Düsseldorf/Köln Wer waren die Kölner Bombenattentäter?

Düsseldorf/Köln · Die Taten des rechtsextremen "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) werden derzeit in München verhandelt. Am kommenden Montag geht es dabei erstmals um den Nagelbomben-Anschlag an der Kölner Keupstraße.

 2004: Bei der Explosion in der Kölner Keupstraße wurden 22 Menschen zum Teil schwer verletzt.

2004: Bei der Explosion in der Kölner Keupstraße wurden 22 Menschen zum Teil schwer verletzt.

Foto: dpa

22 Menschen wurden zum Teil lebensgefährlich verletzt, als am 9. Juni 2004 in der Kölner Keupstraße eine Bombe vor einem türkischen Friseursalon explodierte. Der Sprengsatz, der sich auf dem Gepäckträger eines abgestellten Fahrrades befand, war mit über 1000 zehn Zentimeter langen Nägeln gespickt. Der Anschlag konnte bislang nicht aufgeklärt werden, wird aber dem rechtsextremistischen "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) zugerechnet.

Mit dem Kölner Nagelbombenattentat befasst sich ab kommendem Montag erstmals das Oberlandesgericht (OLG) in München. Vor dem sechsten Strafsenat findet seit Mai 2013 der Prozess gegen Beate Zschäpe statt. Sie wird wie Uwe Bönhardt und Uwe Mundlos, die sich umgebracht haben, dem Kern des NSU zugerechnet. Der 40-Jährigen wird Mittäterschaft bei zehn Morden, gefährliche Brandstiftung und Gründung einer terroristischen Vereinigung - des NSU - zur Last gelegt. Weitere Mitangeklagte stehen wegen Beihilfe zum Mord vor Gericht.

Dass sich Zschäpe, die aus Jena (Thüringen) stammt, zum Anschlag in der Keupstraße äußern wird, ist eher unwahrscheinlich. Bisher hat sie zu den Vorwürfen im Zusammenhang mit den bundesweiten Anschlägen, die dem NSU angelastet werden, die Aussage verweigert.

Die Initiative "Keupstraße ist überall" und das Aktionsbündnis "NSU-Komplex auflösen" wollen am 20. Januar, wenn die von dem Anschlag Betroffenen vor dem OLG als Zeugen gehört werden, eine Fahrt nach München organisieren, um - wie es heißt - sich mit den Angehörigen der NSU-Mord- und Anschlagserie solidarisch zu erklären.

Joachim Gauck spricht zum Jahrestag des Keupstraßen-Anschlags
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Ebenfalls in Köln war bereits am 19. Januar 2001 ein Sprengsatz in einem iranischen Lebensmittelgeschäft in der Probsteigasse explodiert. Der Täter hatte den Sprengsatz in einer Geschenkdose versteckt. Bei dem Anschlag wurde die damals 19-jährige Tochter des Ladeninhabers schwer verletzt.

Im Abschlussbericht des vom Bundestag eingesetzten NSU-Untersuchungsausschusses heißt es, die Spurenlage in Köln habe "ungleich aussichtsreichere Ermittlungsansätze" geboten als die anderen bundesweit verübten Verbrechen, die ebenfalls dem NSU zugerechnet werden. Jedoch seien "diese Ansatzpunkte nur unzureichend genutzt" worden.

Rätsel ranken sich zuhauf um die beiden Kölner Anschläge. So hat es laut Untersuchungsbericht bei dem Anschlag 2001 einen Zeugen gegeben, der den Täter unmaskiert gesehen habe; die Täter des Anschlags von 2004 seien sogar von Videokameras erfasst worden. Doch diese Spuren wurden von den Behörden offenbar nicht gründlich genug verfolgt. Unklar ist zudem, ob der NSU in NRW Hintermänner hatte, die Anschlagziele auskundschafteten. Und warum verschwand bereits einen Tag nach dem Anschlag in der Keupstraße die Formulierung "terroristische Gewaltkriminalität" aus den polizeilichen Unterlagen? Die Ermittler gingen stattdessen von einem Streit zwischen türkischen und kurdischen Geschäftsleuten aus. Dies sei eine "fatale Fehlentscheidung" gewesen, räumte der frühere NRW-Innenminister Fritz Behrens (SPD) später ein und bat die Opfer um Entschuldigung. Auch der damalige Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte nach dem Anschlag in der Keupstraße gesagt, er gehe nicht von einem terroristischen Hintergrund aus. Jetzt empfindet er diese Einschätzung als "besonders deprimierend und bitter".

Fragen wirft auch die dritte mutmaßliche Tat des NSU in NRW auf: In Dortmund war am 4. April 2006 ein türkischstämmiger Kioskbesitzer durch Kopfschüsse getötet worden. Nach Auffliegen des NSU im November 2011 berichtete eine Vertrauensperson der Dortmunder Polizei mit Decknamen "Heidi", dass sie die Polizei bereits 2006 darüber informiert habe, Uwe Mundlos und eine Frau am 1. April 2006 am Dortmunder Hauptbahnhof abgeholt zu haben. Laut "Heidi" hat sich die Polizei damals jedoch nicht für diese Information interessiert.

Ob der NSU-Prozess in München zur Aufklärung der Verbrechen in NRW beitragen kann, bleibt abzuwarten. Der Düsseldorfer Landtag hat inzwischen einen eigenen NSU-Untersuchungsausschuss eingesetzt. Die Aussagen der Zeugen vor dem OLG sollen in diese Arbeit einbezogen werden, kündigte Ausschussvorsitzende Nadja Lüders (SPD) an. Es wird nicht ausgeschlossen, dass der NSU auch mit dem Bombenanschlag auf dem Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn in Verbindung steht, bei dem im Juli 2000 zehn Menschen zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden. Die Opfer waren Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion. Eine im fünften Monat schwangere Frau verlor damals ihr ungeborenes Kind.

(RP)
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