Petra P. kein Einzelfall Aus dem Leben verschwinden

Düsseldorf · 31 Jahre lang war Petra P. untergetaucht, ihre Familie und die Justiz hielten sie für tot. Menschen versuchen häufiger, ihren Tod vorzutäuschen, scheitern aber meist. Meist fällt die Entscheidung in Momenten der Panik.

Sie hatte keinen gültigen Ausweis, keine Versicherung, keine Bankkarte. Trotzdem schaffte es Petra P. 31 Jahre lang, ihr Leben unter falscher Identität zu bestreiten. Sie war mit 24 Jahren untergetaucht und später für tot erklärt worden. So kurios der Fall klingt, so erfolgreich war Petra P. doch auch. Denn so lange unterzutauchen und somit Angehörige und die Behörden zu täuschen, das ist in Deutschland so noch niemandem gelungen.

Nicht, dass es nicht auch andere versucht hätten. Immer wieder landen Fälle vor Gericht, in denen Menschen ihren Tod vorgetäuscht haben. Sie unterscheiden sich jedoch in zwei entscheidenden Punkten vom Fall Petra P.: Zum einen täuschen diese Menschen ihren Tod meist vor, um einer Strafverfolgung zu entgehen, zum anderen verschwinden sie nicht einfach, sondern versuchen etwa durch das Fälschen von Papieren den Fall wasserdicht zu machen - und fliegen genau dadurch auf.

So geschehen 2006. Ein damals 44-Jähriger aus der Eifel wollte einer dreijährigen Haftstrafe wegen Betrugs entgehen und erklärte sich selbst für tot. In die Sterbeurkunde trug er ein, an einem Schlaganfall gestorben zu sein. Die Fälschung war so perfekt, dass der Bundesgerichtshof das Verfahren gegen den Diplom-Chemiker einstellte. Nun musste er abtauchen, ließ sich nahe Belgien nieder und merkte alsbald, dass es als vermeintlich Toter schwierig ist, auf legalem Weg zu Geld zu kommen. Also fälschte er weiter Papiere, machte sich zum Heilpraktiker mit Ehefrau - und starb kurz darauf zum zweiten Mal auf dem Papier. Da dies nicht sein letzter Betrug blieb, kam ihm die Polizei auf die Schliche. 2012 wanderte er ins Gefängnis.

Im selben Jahr landete ein 47-jähriger Deutscher in Salzburg vor Gericht, weil auch er seinen Tod vorgetäuscht und sich wegen Betruges strafbar gemacht hatte. Weil er hohe Schulden hatte, inszenierte er sein eigenes Ableben. Er fälschte die Sterbeurkunde, schickte eine Ausführung ans Gericht und eine an die Gemeinde. Die Fälschung flog auf und auch er landete im Gefängnis.

Wirklich lange schaffen es die meisten Kriminellen nicht, die Mär vom eigenen Tod aufrechtzuerhalten. Erfolgreicher sind unbescholtene Bürger, die aus anderen Gründen einen Weg raus aus ihrem Leben suchen. In den USA sorgte 2013 der Fall Brenda Heist für Aufregung. Elf Jahre lang war die Frau aus Pennsylvania verschwunden, galt als tot, ihr Mann stand sogar unter Mordverdacht. Die damals 42-Jährige lebt von da an zeitweise auf der Straße, bis sie es nicht mehr aushält und sich den Behörden stellt. Sie habe 2002 ihr Zuhause wegen familiärer Probleme verlassen, gab die zweifache Mutter an.

Ebenfalls freiwillig kehrte ein Mann aus Arizona nach 16 Jahren zurück. Eric Myers verschwand 1991 im Alter von 34 Jahren, nachdem er ein Seminar in San Diego besucht hatte. Zurück blieben seine Frau, zwei gemeinsame Töchter sowie drei Adoptiv-Söhne aus Vietnam. 2007 nimmt Myers per E-Mail Kontakt auf, zunächst anonym, dann gibt er sich zu erkennen. Der Grund für sein Verschwinden: Er hatte Angst davor, sich vor seiner Familie als homosexuell zu outen.

Für Peter Jamin, Düsseldorfer Autor des "Vermissten-Ratgebers für Angehörige", sind dies typische Beispiele. "In den meisten Fällen ist der Grund für das Verschwinden keine Abenteuerlust, sondern Probleme, Krankheit, Gewalt." Er selbst kennt einen solchen Fall aus seinem Bekanntenkreis. Damals verschwindet ein junger Mann, Familie und Freunde wissen nicht, wo er ist. "Erst nach 30 Jahren kommt er an Krebs erkrankt zum Sterben zurück. Er ist in all den Jahren um die Welt gereist, hat in Asien gelebt, geheiratet", sagt Jamin. Bei einem anderen Fall hatte er die Eltern eines Studenten betreut, der am Tag seines Examens verschwunden war. 15 Jahre später tauchte er in New York wieder auf. Auch ein junges Mädchen aus Mönchengladbach war untergetaucht und lebte zehn Jahre lang nur rund 50 Kilometer von ihrem Elternhaus auf der anderen Seite der deutsch-holländischen Grenze.

Das Verschwinden sei eine Panikreaktion, sagt Jamin, und je länger man wegbleibe, desto schwieriger sei die Rückkehr. "Wer zurückkommt, muss sich mit dem Auslöser auseinandersetzen, damit, was man seiner Familie angetan hat, und mit der Frage, wie es in Zukunft weitergehen soll." Solche Fälle wie der von Petra P. seien aber selten, so eine Sprecherin des Bundeskriminalamtes. "Nur drei Prozent aller Vermissten in Deutschland bleiben länger als ein Jahr verschwunden."

(RP)
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