Prozess gegen Marcel H. in Bochum "Lebst du noch?"

Am Dienstag hat im Prozess gegen den mutmaßlichen Doppelmörder aus Herne die Mutter des zweiten Opfers, Christopher W., ausgesagt. Sie schilderte das Leben ihres Sohnes.

Christopher W. konnte keinem Menschen etwas zu Leide tun. "Er konnte sich einfach nicht wehren", erzählt seine Mutter Michaela W. (50) am Dienstag im Prozess gegen Marcel H. unter Tränen. Immer wieder erstickt ihre Stimme. Nur 15 Minuten lang befragt der Vorsitzende Richter Stefan Culemann sie. "Meine Kinder sind gegen Gewalt, aber ich habe sie so erzogen, dass es okay ist, sich zu wehren." Doch Christopher habe schon im Kindergarten nicht zurückhauen können.

Gegen seinen Mörder allerdings hat sich der 22-jährige Christopher heftig gewehrt. Das hat Marcel H. in seiner Vernehmung nach seiner Festnahme erzählt, und auch die Rechtsmedizinerin hat das bestätigt. Christopher wäre seinem Mörder sogar fast entkommen, er hatte es während des Kampfes schon fast bis zur Wohnungstür geschafft. Doch er war so stark verletzt, dass H. ihn einholte. Auch eine Nachbarin aus dem Haus, die am Morgen beim Verlassen des Hauses Schreie gehört hatte, vermochte seinen Tod nicht zu verhindern.

Marcel H. aus Herne: Mutmaßlicher Kindermörder in Bochum vor Gericht
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Mutmaßlicher Kindermörder Marcel H. vor Gericht

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Foto: Bernd Thissen/dpa

Christopher W. ist oft das vergessene Opfer in diesem Mordfall. Der 22-Jährige starb keine 24 Stunden nach dem neunjährigen Jaden am Morgen des 7. März 2017. Doch seine Leiche wurde erst drei Tage später entdeckt, nachdem Marcel H. sich der Polizei gestellt hatte. Zu diesem Zeitpunkt war das öffentliche Entsetzen über den Tod des neunjährigen Nachbarsjungen von Marcel H. bereits so groß, dass der zweite Mord weniger Aufmerksamkeit bekam. Zumal sich die Öffentlichkeit längst mit dem mutmaßlichen Täter beschäftigte.

Marcel H. soll sich nach dem Mord an Jaden am späten Abend des 6. März zu Christopher W. in die Wohnung geflüchtet haben. Der 22-Jährige wohnte nur wenige Straßen vom ersten Tatort in Herne entfernt. Weil Christopher hilfsbereit war, ließ er Marcel H. bei sich übernachten. Erst am nächsten Morgen soll er nach Aussage von Marcel H. entdeckt haben, dass sein Gast wegen Mordes gesucht wurde. Als Christopher seinen Kumpel damit konfrontierte, soll dieser unter dem Vorwand, seine Brille zu suchen, ein Messer gezückt und völlig überraschend und aus dem Hinterhalt zugestochen haben. Beide Taten hatte H. bei der Polizei gestanden und im Prozess über seinen Verteidiger eingeräumt.

68 Messerstiche zählte die Rechtsmedizinerin später. Marcel H. soll sich mit Christopher W. einen regelrechten Todeskampf geliefert haben. H. soll ihn noch erpresst haben, damit W. sein Handy und sein Internet-Passwort preisgab, dann würde H. einen Krankenwagen rufen. Doch stattdessen erdrosselte er W. mit dem Gürtel eines Bademantels. Drei weitere Tage versteckte er sich in der Wohnung, die Leiche soll H. mit einem Tuch verdeckt haben.

Am Tag vor dem Mord das letzte Mal Kontakt

Christophers Mutter hätte eigentlich das Wochenende mit ihrem Sohn verbringen wollen. Für den 10. März waren sie verabredet. Am Tag vor dem Mord hatten die beiden das letzte Mal Kontakt. "Wir hatten wegen Christophers Behinderung ein ganz besonderes Verhältnis", sagt sie. Christopher war ein Asperger-Autist. "Manchmal hat er mich 30 Mal am Tag angerufen." Dass sie drei Tage lang nichts von ihrem Sohn gehört habe, sei ungewöhnlich gewesen. Am Donnerstag, kurz bevor sich Marcel H. stellte, schrieb sie an ihren Sohn eine letzte Nachricht: "Lebst du noch?"

Anmerkung der Redaktion: Normalerweise lassen wir Blaulicht-Meldungen nicht kommentieren, aber bei diesem Artikel hatten wir aus Versehen das Kommentarfeld geöffnet. Zur Transparenz lassen wir die Kommentare stehen, haben die Diskussion aber inzwischen geschlossen.

(heif)
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