"Kein Platz für Antisemitismus" NRW will stärkeren Schutz für Juden prüfen

Düsseldorf · Innenminister Herbert Reul (CDU) erwägt einen Antisemitismus-Beauftragten auf Landesebene. Die Jüdische Gemeinde Düsseldorf berichtet von vermehrten Übergriffen an Schulen.

 Ein Rabbi in Frankfurt vor dem Chanukkah-Leuchter. (Symbolbild)

Ein Rabbi in Frankfurt vor dem Chanukkah-Leuchter. (Symbolbild)

Foto: Arne Dedert/dpa

Nach einem Übergriff auf einen Kippa tragenden Mann in Berlin erwägt NRW-Innenminister Herbert Reul die Berufung eines Antisemitismus-Beauftragten auf Landesebene. Auch die Jüdische Gemeinde Düsseldorf berichtet von vermehrten Übergriffen an Schulen.

Nach dem antisemitischen Angriff auf zwei junge Männer in Berlin nimmt auch Nordrhein-Westfalen den Schutz jüdischer Bürger in den Fokus. So will Innenminister Herbert Reul den Schutz jüdischer Einrichtungen überprüfen. Dieser sei zwar schon auf hohem Niveau, "trotzdem werden wir vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse nochmals prüfen, ob wir etwas verbessern können", sagte der CDU-Politiker unserer Redaktion.

Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) will zudem die Schulleiter in einem Rundschreiben für das Thema Antisemitismus sensibilisieren.

Auf die Forderung der SPD-Fraktion im Landtag, einen Antisemitismus-Beauftragten für NRW zu berufen, antwortete Reul, er schließe einen entsprechenden Bedarf nicht aus. Er wolle aber zunächst abwarten, wie die Erfahrungen mit dem neuen Beauftragten auf Bundesebene seien

 Innenminister Herbert Reul (CDU). (Archiv)

Innenminister Herbert Reul (CDU). (Archiv)

Foto: dpa, cas htf

Der neue Antisemitismusbeauftragte Felix Klein, dessen Stelle Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag neu geschaffen hatten, wird im Mai seine Arbeit aufnehmen. Klein will sich für eine realistische Abbildung von muslimischem Antisemitismus in der Kriminalstatistik einsetzen. Der muslimische Antisemitismus sei stärker, als es in der Statistik bisher zum Ausdruck komme, sagte Klein der "Welt".

Judenfeindlichkeit hat neues Ausmaß

Auch der Verwaltungsdirektor der Jüdischen Gemeinde in Düsseldorf, Michael Szentei-Heise, hat diesen Eindruck: "Nach Angaben der Polizei gehen 90 Prozent der antisemitischen Straftaten auf einen rechtsradikalen Hintergrund zurück.

Der Hass kommt aus unserer Sicht aber zunehmend aus dem muslimischen Teil der Bevölkerung." Die Judenfeindlichkeit in Deutschland habe ein Ausmaß erreicht, wie er sich es vor einigen Jahren nicht hätte vorstellen können.

Viele Gemeindemitglieder, so Szentei-Heise, seien verunsichert oder verängstigt. Jüdische Schüler berichteten ihm von antisemitischen Anfeindungen wie: "Ich wünschte, Hitler hätte euch alle getötet" oder "Wieso gibt es keine Gaskammern mehr?". Beleidigungen wie "Scheißjude" seien an der Tagesordnung; Lehrkräfte zeigten sich oft hilflos und reagierten nicht, betonte Szentei-Heise.

Von den 3764 rechtsradikal motivierten Straftaten, die 2017 in NRW registriert wurden, hatten 324 einen antisemitischen Hintergrund. Das geht aus Zahlen des NRW-Innenministeriums hervor, die die Grünen-Politikerin Verena Schäffer vor wenigen Wochen abgefragt hatte. An Schulen ereigneten sich 61 solcher Vorfälle zwischen Anfang 2014 und Ende 2017, teilte das Schulministerium kürzlich mit. 47 davon seien rechtsradikal motiviert gewesen, zehn weitere dem "Phänomenbereich Ausländer" zuzuordnen, hieß es in der Antwort auf eine kleine Anfrage der AfD-Fraktion im Landtag.

"Kein Platz für Antisemitismus"

"An unseren Schulen gibt es keinen Platz für Antisemitismus, ganz gleich ob politisch oder religiös motiviert", sagte Schulministerin Gebauer. Pläne für verpflichtende Lehrerfortbildungen zum Thema Antisemitismus gebe es aber nicht. Den SPD-Vorschlag, Pflichtbesuche in KZ-Gedenkstätten einzuführen, sieht das Schulministerium kritisch. Freiwilligkeit sei besser für den Lerneffekt und die Vermittlung demokratischer Grundwerte nicht allein die Aufgabe von Schulen. "Auch die Gesellschaft und das Elternhaus sind hier gefordert", sagte Gebauer.

Bei der Anlaufstelle für Opfer von Antisemitismus in NRW sind seit Beginn des Jahres 15 Fälle gemeldet worden. Die Stelle wird vom Land gefördert, Träger ist aber die jüdische Gemeinde. "Ich frage mich, ob das sein muss, dass wir selbst gegen Antisemitismus kämpfen", sagte Gemeindedirektor Szentei-Heise.

(RP)
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