200 km/h-Verfolgungsjagd durch NRW Warum die Polizei den Raser nicht stoppen konnte

Düsseldorf · Ein wohl mehr als 400 PS starker Wagen mit mehreren Insassen entkommt mindestens 24 Polizeiwagen und findet zwischendurch sogar nach Zeit zum tanken. Die Polizei gibt mehrere Gründe an, wie es dazu kommen konnte.

Verfolgungsjagd durchs Rheinland: Dutzende Polizisten im Einsatz
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Verfolgungsjagd durchs Rheinland: Dutzende Polizisten im Einsatz

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Foto: Daniel Bothe

Noch nicht lang nach Mitternacht, Düsseldorfer Norden: Einer Polizeistreife sticht ein verdächtiger schwarzer Wagen ins Auge. Als die Beamten ihn kontrollieren wollen, gibt der Fahrer Gas. Was dann folgt, verdient das Prädikat "filmreif": Zwei Stunden lang jagen mindestens 24 Polizeiwagen und ein Hubschrauber den vermutlich mehr als 400 PS starken Wagen über die Autobahnen im Rheinland. Am Ende schaffen es die Flüchtigen in die Niederlande. Dort verliert sich ihre Spur.

Als ginge es darum, so viele Autobahnen wie möglich zu befahren, hetzen die Unbekannten in einer großen Schleife über die Autobahnen 57, 46, 43, 44, 40, 61 und 52.

Die Insassen finden während der wilden Fahrt sogar noch Zeit, ihren Boliden nachzutanken. Die Polizei räumte auf Nachfrage ein, dass der Audi während der Verfolgung anhielt und mit einem mitgeführten Benzinkanister betankt wurde.

Auch die Auf- und Abfahrten seien ordnungsgemäß benutzt worden, heißt es von der Polizei Düsseldorf. Zu Beginn hatte der Wagen auch noch Nummernschilder: Die Kennzeichen aus Bad Ems waren vergangenen Monat allerdings als gestohlen gemeldet worden.

Am Samstag setzte die Polizei in den Niederlanden die Fahndung fort, konnte bis zum Mittag aber keine Ergebnisse vorweisen. Man vermute die Flüchtigen weiterhin jenseits der Grenze, sagte ein Sprecher der Düsseldorfer Polizei am Samstag. "Es liegt ein Verkehrsverstoß vor. Warum die geflüchtet sind, wissen wir nicht."

Die Bilanz ist für die Polizei wenig erbaulich: Trotz des großen Aufwands steht sie mit leeren Händen da. Warum es ihr nicht gelang, den Raser zu stoppen, erklärt sie mit mehreren Faktoren.

Zu schnell: "Wir haben ihn wegen seiner hohen Geschwindigkeit verloren", räumt ein Sprecher der Polizei Roermond ein. Der Wagen sei zu diesem Zeitpunkt "ohne Licht und ohne Nummernschilder" gefahren.

Der Fahrer: Vielleicht war es Können, vielleicht aber auch nur schieres Glück. "Jeder andere hätte schon nach kurzer einen Unfall gebaut", sagte ein Sprecher der Polizei in Düsseldorf unserer Redaktion.

Zu gefährlich: Die Gewerkschaft der Polizei in NRW warnt davor, sich eine polizeiliche Verfolgung mit Straßensperren und Nagelteppichen vorzustellen wie in amerikanischen Filmen. "Der Schutz von Menschenleben hat Vorrang vor dem Festhalten eines Tatverdächtigen", sagt Sprecher Stephan Hegger. Wichtig sei zuerst, "keinen Polizisten, keine Unbeteiligten und auch den, den Sie verfolgen, nicht zu gefährden". Immerhin: Verletzt wird bei der Raserei niemand.

Zu kompliziert: Der Polizei-Sprecher begründete den Misserfolg der Verfolgung auch mit dem Autobahn-Labyrinth im Ruhrgebiet und Rheinland: "Ein so dichtes Autobahnnetz ermöglicht es, schnell die Autobahn zu wechseln." Es sei schwierig vorauszusehen, wo der nächste Polizeiwagen zum Abfangen bereitstehen müsse.

Unbeantwortet bleiben vorerst die Fragen: Saß ein Fahrer oder eine Fahrerin am Steuer? Wer waren die anderen mindestens zwei, vielleicht auch drei Insassen in dem Wagen, von denen laut Polizei einige maskiert waren? Und: Warum flohen sie auf Teufel-komm-raus?

Wie schnell der Oberklasse-Wagen zwischenzeitlich unterwegs war, will ein Polizeisprecher nicht sagen. Die normalen Fahrzeuge der Polizei für die Stadt hätten 140 PS, die der Autobahnpolizei 170 PS, und man habe auch Zivilfahrzeuge, die erst bei 250 Stundenkilometern abregelten.

Die Strategie sei stattdessen, mit den Einsatzkräften abwechselnd an den Fahrzeugen dranzubleiben und darauf zu setzen, dass die Fahrer irgendwann in eine Verkehrssituation kämen, die sie zum Langsamerfahren zwinge, dass ihnen der Sprit ausgeht oder darauf, dass sie müde würden und aufgeben müssten. Dass das mal nicht aufgehe, "das passiert, es ist ärgerlich, aber wenn Sie keine Menschenleben gefährden wollen, ist das der Preis, den Sie manchmal zahlen", so ein Polizeisprecher.

Immer wieder kommt es in der Region zu wilden Verfolgungsjagden mit der Polizei. Hier haben wir eine Chronik zusammengestellt.

(dpa)
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