Gastbeitrag So britisch ist NRW

Düsseldorf · Der britische Botschafter in Berlin gratuliert dem Land zum 70. Geburtstag. Er erinnert an die enge Verbindung von Großbritannien und NRW und blickt optimistisch auf die Zeit nach dem Brexit.

 Der britische Botschafter Sir Sebastian Wood.

Der britische Botschafter Sir Sebastian Wood.

Foto: dpa

Am Dienstag ist der 70. Jahrestag der Gründung Nordrhein-Westfalens durch die britische Militärregierung. Aus diesem Anlass findet am Abend in der Düsseldorfer Tonhalle auf Einladung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Landtagspräsidentin Carina Gödecke ein Festakt statt, an dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnehmen wird. Zuvor wird in einer militärischen Zeremonie der Beitrag der britischen Streitkräfte zur Entwicklung Nordrhein-Westfalens gewürdigt. Wir freuen uns, dass Seine Königliche Hoheit der Herzog von Cambridge, Prinz William, Großbritannien bei diesen Veranstaltungen vertreten wird. Dieser Besuch, sein erster offizieller in Deutschland seit 2006, folgt auf den Staatsbesuch Ihrer Majestät Königin Elizabeth II. in Deutschland im vergangenen Sommer.

Codewort "Operation Marriage"

"Operation Marriage" - so lautete das Codewort für die Vereinigung des nördlichen Rheinlands mit Westfalen vor 70 Jahren - war ein kühnes Unterfangen. Vor dem Hintergrund eines verheerenden Krieges und einer ungewissen Zukunft gab man ökonomischen und geopolitischen Gesichtspunkten den Vorrang vor der Rücksicht auf historische Grenzen und Identitäten. Wenn man sich NRW heute anschaut, sowohl das Land mit seinen 18 Millionen Einwohnern wie auch seine Rolle in Deutschland, Europa und der Welt, kann man jedoch mit einigem Stolz sagen, dass es eine gute Entscheidung war.

Der Erfolg von NRW ist vor allem ein Verdienst seiner Bürger: der Nachkriegsgeneration, die Deutschlands Wiederaufbau leistete, ebenso wie der heutigen Bevölkerung, die mit dafür sorgt, dass NRW ein Land bleibt, in dem es sich gut leben und arbeiten lässt.

Großbritannien hat als Initiator der "Operation Marriage" die Entwicklung von NRW von Anfang an begleitet. Zu nennen sind hier besonders die britischen Soldaten und ihre Angehörigen, die seit dem Ende des Krieges Teil des öffentlichen Lebens sind. Auch wenn die britischen Streitkräfte sich jetzt darauf vorbereiten, ihre festen Standorte in Deutschland bis 2020 zu verlassen, werden sie weiterhin mit der Region und der Bundeswehr verbunden bleiben - sei es durch gemeinsame Ausbildungsprogramme und Geräteparks, den Austausch von Offizieren, oder bei der Koordination von Einsätzen weltweit.

Aber auch jenseits der Kasernen, die Großbritannien hier hinterlässt, gibt es vieles, was Großbritannien gerade mit NRW verbindet. Die 1946 geschlossene Städtepartnerschaft zwischen Düsseldorf und Reading gehört zu den ältesten zwischen unseren Ländern; eine deutsch-britische Konferenz im Jahr 1950 war namensgebend für die sogenannten Königswinter-Konferenzen, das wichtigste jährliche Treffen von Entscheidungsträgern unserer beiden Länder; und auch kulturell ist Großbritannien in NRW sehr präsent, unter anderem mit einem Nachbau von Shakespeares Globe Theatre in Neuss. Die "Rheinische Post" selbst wurde vor 70 Jahren mithilfe der britischen Militärregierung gegründet - sie war eine der ersten Zeitungen in der britischen Besatzungszone, die eine Lizenz erhielt.

Als bevölkerungsreichstes Bundesland hat NRW natürlich auch einen großen Anteil an den eindrucksvollen Zahlen, in denen sich die Beziehungen zwischen Großbritannien und Deutschland ausdrücken lassen. Ein Viertel der mehr als 100.000 britischen Staatsbürger in Deutschland lebt hier, und aus NRW kommt auch rund ein Viertel der 3,4 Millionen Deutschen, die jährlich nach Großbritannien reisen, und der Hunderttausenden von deutschen Studentinnen und Studenten an britischen Universitäten. Was die Wirtschaft anbelangt, entfällt ein Drittel der britischen Exporte nach Deutschland auf NRW (mehr, als wir nach ganz Indien exportieren), während Großbritannien neben den Niederlanden und Frankreich zu den drei wichtigsten Märkten für Waren aus NRW zählt.

Starke Beziehungen auf breiter Basis

Großbritannien ist auch ein wichtiger Investor in NRW: 345 britische Unternehmen, darunter Giganten wie Vodafone und BP, beschäftigen 61.000 Mitarbeiter in der Region. Und die Zahl wächst: Die britische National Express Group betreibt seit kurzem erstmals Schienennahverkehrslinien in NRW, und der Online-Händler für Haushaltsgeräte AO wurde in diesem Jahr mit einem NRW.Invest-Preis ausgezeichnet. Der nordrhein-westfälische Zweig der Deutsch-Britischen Industrie- und Handelskammer und das Britische Generalkonsulat in Düsseldorf bemühen sich nach Kräften, noch mehr Firmen von den Vorteilen gegenseitiger Handels- und Investitionsbeziehungen zwischen Großbritannien und NRW zu überzeugen.

Starke Beziehungen auf breiter Basis wie die zwischen Großbritannien und NRW werden immer wichtiger, auch da Großbritannien sich nach der Referendumsentscheidung vom 23. Juni auf Verhandlungen über den Austritt aus der Europäischen Union vorbereitet. Wie unser zukünftiges Verhältnis zur EU im Einzelnen aussehen wird, ist zwar noch nicht geklärt, aber eines ist sicher: Großbritannien kehrt Europa nicht den Rücken. Denn wir wünschen uns auch weiterhin möglichst starke wirtschaftliche Verbindungen zu unseren europäischen Nachbarn. Wir teilen Europas Werte, seine Geschichte und seine Herausforderungen. International bleiben wir unter anderem als Mitglied der G 7, G 20, OSZE und der Nato ein engagierter Partner. Wir werden uns immer für Frieden, Sicherheit und eine regelbasierte internationale Ordnung einsetzen.

Glückwünsche für NRW

Deutschland ist und bleibt also ein Schlüsselpartner für Großbritannien - auch deswegen führte der erste Auslandsbesuch der neuen Premierministerin Theresa May nach Berlin zu einem Treffen mit Bundeskanzlerin Merkel. Der heutige Besuch von Prinz William in Düsseldorf ist ein weiteres Zeichen für die Bedeutung unserer Beziehungen zu Deutschland - und der besonderen Verbundenheit mit dieser Region.

Herzlichen Glückwunsch zum 70. Geburtstag an das Land Nordrhein-Westfalen und seine Bevölkerung. Und viel Vergnügen beim Festakt am Dienstagabend und den öffentlichen Feierlichkeiten am Wochenende.

All the best!

(RP)
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