Prozessauftakt in Bonn Angeklagte im Fall Niklas schweigen

Bonn · Im Fall des in Bonn getöteten Niklas haben die mutmaßlichen Täter zum Prozessauftakt nur ihre Anwälte für sich sprechen lassen. Diese erklärten, dass ihre Mandanten unschuldig seien. Niklas Mutter saß ihnen gegenüber.

 Der Hauptangeklagte Walid S. (2.v.l.) neben seinem Anwalt Martin Kretschmer und der Angeklagte Roman W. (r.) neben seinem Anwalt Peter Kriege im Landgericht Bonn.

Der Hauptangeklagte Walid S. (2.v.l.) neben seinem Anwalt Martin Kretschmer und der Angeklagte Roman W. (r.) neben seinem Anwalt Peter Kriege im Landgericht Bonn.

Foto: dpa, ve jhe

Es gibt kaum einen Bonner, der das Rondell an der Rheinallee in Bad Godesberg nicht kennt. Den Ort, an dem der 17-jährige Niklas im vergangenen Mai auf dem Nachhauseweg von einem Konzert so brutal verprügelt worden ist, dass er sechs Tage später im Krankenhaus starb. Noch immer legen Menschen dort Blumen nieder, zünden Kerzen an, bleiben stehen, wenn sie an der provisorischen Gedenkstätte vorbeikommen. Und es sind nicht nur Angehörige, Freunde, Bekannte des Schülers. "Sein Tod traf uns Bonner bis ins Mark", sagt eine ältere Frau, die am Freitag am Tatort eine Grabkerze neben das kleine Holzkreuz gestellt hat, auf dem "Niklas" steht.

Etwas mehr als acht Monate nach der Tat sitzt Niklas' Mutter den beiden mutmaßlichen Tätern am Freitag erstmals gegenüber. Nur drei Meter trennen sie im großen Sitzungssaal des Bonner Landgerichts voneinander. Die Frau, die auf so tragische Weise ihren Sohn verloren hat, muss beim Prozessbeginn vor dem Bonner Landgericht dann mitanhören, wie die Anwälte der Angeklagten das Wort ergreifen, weil ihre Mandanten es vorziehen zu schweigen. Martin Kretschmer, der den 21-jährigen Hauptangeklagten Walid S., einen Italiener mit marokkanischen Wurzeln, vertritt, erklärt, dass dieser sämtliche Tatvorwürfe bestreitet. Sein Mandant, der zuvor in Handschellen in den Saal geführt worden war, sei zur fraglichen Zeit gar nicht am Tatort gewesen. Er sei stattdessen in einem Park gewesen, den er bis auf einen Gang zur Tankstelle in jener Nacht nicht verlassen habe. Es gebe Zeugen, darunter seine Freundin, die das bestätigten, so der Verteidiger. Niklas' Mutter, die in dem Verfahren als Nebenklägerin auftritt, verzieht keine Miene.

Doch die Staatsanwaltschaft ist sich sicher, mit S. den Richtigen auf der Anklagebank sitzen zu haben. Sie wirft ihm vor, den 17-jährigen Niklas mit einem Faustschlag gegen die Schläfe niedergeschlagen und dann, als Niklas am Boden lag, ihm noch gegen den Kopf getreten zu haben. S. steht aber nicht wegen Totschlags, sondern nur wegen Körperverletzung mit Todesfolge vor Gericht, weil ein rechtsmedizinisches Gutachten ergeben hat, dass Niklas' Gefäße im Gehirn vorgeschädigt gewesen sind. Auslösend für den Tod sei daher bereits der Schlag gegen den Kopf gewesen, der im Normalfall keine tödlichen Folgen gehabt hätte, heißt es in dem Bericht.

Neben S. sitzt sein gleichaltriger Freund auf der Anklagebank, der 21-jährige Roman W., ein Deutscher ohne Migrationshintergrund. Er muss sich in dem Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung verantworten. In der Tatnacht, so lautet der Vorwurf gegen ihn, soll er eine Freundin von Niklas brutal ins Gesicht geschlagen und dann noch versucht haben, auf Niklas selbst loszugehen, wovon er aber abgehalten worden ist. Die Ermittlungen der Polizei haben ergeben, dass Niklas ein Zufallsopfer gewesen sein muss. Demnach sind in der besagten Mainacht am Rondell in Bad Godesberg zwei Gruppen aufeinandergetroffen, die eine: Niklas und seine Freunde, die andere: bestehend aus jungen Männer, darunter laut Anklage S. und W.

Niklas P. getötet: Trauer in Bad Godesberg in Bonn
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Foto: dpa, mjh hpl

Auch wenn sich die Bonner Anklagebörde sicher ist, dass S. es gewesen sein muss, der Niklas niedergeschlagen hat, fehlen ihr handfeste Beweise. Ein junger Mann, der den 21-Jährigen als Täter wiedererkannt haben will und den die Anklagebehörde als Hauptbelastungszeugen anführt, müsse sich irren, sagt Kretschmer. Und eine Jacke mit Blutspuren von Niklas, die die Polizei bei S. gefunden hat, gehöre ihm auch nicht. Sie sei erst nach der Tat in den Besitz seines Mandaten gelangt. Ein Freund hätte sie ihm gegeben, weil ihm kalt gewesen sei.

Im Zuschauerbereich im Saal des Landgerichts sitzt auch Bad Godesbergs Pfarrer Wolfgang Picken. Er ist gekommen, um den Angehörigen beizustehen. Er hat zuvor auch das Holzkreuz mit Niklas Namen am Rondell aufstellen lassen. Der Tod des Jungen, sagt der Geistliche, sei noch eine offene Wunde in der Stadt. Vom Prozess erhofft er sich, dass sich diese zumindest wieder ein bisschen schließe. Eine junge Frau, die eine Reihe hinter ihm sitzt und den Toten gekannt hat, wünscht sich nichts mehr als das. "Aber dafür müssen die Täter ins Gefängnis. Die müssen bestraft werden", betont sie.

Niklas' Mutter ist nicht zum Prozess gekommen, um ein Geständnis der Angeklagten zu hören. Das habe sie nicht erwartet, sagt ihr Anwalt. Für sie sei es wichtig, Gewissheit über die Tatnacht zu bekommen. Sie wolle verstehen und begreifen, warum ihr Sohn sterben musste. Wenn es die Angeklagten gewesen seien, sollten sie den Mumm haben, den Mund aufzumachen, so der Anwalt der Mutter.

Doch darauf deutet am ersten Prozesstag nichts hin. Mehr als ein knappes Ja auf die Fragen des Richters, ob die Erklärungen ihrer Anwälte richtig seien, bringen die Angeklagten nicht heraus. Nach 20 Minuten ist die Sitzung deshalb schon beendet.

(csh)
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