehen", sagt Pump, "aber 18? Das muss doch nicht sein."

Bernd-Jürgen Schneider vom Städte- und Gemeindebund NRW sieht die neue Lage gelassen. "Das schafft Rechtssicherheit und dient dem Bedürfnis der Menschen nach Geselligkeit", sagte er. Vor allem im feierfreudigen Rheinland werde die Novelle sicher begrüßt. Schneider: "Wer sich aufregt, soll einfach mitmachen."

Auch die Schausteller beschwichtigen. Zwar begrüße man den Erlass, weil er existenzsichernd sei, sagte Albert Ritter, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Schaustellerverbände in NRW. "Aber dabei geht es mehr darum, bestehende Veranstaltungen zu schützen, als neue ins Leben zu rufen", sagt er. So habe es etwa juristischen Streit um den elften Tag der Cranger Kirmes gegeben. Der sei traditionell der Bürgerabend gewesen, habe aber wegen der Klage eines Anwohners nicht mehr stattfinden dürfen. Das sei nun vom Tisch. Generell sei eine Ausweitung der Volksfeste jedoch schwer möglich, weil sich der Terminkalender zu 95 Prozent am Kirchenkalender orientiere - der Spielraum sei also gering. "Letztendlich ist das auch eine Frage des Marktes, von Angebot und Nachfrage", sagt Ritter. Darüber reguliere sich vieles. Und zu guter Letzt müsse auf ein gedeihliches Auskommen mit den Anwohnern geachtet werden.

Das ist auch Lothar Inden, Chef des St. Sebastianus Schützenvereins 1316, der die Düsseldorfer Rheinkirmes ausrichtet, wichtig. "Uns geht es auch um Verlässlichkeit. Eine längere Rheinkirmes wird es mit uns nicht geben, das ist unverrückbar."

(RP)
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