Schließung des Opel-Werkes Vom Werkstor in die Stammkneipe: Als Opel noch Familie war

Bochum · Einst traf sich in der Kneipe am Opeltor die ganze Belegschaft. Heute sind diese Zeiten nur noch Erinnerung - eine Erinnerung, die für viele Opelaner sehr emotional ist. Viele haben mit dem anstehenden Ende aber schon abgeschlossen.

Opel-Werk Bochum: Opelaner nehmen Abschied
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"Ich hab das hier alles mit aufgebaut, jetzt sehe ich, wie es bald alles wieder abgerissen wird", sagt Rudi Schirmacher. Der 80 Jahre alte Gastwirt der Kneipe um die Ecke des einst stolzen Bochumer Opelwerks nippt an seinem Feierabendpils. Viel los ist hier nicht mehr. In der Ecke spielen drei Bochumer Karten. Die Gäste am Tresen sind schnell wieder weg.

Das Opel-Werk in Bochum - ein Rückblick
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Foto: dpa

Am Freitag rollt in den Werkshallen keine 200 Schritte von Schirmachers "Bürger-Klause" das letzte Auto vom Band. Eine Woche später geben die verbliebenen 3300 Mitarbeiter ihre Werksausweise ab. Das ist das Ende, gegen das sie lange angekämpft haben.

2004 war es noch gelungen mit einem Streik Schließungspläne des Mutterkonzerns General Motors abzuwehren. Als 2012 der Opel-Vorstand das Aus ankündigte, waren Wut und Verzweiflung groß. Inzwischen scheint es, als hätten viele derjenigen, deren Geschichte eng mit dem Traditionswerk verbunden ist, ihren Abschied schon längst genommen.

In die einstige Stammkneipe kommen nur noch wenige Opelaner regelmäßig, sagt Schirmacher. "Das Thema Opel ist für mich durch", winkt er ab. An die goldenen Zeiten jedoch erinnert er sich gern. 1961 öffnete die "Bürger-Klause". 1962 wurde nebenan der erste Kadett gebaut. Opel wurde zur Jobmaschine für das Revier mit seinen arbeitslos gewordenen Bergleuten. Rund 20.000 waren hier zu Spitzenzeiten beschäftigt.

2012: Opel-Werk in Bochum wird 50 Jahre alt
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Je mehr die Belegschaft wuchs, desto größer war der Durst der Opelbauer: "100 halbe Liter musste ich da schon mal vorzapfen, damit die alle versorgt waren in ihrer Pause. Musste ja schnell gehen", sagt Schirmacher. Die 1970er und 80er Jahre - das waren die Zeiten als der Schankraum aus allen Nähten platzte, wenn bei Opel der Schichtwechsel war.

"Wenn mir damals einer gesagt hätte, das geht mal zu Ende, ich hätte es nicht geglaubt." Opel sei einst eine große Familie gewesen: Ihren Söhnen und Töchtern gab sie das Versprechen, bis zur Rente ein sicheres Zuhause zu haben. "Was machen die denn jetzt? Opel ist ja kein Beruf", fragt Schirmacher und schüttelt den Kopf mit dem faltigen Gesicht.

Die Bochumer Opelaner sind im Schnitt 50 Jahre alt. So wie Günter Bärwolf. Er ist einer jener zahlreichen Opelaner in zweiter Generation. Schon sein Vater fand als Bergmann nach dem Aus seiner Zeche in Gelsenkirchen eine neue Anstellung. Und auch der Sohn, gelernter Radio- und Fernsehtechniker, hoffte, hier auf guten Verdienst und heuerte an. 26 Jahre ist das her.

2012: 150 Jahre Opel-Tradition
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Jetzt muss Bärwolf, der zuletzt in der Werkslogistik gearbeitet hat, sein Leben neu ausrichten. Andere Opel-Standorte kamen für ihn nicht infrage. "Ich bin hier im Ruhrgebiet zu Hause. Schon immer". Er wird - wie 2700 der verbliebenen Mitarbeiter - in die Transfergesellschaft wechseln, die sie auf neue Jobs vorbereiten soll. Logistik- oder IT-Branche - dort hofft er auf die Möglichkeit für einen beruflichen Neuanfang. "Jetzt hilft doch alles Jammern nichts. Der Kampf ist lange vorbei", sagt der IG-Metall-Vertrauensmann Bärwolf.

So wie der Gelsenkirchener denken viele in der Belegschaft, berichtet der Betriebsratschef. "Wir haben ja die Auseinandersetzung um Opel mehr als zehn Jahre lang geführt. Jetzt ist das abgeschlossen. Opel hat die Beziehung beendet", so Rainer Einenkel. Unverständnis, Verbitterung, aber auch Zukunftssorgen seien bei den Verlassenen spürbar.

"Ich weiß, dass ich es mit 50 nicht mehr so leicht habe wie mit 30. Aber jetzt ist es halt so", sagt Bärwolf. Wehmut werde trotzdem dabei sein, wenn das letzte Auto vom Band rollt. "Ich habe einmal gern bei Opel gearbeitet".

Und am Ende? "Dann gehe ich durch das Tor und komme nicht wieder", sagt Bärwolf und zuckt mit den Schultern. Auch die einstige Stammkneipe seiner Kollegen wird er wohl nicht besuchen. Er war dort nie und muss noch fahren - einen silbernen Opel-Calibra. Was sonst?

(lnw)
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