Geldstrafen wegen unterlassener Hilfeleistung in Essen Richter kritisiert gleichgültiges Verhalten der Angeklagten

Essen · Der Fall hatte für Entsetzen gesorgt: Statt einem am Boden liegenden Senior zu helfen, stiegen Kunden einer Essener Bank einfach über den Mann hinweg. Kurze Zeit darauf starb der 83-Jährige. Jetzt sind zwei Männer und eine Frau zu Geldstrafen verurteilt worden.

 Die drei Angeklagten (gepixelt) sitzen im Gericht neben ihren Verteidigern. Rechts im Bild stehen die Angehörigen des Opfers.

Die drei Angeklagten (gepixelt) sitzen im Gericht neben ihren Verteidigern. Rechts im Bild stehen die Angehörigen des Opfers.

Foto: dpa, mku fdt

Die drei Angeklagten wurden wegen unterlassener Hilfeleistung schuldig gesprochen. Einer der Männer wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 2800 Euro in 80 Tagessätzen à 35 Euro, der andere zu einer Geldstrafe in Höhe von 2400 Euro in 80 Tagessätzen à 30 Euro verurteilt. Die Frau muss 3600 Euro in 90 Tagessätzen à 40 Euro zahlen.

Der Mann sei den beiden Männern und der Frau einfach gleichgültig gewesen, sagte Richter Karl-Peter Wittenberg. Die drei Bankkunden hätten billigend in Kauf genommen, dass da jemand liegt, der Hilfe benötigt. "Keiner wollte Hilfe leisten", sagte Wittenberg zur Begründung des Urteils.

Die Staatsanwältin hatte im Prozess eine "empfindliche" Geldstrafe für die Angeklagten gefordert. "Die solidarische Pflicht, Mitmenschen zu helfen, ist in besonderem Ausmaß verletzt worden", sagte Staatsanwältin Nina Rezai am Montag in ihrem Plädoyer am Amtsgericht Essen-Borbeck. Mit der Strafe müsse ein deutliches Zeichen gesetzt werden, "dass wir uns nicht in Richtung einer wegsehenden Gesellschaft bewegen". Die Verteidiger der Beschuldigten hatten einen Freispruch gefordert.

Eine Überwachungskamera im Vorraum der Bank hatte den aufsehenerregenden Fall dokumentiert. Auf dem Weg zum Bankautomaten stiegen Kunden demnach über den Zusammengebrochenen oder machten einen großen Bogen um ihn. Der Rentner war nach dem Vorfall im Oktober 2016 nicht wieder zu Bewusstsein gekommen und eine Woche später gestorben. Ein Gutachten ergab, dass er auch gestorben wäre, wenn ein Arzt eher gekommen wäre.

Die 39-jährige Angeklagte und ein 61 Jahre alter Angeklagter hatten ausgesagt, sie hätten den 83-Jährigen für einen Obdachlosen gehalten. "Ich dachte, er schläft", sagte der 61-Jährige. Die 39-Jährige sagte, sie sei schon öfter von Obdachlosen belästigt worden. Ihr Verhalten beschrieb sie so: "Ich gehe einfach nur rein, mache meine Erledigungen und gehe wieder." Der 61-Jährige betonte, er habe früher schon einmal jemanden angesprochen und sei dann beschimpft worden.

Dagegen schilderte ein Polizeibeamter, der mit einem Kollegen zu der Bank gerufen worden war: "Für uns war klar, dass es sich nicht um einen Obdachlosen handelt." Die Anklage ging von bedingtem Vorsatz aus.

Der Senior war innerhalb weniger Minuten mehrfach rückwärts gefallen und mit dem Kopf auf dem Fliesenboden aufgeschlagen. Nach einem dritten Sturz blieb er liegen - mitten in dem Raum neben einem Geldautomaten, wie die vor Gericht gezeigten Filme aus der Überwachungskamera zeigen. Als die Polizei eintraf, habe der 83-Jährige noch seinen Namen nennen können und gesagt, dass er müde sei, berichtete der Beamte.

Zunächst standen drei der vier Bankkunden vor Gericht. Das Verfahren gegen den vierten Angeklagten wurde wegen dessen Gesundheitszustands abgetrennt.

(csh/lsa/sef)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort