Doppelmord-Prozess gegen Marcel H. "Mama, ich glaub der Jaden ist tot"

Die Mutter des getöteten Jaden hat im Doppelmord-Prozess gegen Marcel H. vor dem Bochumer Landgericht als Zeugin ausgesagt. Der Stiefvater und der Bruder des Neunjährigen schafften das nicht.

Marcel H. aus Herne: Mutmaßlicher Kindermörder in Bochum vor Gericht
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Mutmaßlicher Kindermörder Marcel H. vor Gericht

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Foto: Bernd Thissen/dpa

Jeanette R. kann den Moment noch genau beschreiben, in dem ihr klar wurde, dass ihr Sohn Jaden tot ist. Sie stand an der Tür des Nachbarhauses, zwei Rettungssanitäter kamen aus dem Keller, gingen an ihr vorbei. "Der erste ist auf halbem Weg stehen geblieben und in Tränen ausgebrochen, der zweite ist sprachlos langsam mit seiner Tasche zum Krankenwagen gegangen. Da wusste ich: Mein Kind ist tot", sagt die 41-Jährige am Donnerstag im Prozess gegen den 19-jährigen Marcel H., der fünf Jahre lang ihr Nachbar war.

Marcel H. ist wegen zweifachen Mordes angeklagt. Laut Anklage hat er am 6. März den neunjährigen Jaden in einen Keller gelockt und getötet. Danach soll er sich bei einem Bekannten in Herne versteckt und auch ihn getötet haben, als der 22-Jährige merkte, wem er da Unterschlupf gewährt hatte. Bei der Polizei hat H. die Taten gestanden. Im Prozess vor dem Landgericht in Bochum schweigt er bisher.

"Die Schreie werde ich nie vergessen"

Der Saal C240 des Bochumer Landgerichts ist auch am dritten Prozesstag voll. Freunde und Verwandte der Opfer, aber auch viele Neugierige beobachten den Prozess. Der Vorsitzende Richter Stefan Culemann ermahnt die Zuschauer, sie seien willkommen, aber mehr als ein Raunen lasse er als Reaktion nicht zu.

Es gibt in diesem Prozess viele Momente, in denen betroffen geflüstert wird unter den Beobachtern. Etwa, als klar wird, dass sowohl Jadens älterer Bruder Maurice als auch sein Stiefvater Pascal R. doch nicht als Zeugen erscheinen werden, weil sie es schlicht nicht schaffen. "Sein Bruder sieht sich außer Stande, diese Aussage zu machen", sagt der Anwalt der Familie. Auch Pascal R. sei der nervlichen Belastung nicht gewachsen. "Wir wissen nicht, wo er ist." Er gehe aber davon aus, dass Pascal R. in den nächsten Tagen aussagen werde.

Pascal R. war es, der den toten Jaden im März im Keller des Nachbarhauses gefunden hatte. Maurice war dabei. Seine Mutter Jeanette R. erinnert sich an seine Schreie. "Die werde ich nie vergessen", sagt sie. Sie habe sofort gewusst, dass etwas Schlimmes passiert sein musste, sei nach draußen gerannt. "Maurice kam mir entgegen, ist auf der Wiese zusammengebrochen und hat geschrien: Mama, ich glaub der Jaden ist tot, alles ist voller Blut." Auch ihr Partner Pascal R. sei aus dem Nachbarhaus gekommen. "Er war ganz apathisch, sah aus wie ein Zombie."

"Ich habe erst gedacht, ich hätte seinen Puls gefühlt"

Der 36-Jährige hatte einem Nachbarn noch zugerufen: "Hilf mir, hilf mir, mein Sohn, er verblutet!" Dieser Nachbar war Pascal R. dann in den Keller gefolgt. "Da lag der Junge in diesem Müll", sagt er am Donnerstag im Zeugenstand. Er habe ihn hochgenommen und "ins Licht getragen", um sehen zu können, was mit dem Kind ist. "Ich habe erst gedacht, ich hätte seinen Puls gefühlt", sagt der 39-Jährige. Die Haare des Jungen seien ganz nass gewesen, voller Blut. Er habe versucht, ihn wiederzubeleben.

Er habe sein T-Shirt ausgezogen und versucht, damit die Wunden zuzudrücken, berichtete der Nachbar weiter. Irgendwann sei ein Notarzt in den Keller gekommen und habe gesagt: "Hören Sie bitte auf und gehen Sie." Rechtsmediziner stellten später fest, dass 52 Mal mit einem Messer auf Jaden eingestochen worden war.

"Er hat in seiner eigenen Welt gelebt"

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Foto: Christoph Reichwein

Jadens Mutter ist damals nicht in den Keller gegangen. Sie hat sich auch die Bilder ihres toten Jungen, die Marcel H. nach der Tat an einen Freund verschickt hat, nicht angesehen. "Ich hab meinen Sohn so in Erinnerung behalten, wie ich ihn verabschiedet hab', als ich zum Einkaufen gefahren bin", sagt sie. Jaden habe ihr noch zugerufen, sie solle ihm etwas mitbringen.

Jeanette R. kann viel über Marcel H. erzählen, den seltsamen Nachbarsjungen, der sie nie angesehen habe, wenn sie ihn grüßte, der nie dabei gewesen sei, wenn die Nachbarn zusammen runde Geburtstage oder Silvester feierten. "Er hat in seiner eigenen, virtuellen Welt gelebt, den ganzen Tag im Internet gezockt", sagt sie. Einmal habe seine Mutter "das Internet ausgemacht", da habe Marcel H. alles zusammengebrüllt. "Das war extrem, unbeschreiblich", sagt Jeanette R.

Sie habe mit Marcels Mutter oft über den Jungen gesprochen, den Schulschwänzer, den sie nie mit einem Freund gesehen habe, der immer nur in seinem Zimmer gewesen sei. "Sie hat immer alles beschönigt und gesagt: Der ist halt so." Einmal sei seine kleine Schwester mit einem blauen Auge zu Jeanette H. gekommen. "Das war Marcel. Seine Schwester meinte, dass er unkontrollierbar sei, ein Soziopath und eine Gefahr für sich und andere." Den solle man wegsperren, habe die Schwester gesagt.

Marcel H.s Mutter und sein Stiefvater werden nicht im Prozess aussagen. Nur seine jüngere Schwester ist bereit, etwas über ihren Bruder zu sagen. Sie wird am 28. September als Zeugin erwartet.

(hsr)
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